Das
Geheimnis von Keplers Supernova
von Stefan
Deiters
astronews.com
8. Oktober 2004
Vor
fast genau 400 Jahren erschien plötzlich ein neuer Stern am Nachthimmel, der mit
seiner Helligkeit den nahen Planeten Konkurrenz machte. Unter den erstaunten
Beobachtern war auch ein prominenter Astronom: Johannes Kepler. Heute versuchen
gleich drei Weltraumteleskope hinter das Geheimnis von Keplers Supernova zu
kommen, der letzten Sternenexplosion dieser Art in der Milchstraße.

Kombinierte Röntgen/ optische / Infrarot-Aufnahme von Keplers
Supernova. Die Farben stehen für die unterschiedlichen
Wellenlängenbereiche der Aufnahmen. Foto: NASA / ESA /
R. Sankrit und W. Blair (Johns Hopkins University) [Großansicht] |
Als am 9. Oktober 1604 ein neuer Stern am Abendhimmel erschien, hatten die
Astronomen nur ihre Augen, um das Objekt zu studieren. Das Fernrohr
wurde erst einige Jahre später erfunden. Den modernen Astronomen stehen heute
die drei "Großen Observatorien" der NASA - das Hubble-Weltraumteleskop,
das Chandra-Röntgenteleskop und das Infrarot-Teleskop Spitzer -
zur Verfügung, um die Überreste von Keplers Supernova in verschiedenen
Wellenlängenbereichen zu beobachten. Und genau das tat nun ein
Wissenschaftlerteam unter der Leitung von Ravi Sankrit und William Blair von der
Johns Hopkins University in Baltimore.
Die aus sichtbaren, Röntgen- und Infrarot-Licht kombinierte Aufnahme zeigt
ein blasenförmiges Gebilde aus Gas und Staub, das einen Durchmesser von 14
Lichtjahren hat und sich mit einer Geschwindigkeit von 6 Millionen Kilometern pro
Stunde ins All ausdehnt. Jedes der drei Teleskope hebt dabei bestimmte
Eigenschaften dieser Supernova besonders gut hervor:
"Multi-Wellenlängen-Beobachtungen sind absolut notwendig, um ein komplettes Bild
davon zu erhalten, wie sich Supernova-Überreste entwickeln", erläutert Sankrit.
"Die Infrarot-Daten werden beispielsweise dominiert von dem aufgeheizten
interstellaren Staub, während man im optischen und Röntgenbereich
unterschiedliche Temperaturen des Gases identifizieren kann," ergänzt Blair. "Um
das komplexe Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten zu verstehen, sind eine
ganze Reihe von Beobachtungen nötig."
Die Explosion eines Sterns ist ein dramatisches Ereignis. Die dabei
entstehende Schockwelle expandiert mit einer Geschwindigkeit von mehr als 35
Millionen Kilometern pro Stunde ins All. Dabei komprimiert sie Gas und Staub zu
sich ausdehnenden Schalen, die irgendwann einmal von den Überresten des Sterns
erreicht werden, wodurch sich der innere Bereich der Schale erhitzt und im
Röntgenbereich zu leuchten beginnt. Im sichtbaren Bereich des Lichtes, in dem
Hubbles Advanced Camera for Surveys Aufnahmen macht, lässt sich
erkennen, wo die Schockwelle der Explosion die Regionen mit der größten Dichte
an interstellarem Gas erreicht. Die im Bild erkennbaren hell leuchtenden Knoten sind dichte
Klumpen, die sich hinter der Schockwelle bilden. Sankrit und Blair haben die
Hubble-Bilder mit Aufnahmen von erdgebundenen Teleskopen verglichen und so eine
exaktere Entfernung für Keplers Supernova bestimmt: 13.000 Lichtjahre.
Die Daten von Chandra zeigen die Regionen, wo das Gas sehr heiß ist,
beispielsweise direkt hinter der Schockfront. Kühleres Gas, das weniger
energiereiche Röntgenstrahlung aussendet, findet sich dort, wo sich gerade die
ins All geschleuderten Reste des Sterns befinden. Spitzer zeigt den
Aufenthaltsort winzig kleiner Staubpartikel, die von der Schockwelle aufgeheizt
werden und im Infraroten strahlen und kann zudem Informationen über die
Zusammensetzung der expandierenden Wolke aus Gas und Staub liefern. Sie dürfte
in etwa der des Materials ähneln, aus dem sich auch einmal unser Sonnensystem
gebildet hat.
In den letzten 1.000 Jahren gab es in unserer Milchstraße insgesamt sechs
bekannte Supernova-Explosionen. Nur im Fall von Keplers Supernova wissen die
Astronomen bis heute nicht, um was für einen Stern es sich eigentlich handelte,
der hier vor 400 Jahren explodiert ist. Das Forscherteam hofft, aus den den
Daten der drei Weltraumteleskope hierauf eine Antwort zu finden.
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