Upgrade für
100-Meter-Radioteleskop
Redaktion
astronews.com
16. September 2004
Das
100-Meter-Radioteleskop bei Bad Münstereifel-Effelsberg wird fit für die Zukunft
gemacht: Das riesige Teleskop erhält in den nächsten zwei Jahren einen neuen
Sekundärspiegel mit einer adaptiven Optik. Hierdurch werden Beobachtungen in
noch kürzeren Wellenlängen-Bereichen möglich.

Das 100-Meter-Radioteleskop bei Bad Münstereifel-Effelsberg. Bild:
Max-Planck-Institut für Radioastronomie |
Das 100-Meter-Radioteleskop bei Bad Münstereifel-Effelsberg ist seit 1971 im
astronomischen Meßbetrieb. Während zu Beginn der Messungen die geplante kürzeste
Wellenlänge noch bei 2 Zentimetern lag, haben sich im Lauf der Jahre die
Beobachtungen bei noch kürzeren Millimeter-Wellenlängen als immer wichtiger
erwiesen. Durch die sehr gute Oberflächengenauigkeit des Hauptspiegels ist es
möglich, auch Beobachtungen im Millimeter-Bereich mit dem 100-Meter-Teleskop
durchzuführen.
Es bleiben aber Restabweichungen des Hauptspiegels von der
Idealform eines Paraboloids bei unterschiedlichen Neigungswinkeln. Deren
Ausgleich wird erst durch eine aktive Oberfläche ermöglicht. Zu diesem Zweck
wird bis Mitte 2006 ein neuer Sekundärspiegel eingesetzt. Mit einer
motorgesteuerten Korrektur der Oberfläche des Sekundärspiegels (einer so
genannten aktiven Optik mit ca. 100 Aktuatoren) wird es dann möglich sein, das
Radioteleskop bei Millimeterwellenlängen optimal zu betreiben. Mit dieser
Verbesserung steht in Deutschland auch in Zukunft eines der flexibelsten und
leistungsfähigsten Radioteleskope weltweit.
Das Teleskop wurde nach dem Prinzip der homologen Verformung konstruiert. Dabei
werden die Verformungen des Hauptreflektors infolge der Schwerkraft beim Kippen
durch die tragende Stützstruktur ausgeglichen und die Oberfläche näherungsweise
in ein neues Paraboloid überführt. Dabei kommt es allerdings zu unvermeidbaren
Abweichungen von einem perfekten Paraboloid.
Hier setzt das Projekt "Effelsberg
2004+" an: Eine weitere Korrektur des 100-m-Hauptspiegels könnte nur über eine
aktive Oberfläche, d.h. die Korrektur aller 2352 Einzelplatten, den so genannten
Paneelen, über Motorsteuerung (Aktuatoren) erfolgen. Das entspräche einem
kompletten Neubau des 100-m-Radioteleskops. Es geht aber auch anders: für
Beobachtungen im Sekundärfokus können die verbleibenden Abweichungen des
Hauptspiegels von einem perfekten Paraboloid über eine aktive Oberfläche des
6,5-m-Sekundärspiegels ausgeglichen werden.
Die hohe Qualität der Oberfläche des Hauptspiegels im Bereich unterhalb von 1 cm
Wellenlänge kommt bis jetzt nur für Beobachtungen vom Primärfokus aus zur
Geltung, da der Sekundärspiegel für den Millimeter-Wellenbereich zu ungenau ist.
Der geplante neue Subreflektor behebt diesen Nachteil und wird Beobachtungen in
diesen Wellenlängen auch vom Sekundärfokus aus ermöglichen. Dies ergibt
erhebliche Vorteile für den Einsatz von Multibeamempfängern im
Millimeter-Bereich. Man gewinnt dadurch in doppelter Hinsicht: zum einen wird
der wichtige Wellenlängenbereich herunter bis 3 mm auch für Beobachtungen im
Sekundärfokus erschlossen, zum anderen wird die effektive Genauigkeit des
Hauptspiegels durch die aktive Oberfläche des Sekundärspiegels nochmals
gesteigert.
Der Neubau des Sekundärspiegels unter Einschluss von rund 100 Aktuatoren ist
bewilligt und wird bis Mitte 2006 erfolgen. Das Projekt schließt auch eine
Vorrichtung zum automatischen Wechsel zwischen Primär- und Sekundärfokus ein.
Damit ist im Vergleich zum heutigen Status ein wesentlich schnellerer Wechsel
zwischen unterschiedlichen Wellenlängen gegeben, so dass eine unmittelbare
Reaktion auf die Änderung der Wetterbedingungen möglich wird.
Das ist wichtig, weil bei kurzen Wellenlängen der Einfluss der Atmosphäre immer
deutlicher spürbar wird. Radiomessungen im Millimeter-Bereich sind stets
"Schönwetterbeobachtungen", und durch die wechselnden Wetterbedingungen in
unseren Breitenlagen auch am ehesten überbucht. Die Nachfrage nach Messungen
gerade in diesem Wellenlängenbereich ist sehr hoch. Durch das bewilligte Projekt
ist diese Nachfrage nach Beobachtungen bei kurzen Wellenlängen von
Wissenschaftlern aus aller Welt wesentlich besser zu bedienen.
Das Projekt befindet sich zur Zeit in der Planungsphase. Der Fertigungsbeginn
wird für Ende des Jahres erwartet. Die Fertigstellung wird voraussichtlich
anderthalb Jahre in Anspruch nehmen. "Mit dieser Verbesserung besitzt Europa
nach drei Jahrzehnten erfolgreicher Arbeit mit dem 100-Meter-Teleskop auch in
Zukunft eines der flexibelsten und leistungsfähigsten Radioteleskope", so
Professor Ernst Fürst, Stationsleiter des Radio-Observatoriums Effelsberg, der
das Projekt maßgeblich mit erarbeitet hat.
Das 100-Meter-Radioteleskop des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie steht
seit seiner Inbetriebnahme an der Vorderfront astronomischer Forschung. Der Bau
des 100-Meter-Teleskops erfolgte in den Jahren 1968 bis 1971. Er wurde
ermöglicht mit Mitteln der Volkswagen-Stiftung. Nach der Einweihung am 12. Mai
1971 standen zunächst Messungen im Dezimeter- und Zentimeter-Wellenlängenbereich
im Vordergrund, so etwa eine Radiokarte des gesamten Himmels bei 73 Zentimetern
Wellenlänge, die zusammen mit den Radioteleskopen in Jodrell Bank (England) und
Parkes (Australien) in mehrjähriger Beobachtungsarbeit erstellt wurde.
Von Anfang an wurde das Radioteleskop Effelsberg sehr vielseitig eingesetzt:
spektroskopische Untersuchungen der Sternentstehung in einer Vielzahl von Atom-
und Moleküllinien, Beobachtungen von Pulsaren, den kompakten Überresten
gewaltiger Supernova-Explosionen, die Bestimmung des Magnetfeldes unserer
Milchstraße und anderer Galaxien, und schließlich Beobachtungen in einem
weltweiten Verbund von Radioteleskopen (Very Long Baseline Interferometry
oder VLBI), um eine möglichst hohe Winkelauflösung oder Trennschärfe zu
erzielen.
Im Lauf der Jahre sind dann die Beobachtungen bei höheren Radiofrequenzen, im
Bereich der Millimeter-Wellenlängen, immer wichtiger geworden. Das hat zwei
Ursachen: zum einen wird mit kürzerer Wellenlänge auch die Winkelauflösung des
100-Metern-Teleskops immer besser (bei 2,8 Zentimeter Wellenlänge entspricht sie
beispielsweise ziemlich genau der Auflösung des menschlichen Auges für
sichtbares Licht), zum anderen sind vor allem im unteren Zentimeter- und
Millimeter-Wellenbereich viele Atom- und Moleküllinien zu finden, die für die
Untersuchung von Sternentstehungsgebieten von Bedeutung sind.
1972 lag die geplante kürzeste Wellenlänge bei 2 Zentimetern und bereits Mitte
der siebziger Jahre wurden erfolgreiche Tests bei 7 Millimetern Wellenlänge
durchgeführt. Heute sind Beobachtungen bei 7 und 9 Millimetern Wellenlänge
bereits Routine. Zu Beginn der neunziger Jahre wurden die ersten Beobachtungen
bei 3 Millimetern Wellenlänge durchgeführt. Mit dem neuen Sekundärspiegel sind
auch bei den kürzesten Wellenlängen an der Grenze des Empfangsbereichs optimale
Messbedingungen mit dem 100-Meter-Radiotelekop gewährleistet.
|