Klimageschichte tiefgefroren
Redaktion
astronews.com
14. Juni 2004
Schnee, der
vor 740.000 Jahren gefallen ist, haben Wissenschaftler nun aus den Tiefen des
antarktischen Eises geborgen. Auf diese Weise gelang es, die Klimageschichte der
Erde über acht Eiszeiten zu rekonstruieren. Die Daten enthalten auch
eine Warnung an die zivilisierte Menschheit: Die Konzentration des
Treibhausgases Kohlendioxid war in den letzten 500.000 Jahren nie so hoch wie
heute.
Die Antarktis aufgenommen von Galileo. Foto:
NSSDC / NASA |
In der vergangenen Woche wurden in der Zeitschrift Nature Geheimnisse der
Klimageschichte gelüftet, die bisher in antarktischem Eis eingeschlossen waren.
Wissenschaftler und Techniker aus zehn europäischen Ländern haben im Rahmen
eines seit acht Jahren laufenden Projektes an "Dome C" auf dem Inland-Eisplateau
der Ostantarktis einen drei Kilometer langen Eiskern erbohrt. Laboranalysen
dieses Eiskerns zeigen, wie sich in der Vergangenheit die Temperaturen geändert
haben und die Zusammensetzung der Atmosphäre gewandelt hat. Der Eiskern enthält
- soweit bisher analysiert - Schneefälle aus mindestens 740.000 Jahren. Damit
stellt er zugleich die längste kontinuierliche Klimaaufzeichnung dar, die je aus
Eiskernen gewonnen wurde.
Erste Ergebnisse bestätigen, dass die Erde während der letzten 740.000 Jahre
acht Eiszeiten (Glaziale) erlebt hat, in denen das Klima erheblich kälter war
als heute, und acht wärmere Perioden (Interglaziale). In den letzten 400.000
Jahren waren diese Perioden durch Temperaturen gekennzeichnet, die den heutigen
Werten ähneln. Vor dieser Zeit war es in den warmen Perioden kälter als heute.
Zugleich dauerten die Warmzeiten länger.
Aus dem Vergleich dieser charakteristischen Klimaänderungen in der Vergangenheit
mit Daten zu den derzeitigen globalen Umweltbedingungen schließen die
Wissenschaftler, dass die gegenwärtige Warmzeit ohne menschlichen Einfluss noch
mindestens 15.000 Jahre andauern wird.
In einem nächsten Schritt werden die Wissenschaftler die Luft der Vergangenheit,
die in winzigen Bläschen im Eis eingeschlossen ist, analysieren um
herauszufinden, wie sich die Zusammensetzung der Atmosphäre verändert hat.
Vorläufige Analysen zeigen, dass die gegenwärtige Konzentration von Kohlendioxid
in der Atmosphäre den höchsten Wert der letzten 500.000 Jahre erreicht hat. Das
Verständnis der Prozesse, die in der Vergangenheit zu Klimaänderungen geführt
haben, hilft den Wissenschaftlern Vorhersagen für künftige Klimaänderungen zu
verbessern.
Die Bohrung an "Dome C" ist ein Teil des European Project for Ice Coring in
Antarctica (EPICA). Das Bohrteam arbeitete an "Dome C" bei Temperaturen bis unter
-40 Grad Celsius, in einer abgelegenen Region, die von der nächsten Forschungsstation über
1.000 Kilometer entfernt liegt. Das EPICA-Konsortium wird die Bohrung Anfang
Dezember 2004 fortsetzen und hofft, in der nächsten Bohrkampagne den
Felsuntergrund zu erreichen. Lediglich 100 Meter sind noch zu bohren - 100
Meter, die die Klimaaufzeichnungen noch weiter in die Vergangenheit verlängern
werden: Wenn alles klappt, steht den Glaziologen für ihre Untersuchungen bald
über 900.000 Jahre alte antarktisches Eis zur Verfügung.
Eiskerne sind Eis-Zylinder mit einem Durchmesser von zehn Zentimetern, die im
Bohrvorgang stückweise in Längen von bis zu 3 Metern gefördert werden. Dieses
Eis geht letztlich zurück auf Schneeflocken, die in den letzten hunderttausenden
von Jahren gefallen sind und dabei im Fallen Aerosolpartikel aus der Luft
gesammelt haben. Aus den Schneeflocken entwickelten sich im Laufe der Zeit
Eiskristalle, die die zwischen ihnen gelegene Luft mitsamt kleinsten
Schwebteilchen in Bläschen einschließen.
Aus der Analyse der chemischen Zusammensetzung und der physikalischen
Eigenschaften des Eises und der darin eingeschlossenen Luft können die
Wissenschaftler die Zusammenhänge zwischen Prozessen in der Atmosphäre und
Klimaänderungen in der Vergangenheit studieren. Im Falle von "Dome C" reicht das
eisige Klimaarchiv bisher über 740.000 Jahre in die Vergangenheit. Besonderes
Augenmerk gilt dabei insbesondere den Effekten von Kohlendioxid, Methan und
anderer Komponenten. Die Ergebnisse werden eingesetzt für bei der Überprüfung
und Weiterentwicklung von Rechenmodellen, die zur Vorhersage künftiger
Klimaentwicklungen verwendet werden.
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