Dem
Ursprung von Jets auf der Spur
von Stefan
Deiters
astronews.com
15. Januar 2004
Wissenschaftlern am Massachusetts Institutes of Technology
gelang dank wiederholter Beobachtungen eines Jets in unserer Milchstraße
mit dem Röntgenteleskop Chandra ein einmaliger Blick in die
unmittelbare Umgebung eines Schwarzen Lochs. Der Ursprung des
gebündelten Partikelstroms scheint danach etwa fünfmal näher am Schwarzen
Loch zu liegen als bislang angenommen.

So dürfte das von Chandra beobachtete System SS 433 aussehen.
Die Richtung, in der sich die Erde befindet, ist markiert.
Bild: CXC /
M. Weiss |
Dank der Chandra-Beobachtungen konnten die Forscher detailliert verfolgen, wie
sich der Partikelstrom mit zunehmender Entfernung vom Schwarzen Loch verändert
und damit die Masse des Schwarzen Loches mit einem ganz neuen Verfahren
messen. Damit ist die Aufklärung des Kuriosums, dass Schwarze Löcher sowohl
Materie aufsaugen aber auch für gewaltige Teilchenbeschleuniger ins All verantwortlich
sind, ein Stück näher gerückt.
Die Forscher beobachteten die bekannte Quelle mit dem Namen SS 433. Es handelt
sich dabei um ein Doppelsternsystem in rund 16.000 Lichtjahren Entfernung. Es
besteht aus einem Schwarzen Loch und einem Begleiterstern, der die kosmische
Schwerkraftfalle in einer Entfernung umrundet, die rund zwei Drittel der
Entfernung des Merkur von der Sonne beträgt. Durch diese Nähe kommt es zu einem
Strom von Materie in Richtung des Schwarzen Lochs. Die Materie spiralt in einer
so genannten Akkretionsscheibe in das Schwarze Loch. Senkrecht dazu schießen mit
einer Geschwindigkeit von bis zu 26 Prozent der Lichtgeschwindigkeit zwei
Jets ins All.
"Diese Hochgeschwindigkeits-Jets in der Nähe von SS 433 könnten von demselben
Mechanismus gespeist werden, der auch für die gewaltigen kosmischen Jets
verantwortlich ist, die man in entfernten Galaxien und Quasaren beobachtet und
die auf supermassereiche Schwarze Löcher zurückzuführen sind", erläutert Laura
Lopez, Studentin am MIT und Hauptautorin einer wissenschaftlichen
Veröffentlichung über die Ergebnisse. "SS 433 ist daher ein sehr schönes
Studienobjekt für diese Vorgänge in unserer eigenen Milchstraße."
Von der Erde aus betrachtet sehen wir einen der Jets von SS 433 zu uns geneigt,
der andere Jet weist von der Erde weg. Der Begleitsterns des Schwarzen Loches
sorgt dafür, dass regelmäßig ein Teil der Jets für uns verdeckt wird. Für die
Forscher ist dies eine willkommene Gelegenheit, die anderen - nicht verdeckten
-Teile des Jets genauer zu untersuchen. Dies taten sie mit Hilfe des High
Energy Transmission Grating Spectrometers and Bord von Chandra.
Auf diese Weise erhielten sie eine der detailliertesten Bestandsaufnahmen eines
Jets, die bislang gemacht wurden: So ermittelten sie den Verlauf der Temperatur
im Jet, die von 100 Millionen Grad Celsius im inneren Bereich auf 10 Millionen
Grad im äußeren Bereich fällt, die Geschwindigkeit, enthaltene Elemente sowie
die Dichte. So konnten sie auch den Ursprung des Partikelstroms besser
ermitteln, der deutlich näher am Schwarzen Loch liegt als bislang vermutet. Sie
berechneten die Größe des Begleitsterns - rund neun Sonnenmassen - und bestimmten
die Masse des Schwarzen Lochs auf die 16-fache Masse unserer Sonne. Damit ist
auch endgültig geklärt, dass es sich bei SS 433 um ein Doppelsystem mit einem
Schwarzen Loch handelt und nicht etwa mit einem Neutronenstern.
"SS 433 ist wirklich einzigartig für unsere Forschungen", erläutert Hermann
Marshall, der die Forschungen leitete. "Es stellt für uns eine einmalige
Möglichkeit dar, Ursprung, Entwicklung und das Verhalten von Jets über längere
Zeiträume detailliert zu beobachten, weil die Röntgenstrahlen aus unmittelbarer
Nähe des Schwarzen Lochs kommen. Von den viele Hundert bekannten Jets ist dies
der einzige, bei dem wir wirklich sicher sein können, wie hoch die Temperatur
und Dichte im Inneren ist."
Die Jets, die man in entfernten Galaxien beobachtete, könnten ein ähnliches
Verhalten wie der Jet von SS 433 zeigen, doch sind diese so riesig, dass die
Zeitskalen der bei SS 433 beobachteten Veränderungen hier zu lang für Beobachtungen sind. SS
433 ist daher ein willkommenes Studienobjekt in vergleichsweise unmittelbarer
Nähe. Weitere Beobachtungen mit Chandra sind geplant.
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