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Der Stern von Bethlehem
von Hans Zekl
für astronews.com
24. Dezember 2002

Im 2. Kapitel des Matthäus-Evangeliums im Neuen Testament ist von einem Stern die Rede, der den Sterndeutern den Weg nach Bethlehem wies. Verbirgt sich hinter dieser Beschreibung ein astronomisch erklärbares Ereignis oder ist es nur eine Fiktion? Diese Frage beschäftigt Astronomen und andere schon seit vielen Jahrhunderten.

Jupiter

Ist Jupiter der Stern von Bethlehem? Foto: 
NASA / JPL / University of Arizona

Auffallend ist, dass von den vier Evangelisten nur Matthäus am Anfang des zweiten Kapitels davon berichtet [Matth. 2,1-2] : "Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Bethlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen". Etwas später heißt es dann [Matth. 2,7-9]: "Danach rief Herodes die Sterndeuter heimlich zu sich und ließ sich von ihnen genau sagen, wann der Stern erschienen war. Dann schickte er sie nach Bethlehem und sagte: Geht und forscht sorgfältig nach, wo das Kind ist; und wenn ihr es gefunden habt, berichtet mir, damit auch ich hingehe und ihm huldige. Nach diesen Worten des Königs machten sie sich auf den Weg. Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen".

Diese beiden Textstellen sind die einzigen in der ganzen Bibel, die auf den Stern Bezug nehmen. Um die Frage nach der astronomischen Grundlage des "Sterns" weiter zu klären, muss festgestellt werden, wann die Sterndeuter oder Magi, in Bethlehem angekommen sein könnten. Ein weiterer Hinweis findet sich im Evangelium nach Lukas [2,1-2]: "In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen. Dies geschah zum ersten Mal; damals war Quirinius Statthalter von Syrien".

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Weitere Anhaltspunkte liefert die Bibel über die im Text erwähnten geschichtlichen Personen. Die Schlüsselfigur ist dabei König Herodes. Lange Zeit gingen Historiker davon aus, dass Herodes im Jahr 4 v. Chr. gestorben sei. Diese Annahme beruht hauptsächlich auf den Berichten des jüdischen Historikers Flavius Josephus, die er gegen Ende des 1. Jahrhunderts verfasste. Er berichtete, dass Herodes kurz nach einer Mondfinsternis vor dem Passahfest starb. Lange nahm man an, dass es sich hierbei um die Finsternis vom 13. März 4 v. Chr. handelte. Aus anderen Schilderungen in der Bibel aus Jesu Leben kann man folgern, dass die Magi das Kind besucht haben mussten, als es etwa 15 Monate alt war. Folglich konnte es nicht nach dem Jahre 6 v. Chr. geboren worden sein.

Verschiedene Wissenschaftler vermuteten einen Kometen als "Stern von Bethlehem". Chinesische Quellen berichten von einem Kometen mit einem Schweif im Jahr 5 v. Chr., der im Sternbild Steinbock zu sehen war . Kometen wurden aber mit schlechten Ereignissen in Verbindung gebracht. Außerdem schreibt Matthäus in der Bibel ausdrücklich von einem Stern. Es ist kaum anzunehmen, dass er hier einen Fehler machte. Deshalb wird die Kometen-Vermutung heute nicht mehr ernsthaft in Betracht bezogen. Auch eine Nova oder Supernova scheiden aus, weil bis heute trotz aller Himmelsdurchmusterungen, kein Überrest der damit verbundenen Explosionswolke gefunden wurde, die in die Zeit um Christi Geburt passt.

Schon Johannes Kepler vermutete anfangs des 17. Jahrhunderts, dass es sich bei dem Stern in Wahrheit um die so genannte Königskonjunktion zwischen den Planeten Jupiter und Saturn handeln könnte. Im Jahre 7 v. Chr., am 5. Juni, 21. September und 14. Dezember, begegneten sich die beiden Planeten drei mal im Sternbild Fische. Für die damaligen Astronomen, die zugleich auch Sterndeuter waren, war dies ein besonderes Ereignis. Die Planeten waren zugleich Götter. Nimmt man an, dass die Magi aus Babylon kamen, der damaligen Hochburg astronomisch/astrologischer Forschung, ergibt sich zwanglos ein Begründung für die Reise der Sterndeuter. Das Sternbild Fische stand für das Land Israel. Jupiter symbolisierte den höchsten babylonischen Gott Marduk und Saturn, babylonisch Kajmanu, wurde mit dem König von Israel in Verbindung gebracht. Die Deutung war klar. In Israel wurde ein neuer König geboren und Babylon sollte ihm huldigen.

Diese Deutung enthält aber einige Probleme. Zum einen standen sich Jupiter und Saturn bei dieser dreifachen Konjunktion nie so nahe, dass sie wie ein einziger Stern erschienen. Ein weiteres Problem betrifft die erwähnte Eintragung in die Steuerlisten. Dieser Zensus wurde im Römischen Reich immer wieder durchgeführt. Aber er betraf nur römische Bürger. Die Juden unter der Herrschaft Herodes hatten diesen Status nicht. Als bestand kein Grund dass Josef und Maria nach Bethlehem reisen mussten. Die letzte nachweisbare Zählung vor dem Jahr 4 v. Chr. fand im Jahr 8 v. Chr. statt.

Wenn der Bericht des Josephus stimmt, kann Herodes nicht im Jahr 4 v. Chr. gestorben sein. In der Literatur wird mehrfach betont, dass die Mondfinsternis vom 13. März 4 v. Chr. nicht total, sondern zu 40% partiell war. Das war kein Ereignis, das besonders erwähnenswert ist. Außerdem fand das Passahfest 30 Tage danach statt. Zwischen der Mondfinsternis und dem Fest sollen aber sehr viele Ereignisse bis zum Tode Herodes und die anschließenden umfangreichen Trauerfeiern stattgefunden haben. Jedes dieser Ereignisse nahm etwa eine Woche in Anspruch. Somit muss Herodes zu einem anderen Zeitpunkt gestorben sein.

Inzwischen fanden sich Belege, nach denen Herodes im Jahr 4 v. Chr. die Gunst des Kaisers Augustus verloren hatte, nachdem er nach einem Feldzug gegen arabische Räuber durch seine Widersacher beim Kaiser verleumdet worden war. Im selben Jahr machte er seinen Sohn Antipater zum Mitregenten. Allerdings ließ er ihn 2 Jahre später hinrichten, nachdem dessen Attentatspläne aufgedeckt worden waren. Anschließend wurde der Name seines Sohnes aus der Liste der Regenten gestrichen. Die Nachfolger von Herodes datierten den Beginn ihrer Regentschaft dann allerdings auf das Jahr 4 v. Chr. zurück, dem Beginn der Mitregentschaft Antipaters. Dieses Vorgehen kam in früheren Zeiten immer wieder vor.

Leider hilft der Hinweis auf Quirinius auch nicht viel weiter, den Zeitraum genauer einzugrenzen. Nach den neuesten Forschungen wurde er erst im Jahre 6 nach Chr. Statthalter in Syrien. Dies ist aber viel zu spät, da dies mit anderen biblischen Daten nicht in Einklang zu bringen ist. Doch zuvor war er Prokonsul von Asien . Es ist deshalb möglich, dass er in den Jahren 3 und 2 v. Chr. provisorischer Gouverneur war, während der eigentliche Amtsinhaber in Rom weilte. Warum erwähnt Josephus die Mondfinsternis vor Herodes Tod? Ein Teil der Antwort liegt darin, dass sie in der Nacht nach der Hinrichtung zweier jüdischer Patrioten stattfand. Aber da Mondfinsternisse nicht allzu selten sind, kann dies kaum der einzige Grund gewesen sein. Wenn aber die Finsternis in den frühen Abendstunden stattgefunden hatte, wurde sie von vielen gesehen und konnte somit leicht mit den Exekutionen in Verbindung gebracht werden.

Eine Finsternis erfüllt die Bedingungen recht gut. Am 29. Dezember 1 v. Chr. ging der schon zur Hälfte verfinsterte Mond auf. Allerdings war diese Finsternis auch nur partiell mit maximal knapp 60%. Da aber der teilweise verfinsterte Mond nach der Hinrichtung aufging, wurde dies möglicherweise dennoch als besonderes himmlisches Zeichen angesehen. Möglicherweise ist aber auch die Finsternis vom 10. Januar 1 v. Chr. gemeint. Allerdings begann die totale Phase erst mehr als sechs Stunden nach Sonnenuntergang und wurde wohl nur von wenigen bemerkt. In beiden Fällen blieb genügend Zeit, dass die von Josephus beschriebenen Ereignisse bis zum folgenden Passahfest stattfinden konnten.

Somit muss Herodes im Jahr 1 v. Chr. oder im Jahr 1 gestorben sein. Im Jahr 2 v. Chr. feierten die Römer den 750. Gründungstag Roms. Außerdem beging Augustus sein 25 jähriges Jubiläum als Cäsar. Aus diesem Anlass verlieh ihm der Senat auch den Titel "pater patriae". Zu diesen Anlässen sollten alle Römischen Bürger und ranghohe Personen in den mit Rom assoziierten Königreichen einen Treueeid ablegen und gleichzeitig gezählt werden. Diese Erfassung fand in den Jahren 3 und 2 v. Chr. statt.

Frühe christliche Historiker, die noch Zugriff auf heute verschollene Unterlagen hatten, gaben übereinstimmend die Jahre 3 bzw. 2 v. Chr. als Geburtsjahr Jesu an. Als sich in den letzten Jahren die Wissenschaft der historischen Astronomie auf diesen Zeitraum konzentrierte, kamen Ergebnisse ans Licht, die den Stern von Bethlehem als eine Folge seltener Konstellationen des Planeten Jupiter erkennen lassen, die den biblischen Bericht stützen. In diesen Jahren vollführte Jupiter insgesamt fünf bemerkenswerte und seltene Konjunktionen.

Der Reigen begann am 12. August 3 v. Chr. An diesem Tag kam es zu einer engen Begegnung mit dem Planet Venus. Dabei standen die beiden Planeten nur vier Bogenminuten von einander entfernt. Aufgrund ihrer großen Helligkeit waren sie dabei nicht zu trennen. Beide Planeten standen westlich von Regulus, dem hellsten Stern im Sternbild Löwe. Jupiter stand in der damaligen Zeit für den Hauptgott und wurde oft mit der Geburt von Königen in Verbindung gebracht. Venus wurde mit der Göttin der Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht. Das Sternbild Löwe symbolisierte Judäa. Das Ereignis war kurz vor Sonnenaufgang im Osten zu sehen, der bevorzugten Beobachtungszeit der babylonischen Sterndeuter. Beide Planeten gingen nur ein und eine halbe Stunde vor der Sonne auf.

Die nächste Konjunktion erfolgte dann schon am 13. September. Diesmal stand Jupiter nahe Regulus, weniger als einen Vollmonddurchmesser von ihm entfernt. Gleichzeitig stand die Sonne im Sternbild (und Sternzeichen) Jungfrau. Ebenso der Neumond. Außerdem feierten am selben Tag die Juden nach ihrem Mondkalender das Neujahr. Die Konjunktion mit Regulus wiederholte sich nochmals am 17. Februar 2 v. Chr., diesmal betrug der Abstand nicht ganz ein Grad. Ein drittes mal stand Jupiter bei Regulus dann am 8. Mai, wobei die beiden Himmelskörper dreiviertel Grad von einander entfernt waren. Am 17. Juni 2 v. Chr. kam es dann noch zu einer extrem engen Konjunktion mit der Venus. Beide Planeten waren nur sechs Bogensekunden von einander entfernt. Andere Quellen geben hierfür 30 Bogensekunden an, was aber immer noch eine extrem enge Konjunktion bedeutet. Diese letzte Konjunktion fand am westlichen Abendhimmel im Sternbild Löwe östlich von Regulus statt.

Am 25. Dezember 2 v.Chr. wurde Jupiter schließlich im Sternbild Jungfrau stationär, um zu seiner Oppositionsschleife anzusetzen. Bethlehem liegt südlich von Jerusalem. Zur üblichen Beobachtungszeit stand der Planet von Jerusalem aus gesehen über Bethlehem. Dies erklärt die Bedeutung des Stillstands [Matth. 2,9]. Damals gab es keine eindeutige Trennung zwischen der Astrologie und der Astronomie. Im Gegensatz zu den heutigen Astrologen beobachteten damals die Sterndeuter noch intensiv den Himmel und notierten die Bewegungen von Sonne, Mond und den Planeten zwischen den Sternen mit großer Sorgfalt. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass das astrologische Wissen und die besondere Abfolge der Konjunktionen des Planeten Jupiter, die Magi veranlasst haben könnten, die Reise nach Israel zu unternehmen, um dem neugeborenen König zu huldigen.

Ohne schriftliche Berichte über die Reise der Magi aus dem Osten oder andere datierbare Zeugnisse zur Geburt Jesu lässt sich der "Stern von Bethlehem" wohl nie eindeutig klären. Aber im Licht der neuesten historischen Daten zu Herodes und seinen letzten Lebensjahren liegt es doch sehr nahe, den Planeten Jupiter als den biblischen "Stern" anzusehen. Um die Zeit von Christi Geburt, in den Jahren 3 und 2 v. Chr. führte er im Sternbild Löwe fünf enge Konjunktionen mit Venus und Regulus durch, wobei er mit Venus zweimal zu einem einzigen "Stern" verschmolz.

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