Der Satellit HESSI (High Energy Solar
Spectroscopic Imager) hat seit seinem Start am 5. Februar dieses Jahres Hunderte
von Sonneneruptionen im Röntgenlicht registriert. Am 23. Juli sendete er aber
zum ersten Mal Daten von Photonen von rund hundert Mal größerer Energie als
gewöhnlich, von so genannten Gammastrahlen. Sie wurden während einer zwei Minuten
dauernden gewaltigen solaren Eruption registriert.
Da es die ersten von HESSI empfangenen Photonen bei dieser höchsten messbaren
Energie waren, mussten die Forscher zuerst Erfahrungen sammeln, wie man aus den
Daten Bilder im Gammabereich rekonstruieren kann. Nachdem die
Teleskopeigenschaften genügend bekannt waren, gelang schließlich das erste Bild.
Es zeigt eine diffuse Quelle am Sonnenrand, an einem Ort, an dem im optischen
Licht ein Sonnenfleck sichtbar ist.
Die Verursacher der Gammastrahlen sind äußerst energiereiche Elementarteilchen.
Sie werden auf eine noch rätselhafte Weise in großen Sonneneruptionen
beschleunigt. Ein Teil der Teilchen sind Protonen, die in der Korona mit
Atomkernen kollidieren und diese zu Emissionen von Gammaquanten anregen.
Ebenfalls beteiligt sind Elektronen mit beinahe Lichtgeschwindigkeit. Diese
steigen in den Magnetfeldern der Sonnenkorona in Spiralen auf und senden
ebenfalls Gammastrahlen aus. Warum diese Teilchen und somit Gammastrahlen
auftreten, ist nicht bekannt. Die von großen Eruptionen beschleunigten
energetischen Teilchen beschädigen Erdsatelliten und können für Astronauten
lebensgefährlich sein.
Sonneneruptionen besitzen unvorstellbare Energien. Es wird vermutet, dass die
Energie aus den Magnetfeldern der Sonnenflecken stammt. Bei der Explosion geht
der Grossteil davon in Gasbewegungen und Heizung verloren. Im eigentlichen Kern
der Energiefreisetzung aber müssen extreme Bedingungen herrschen, wie sie auf
der Erde nur in Teilchenbeschleunigern auftreten, auf der Sonne natürlich in
millionenfach größeren Dimensionen.
Die extremen Verhältnisse, die bei der Freisetzung von Gammastrahlen
herrschen, setzen den Maßstab bei allen Erklärungsversuche von Sonneneruptionen.
Es muss einen Ort im Energieinferno geben, an dem derartige
Beschleunigungsvorgänge stattfinden können. Daher ist der Entstehungsort der
Gammastrahlen von großem Interesse. Dazu Prof. Arnold Benz vom Institut für
Astronomie der ETH Zürich: "Gammastrahlen sind wie die Blitze im Gewitter. Sie
zeigen, wo die höchste Aktivität herrscht. Vielleicht führen sie die
Forscherinnen und Forscher auf die rechte Spur, wie die Sonne magnetische
Energie freisetzen kann."
Die Messungen des Satelliten HESSI erreichen täglich das Datenzentrum an der
ETH Zürich, von wo aus der ganzen Welt Bilder abgerufen werden können. Die neuen
Gammastrahlenbilder gesellen sich dort zu den bereits vorhandenen Daten über
Mikroflares und Eruptionen. Die wissenschaftlichen Arbeiten laufen auf
Hochtouren. Bereits wurden weltweit über 30 Publikationen von HESSI-Forschern an
Fachzeitschriften eingereicht.