LA SILLA
Das Portrait einer Galaxie
von Rainer Kayser
8.
August 2002
Eigentlich ist es nur ein Bild, doch für Astronomen ist die
farbenprächtige Aufnahme der nahen Galaxie NGC 300 eine wissenschaftliche
Fundgrube, die von den unterschiedlichsten Forschergruppen für ihre
Untersuchungen genutzt wird. Das macht auch die Bedeutung von großen
Datenarchiven deutlich, durch die einmal gemachte Beobachtungen allen
Wissenschaftlern für eigene Forschungen zur Verfügung stehen.

Die Aufnahme der Galaxie NGC 300 wurde aus insgesamt 278 Bildern
zusammengestellt, die alle mit dem Wide-Field-Imager am 2.2
Meter MPG/ESO-Teleskop des La Silla Observatoriums gemacht
wurden. Foto:
ESO
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Als wissenschaftliche Fundgrube erweist sich die Kombination
zahlreicher Aufnahmen der nahen Galaxie NGC 300 für die Astronomen.
Forscher der Europäischen Südsternwarte ESO hatten eine Serie von Bildern
des sieben Millionen Lichtjahre entfernten Sternsystems zu einer
brillianten Farbaufnahme kombiniert. Doch das Foto erfreut nicht nur das
Auge - es enthält zugleich eine Fülle von Daten, die von mehreren
Forscherteams zu unterschiedlichen Zwecken genutzt werden können.
Da NGC 300 relativ nahe bei uns steht, können die Astronomen eine Vielzahl
einzelner Sterne in ihr ausmachen und so die Struktur des Systems und ihre
Entwicklung anhand des Alters dieser Sterne analysieren. Außerdem konnten
auf den Aufnahmen über 100 so genannte Cepheiden aufgespürt werden,
pulsierende Sterne, deren Leuchtfeuer den Astronomen als Messlatte für
Entfernungen im Kosmos dient. Mit Hilfe der Cepheiden können die Forscher
nun die Distanz zu NGC 300 mit bislang unerreichter Genauigkeit bestimmen
- die Galaxie wird damit zu einem Eckpfeiler der Vermessung des Kosmos.
In der Umgebung von NGC 300 spürten die Sternenforscher zudem rund 100.000
weitere Galaxien auf, die sich in größeren Entfernungen befinden. Ein Teil
dieser fernen Systeme ist in ihrem Aussehen seltsam verzerrt - Anzeichen
für die Wirkung von NGC 300 als so genannte Gravitationslinse. Anhand der
Verzerrung der ferneren Galaxien können die Astronomen die Verteilung der
Materie in NGC 300 sehr genau bestimmen - und so auch Rückschlüsse auf die
geheimnisvolle "Dunkle Materie" ziehen, die einen Großteil der Masse jedes
Sternsystems ausmacht.
NGC 300 ist eine große Spiralgalaxie im Sternbild Bildhauer (Sculptor)
am südlichen Sternenhimmel. Sie erscheint am Himmel fast so groß wie der
Vollmond, schon mit einem guten Fernglas lässt sich ihre Spiralstruktur
gut erkennen. Die neuen Aufnahmen des Sternsystems wurden mit der
Weitwinkelkamera (Wide-Field-Imager, WFI) des 2,2-Meter-Teleskops
auf dem Berg La Silla in Chile gemacht.
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