Sie waren die Herrscher eines ganzen Erdzeitalters, bis sie vor 65
Millionen Jahren plötzlich verschwanden. "Vielleicht wurde es den
Dinosauriern zu dieser Zeit einfach zu feucht und zu kalt auf dem Blauen
Planeten", meint Professor Dr. Hans Jörg Fahr vom Bonner Institut für
Astrophysik und Extraterrestrische Forschung. Grund für den plötzlichen
Klimawandel könnten Überlastungen unseres "kosmischen Regenschirms", des
Sonnenwindes, gewesen sein. Seit 1997 untersuchen die Bonner Forscher mit
Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG, wie und warum dieser
gigantische Schutzschild funktioniert.
Das Sonnensystem steht nicht still, es umkreist vielmehr alle 250
Millionen Jahre einmal das Zentrum der Milchstraße. Dabei durchwandert es
auch dichte Wolken mit interstellarer Materie - und die stellt den
Sonnenwind und damit auch die Erde vor Probleme: Während der Sonnenwind
normalerweise wie eine riesige schusssichere Weste den blauen Planeten vor
dem interstellaren Teilchenfeuer abschirmt, prasseln nun plötzlich bis zu
hundertmal mehr Partikel mit Hochgeschwindigkeit auf unsere Atmosphäre.
Ihr Einschlag zerschmettert die Luftmoleküle in elektrisch geladene
Bruchstücke. Sie wirken als Kondensationskeime, an denen sich kleine
Wassertropfen bilden. "Folge: eine dichte Wolkendecke, mehr Niederschlag,
sinkende Temperaturen", so Professor Fahr, der sich dabei auf weltweite
Studien stützt.
Durchschnittlich alle 60 Millionen Jahre durchquert das Sonnensystem
dichte Materiewolken, die einen solchen Klimaschock auslösen könnten,
zeigte der Physiker zusammen mit seinen Bonner Kollegen Dr. Horst Fichtner
und Dr. Klaus Scherer. "Etwa in diesen Zeitabständen starben in der
Vergangenheit auch plötzlich zahlreiche Tierarten aus." Dass der
Weltraumeffekt unser Klima schon mehrmals dramatisch beeinflusst haben
könnte, unterstreichen auch Untersuchungen anderer Arbeitsgruppen, die den
Zusammenhang zwischen Wolkenbedeckung und Sonnenaktivität unter die Lupe
nahmen: "Je geringer die Sonnenaktivität und damit die Schirmwirkung des
Sonnenwindes, desto mehr kosmische Teilchen dringen bis zur Erde vor, und
desto mehr irdische Wolken entstehen", fasst der Physiker zusammen.
Als "Sonnenwind" bezeichnen Fachleute die elektrisch geladenen Teilchen,
die unser Zentralgestirn mit einer Geschwindigkeit von bis zu 800
Kilometern pro Sekunde ausstößt und die unser Planetensystem bis zum
hundertfachen Abstand Erde-Sonne durchströmen. "Alle elf Jahre durchläuft
die Sonnenaktivität und damit auch der Sonnenwind ein Maximum. Zu diesen
Zeiten kommt es beispielsweise vermehrt zu den farbenprächtigen
Polarlichtern, wenn Teilchen des Sonnenwindes vom Erdmagnetfeld
eingefangen und anschließend in die obere Erdatmosphäre geschleudert
werden, wo sie den Sauerstoff zum Leuchten anregen, erklärt Dr. Michael
Bird vom Radioastronomischen Institut. In besonders aktiven Phasen
beispielsweise bei großen Solar-Eruptionen kann der Teilchenregen auch
schon mal den Kurzwellen-Empfang stören, Satelliten in der Erdumlaufbahn
außer Betrieb setzen oder sogar ganze Kraftwerke "abschalten".
"Uns in Bonn interessiert vor allem, wie der Sonnenwind seine hohen
Geschwindigkeiten erreicht", erklärt Dr. Bird. "Die lassen sich nämlich
nicht allein durch die enorme Hitze in der Sonnenatmosphäre erklären." Es
scheint also noch eine andere Energiequelle zu geben, die die Teilchen ins
All katapultiert. Als heißen Kandidaten sehen die Bonner Astrophysiker
exotische Magnetfeldwellen in der Korona, der "Sonnenatmosphäre", die sich
beim Ausbreiten verstärken und dann den Teilchen den nötigen Schwung
verleihen. "Diesen Wellen sind wir mit radioastronomischen Methoden auf
der Spur", so der Amerikaner.
Das Weltraum-Wetter könnte übrigens auch über die Geschwindigkeit der
Evolution entscheiden. Die kosmische Strahlung, vor der uns der Sonnenwind
schützt, ist nämlich so energiereich, dass sie das Erbgut der Lebewesen
verändern kann. Ist die Schirmwirkung des Sonnenwindes schwach, der
Schutzmantel um die Erde also dünn, entstehen daher innerhalb kürzerer
Zeit mehr Mutationen und die sind die treibende Kraft der Entwicklung des
Lebens.