Bislang waren sich die Wissenschaftler recht sicher: Flüssiges
Wasser und die ersten planetenähnlichen Objekte entstanden in unserem Sonnensystem recht bald nach dessen Entstehung.
Sie folgerten dies aus Untersuchungen bestimmter Mineralien, die sich - so
glaubten sie - nur bilden können, wenn flüssiges Wasser vorhanden ist. Beobachtungen des Infrarot-Observatoriums ISO zeigen jetzt, dass diese
Annahme falsch war.

Der von ISO beobachtete Red Spider Nebula.
Foto:
ESA und Garrelt Mellema (Universität Leiden, Niederlande) [Großansicht] |
Wann es flüssiges Wasser im Sonnensystem gab, ist für Forscher eine recht
wichtige Frage. Nicht nur, dass wir das Leben auf der Erde auf das Vorhandensein
dieses Stoffes zurückführen: Aus der Existenz von flüssigem Wasser können die
Wissenschaftler auch folgern, wie lange es gedauert hat, bis sich
planetenähnliche Objekte im Sonnensystem gebildet haben, da eine bestimmte
Größe der Objekte zur Bildung von flüssigem Wasser nötig ist.
Um den Zeitpunkt zu bestimmen, wann es erstmals flüssiges Wasser in unserem
Sonnensystem gab, bedienten man sich einer indirekten Beweiskette: Man
untersuchte eine bestimmte Art von Mineralien, so genannte Karbonate. Sie
entstehen aus einer wässrige Lösung aus einem Mineral - etwa Kalzium - und
Kohlendioxid. Man findet sie nicht nur auf der Erde, sondern auch im
interplanetaren Staub, in Asteroiden und Meteoriten. Das Alter der Karbonate
lässt sich bestimmen. Und - so die bisherige Indizienkette - wenn es Karbonate
gibt, muss es schon flüssiges Wasser gegeben haben und also Planeten. Da man Karbonate
schon in sehr alten Asteroiden und Meteoriten findet, ging man bislang davon
aus, dass es schon sehr früh planetenähnliche Objekte im Sonnensystem geben
musste, nur etwa 20 Millionen Jahre nachdem sich die ersten Klumpen in der
Scheibe aus Staub und Gas gebildet hatten, die von der Entstehung unserer Sonne
übrig geblieben war.
Doch dieses Szenario gerät jetzt ins Wanken: Mit Hilfe des europäischen
Infrarot-Observatoriums ISO untersuchten Forscher die Umgebung von zwei gerade
sterbenden Sonnen. Flüssiges Wasser, so Astronomen, kann es in dieser Umgebung
nicht geben. Doch zu ihrer großen Überraschung spürten sie eine beträchtlichen
Anteil von Karbonaten auf - zum ersten Mal überhaupt außerhalb unseres
Sonnensystems. "Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass nicht alle Karbonate,
die man in unserem Sonnensystem findet, in Verbindung mit flüssigem Wasser
entstanden sein müssen", erklärt Ciska Kemper von der Universität von Amsterdam
die Ergebnisse, die in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature
vorgestellt werden. "Das wirft natürlich auch ein neues Licht auf die
Entstehungsgeschichte unseres Sonnensystems."
ISO hatte zwei Nebel um sterbende Sterne beobachtet, die während der
vergangenen zehntausend Jahre Ummengen von Materie ins All geblasen haben. Im
Spektrum dieses Materials entdeckten die Forscher die Karbonate. Diese können
sich, da sind sich die Wissenschaftler sicher, nicht in Zusammenhang mit
flüssigem Wasser gebildet haben, da sich hier keine größeren Körper gebildet
haben können. Und auch von einem möglicherweise einmal existierenden
Planetensystem um die Sterne können die Karbonate nicht stammen: "Die Menge an
Karbonaten, die wir gefunden haben, entspricht etwa der 30fachen Masse der Erde.
Das ist viel mehr, als man durch ein hypothetisches Planetensystem erklären
könnte. Außerdem ist die Region nur etwa 10.000 Jahre alt, viel zu jung also zum
Bilden ganz neuer Planeten," erläutert Kemper.
Für das Forscherteam ist somit klar, dass das Vorhandensein von Karbonaten
nicht unbedingt die Existenz von Planeten und flüssigem Wasser bedeuten muss.
Welche Vorgänge nun in unserem Sonnensystem eine Rolle gespielt haben, ist damit
natürlich nicht geklärt. "Der Punkt ist, dass es vermutlich
deutlich leichter ist, Karbonate zu produzieren, als man bislang gedacht hatte,"
so Kemper.