Auf der Chandra-Aufnahme, die Q. Daniel Wang von der Universität von
Massachusetts während des Treffens der Amerikanischen Astronomischen
Gesellschaft in Washington präsentierte, zeigt sich das Zentrum der Milchstraße
wie eine hektische Stadt aus Sternen: Weiße Zwergsterne, Neutronensterne und
Schwarze Löcher sind hier in einem Nebel aus Millionen Grad heißem Gas zu sehen,
und dies alles rund um das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum.
"Das Zentrum der Milchstraße ist der Ort, an dem die interessanten Dinge
passieren", erläutert Wang, der seine Ergebnisse auch in der heutigen Ausgabe
des Wissenschaftsmagazins Nature veröffentlicht. "Mit diesen Bilder
erhalten wir einen ganz neuen Einblick in das Zusammenspiel zwischen Sternen,
Staub und Gas aber auch in die Rolle von Magnetfeldern und Gravitation in dieser
Region. Wir können erkennen, wie diese Kräfte ihre unmittelbare Umgebung
beeinflussen aber auch Auswirkungen auf andere Bereiche der Galaxis haben
könnten."
Das Bild ist ein Mosaik aus insgesamt 30 Einzelbildern, die mit Hilfe des
Chandra-Weltraumteleskops Mitte Juli letzten Jahres gemacht wurden. Die
Bilder umfassen einen Beriech von 400 mal 900 Lichtjahren im Zentrum unserer
Milchstraße. Als erstes unmittelbares Ergebnis war das Team um Wang in der Lage
einzelne Röntgenquellen in dem diffusen Leuchten des heißen Gases zu erkennen.
"Wir können nun sehen, dass diese Röntgenquellen für einen großen Teil der
Röntgenstrahlung verantwortlich sind, für die vorher das glühende Gas
verantwortlich gemacht wurde", erläutert Eric Gotthelf, ein Kollege Wangs von
der Columbia University in New York. "Das bedeutet, dass wir unsere
Einschätzung über das heiße Gas revidieren müssen. Es dürfte etwa zehnmal kühler
sein als angenommen. Seine Temperatur dürfte nur angenehme zehn Millionen Grad
betragen."
Die diffuse Röntgenstrahlung dürfte im Zusammenhang mit dem Getümmel im
Zentrum der Milchstraße stehen. Sterne entstehen hier in deutlich größeren Raten
als in den äußeren Regionen unserer Galaxis. Viele der massereichsten Sterne
sind hier zu finden und blasen ihre äußeren Hüllen in stellaren Winden ab. Damit
sind auch Supernova-Explosionen deutlich häufiger zu erwarten als in Regionen
mit weniger massereichen Sternen. Von diesen Explosionen gehen gewaltige
Schockwellen aus, die den gesamten inneren Bereich erschüttern.
Und dann ist da noch das zentrale supermassereiche Schwarze Loch. Chandra
beobachtete zwar unlängst einen kleinen Aktivitätsausbruch aus dieser Region,
doch ist die Energieabstrahlung im Zentralbereich relativ klein. Allerdings wäre
es möglich, dass das Schwarze Loch in der Vergangenheit deutlich heller war -
oder vielmehr, dass das Material, das gerade in das Schwarze Loch stürzt,
deutlich heller geleuchtet hat.
"Die Chandra-Karte zeigt, dass das Gas vom Zentrum in den Halo
entkommt", so Wang. "Eine Galaxie ist also eine Art Ökosystem und die Aktivität
im Zentrum kann die Vorgänge in den äußeren Bereichen maßgeblich beeinflussen.
In astronomischen Maßstäben ist unser Milchstraßenzentrum quasi in unserem
eigenen Garten und deswegen ein so wichtiges Studienobjekt, um die Vorgänge auch
in den Zentren anderer Galaxien zu verstehen."