Aufnahmen von bisher unerreichter Auflösung gelangen einem Team
deutscher und französischer Astronomen mit der neuen Infrarotkamera CONICA
am Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO).
Erstes Zielobjekt der mit adaptiver Optik versehenen Kamera war am 29.
November der offene Sternhaufen NGC 3603, in dem mit CONICA zahllose neu
entstandene Sterne beobachtet wurden. CONICA ist jetzt die weltweit
leistungsfähigste Infrarotkamera. Entstanden ist das rund eine Tonne
schwere Präzisionsinstrument unter der Federführung des
Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) in Heidelberg.
Der Sternhaufen NGC 3603 im Sternbild Carina,
oben aufgenommen mit dem Hubble Space Telescope
(Wide Field Planetary Camera 2), unten mit
CONICA und NAOS am VLT. Der Vergleich belegt,
dass die neue Kamera wesentlich schärfere Bilder
liefert als das HST. Das Bildfeld umfasst
jeweils etwa 25 mal 25 Bogensekunden, das
entspricht 2,5 mal 2,5 Lichtjahren am Ort des
Sternhaufen.
Fotos: NASA, ESO
|
CONICA arbeitet auf dem 2600 Meter hohen Cerro Paranal in den
chilenischen Anden am vierten 8-Meter-Teleskop des VLT. Zusammen mit der
Kamera wurde ein unter französischer Leitung gebautes Instrument für
adaptive Optik (NAOS) installiert, das während der Aufnahme laufend die
durch die Luftunruhe verursachte Bildunschärfe korrigiert. Damit können
CONICA und NAOS zusammen astronomische Aufnahmen liefern, die jene des
Weltraumteleskops Hubble (HST) an Empfindlichkeit und Schärfe weit
übertreffen.
Im Bereich des nahen Infrarot (Wellenlänge: etwa ein Mikrometer) kann
CONICA zusammen mit NAOS bei optimalen Bedingungen noch Details von
wenigen hundertstel Bogensekunden abbilden. Damit ließe sich ein auf dem
Mond liegender fünfzig Meter großer Fels erkennen - rund dreimal schärfer
als mit dem Hubble-Weltraumteleskop. Überflüssig wird das Weltraumteleskop
damit allerdings nicht: Zum einen verschluckt die Atmosphäre in einigen
Bereichen des nahen Infrarot einen Teil des Lichts, zum anderen benötigt
NAOS zur Korrektur der Luftunruhe einen vergleichsweise hellen Stern im
Gesichtsfeld - deshalb lässt sich nicht jedes Feld am Himmel optimal
abbilden. Zudem arbeitet Hubble, anders als CONICA, ohnehin überwiegend im
Bereich des sichtbaren Lichts.
Das Projekt startete Anfang 1992 mit einem Vertrag zwischen den beiden
Max-Planck-Instituten und der ESO. Seitdem wurden in den Bau von CONICA
schätzungsweise zusammen insgesamt 40 Jahre an Arbeit investiert. Die
Materialkosten von rund 2,3 Millionen Mark übernahm die ESO, während die
Max-Planck-Institute ihren Maschinenpark und das Know-how ihrer
Mitarbeiter einbrachten. "An der Entwicklung und dem Bau unserer Kamera
haben eine Vielzahl von Ingenieuren, Doktoranden und Diplomanden unseres
Instituts mit vollem Einsatz gearbeitet. Jetzt ernten wir den Lohn einer
langjähriger Entwicklung", erklärt Projektleiter Rainer Lenzen vom
Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie.
CONICA ist nicht bloß eine Kamera, es ist ein sehr vielseitiges
wissenschaftliches Instrument: Ähnlich wie man bei einem Fotoapparat
Objektive mit unterschiedlichen Brennweiten auswechseln kann, lassen sich
im Inneren von CONICA sieben Einzelkameras auswählen. Sie sitzen auf einem
großen Rad und werden damit in den Strahlengang gedreht. Das ermöglicht
Aufnahmen mit unterschiedlicher Auflösung. Nötig ist dies vor allem
deswegen, weil CONICA im Infrarotbereich bei Wellenlängen zwischen etwa
einem und fünf Mikrometern empfindlich ist. Jede Kamera ist für jeweils
einen Teilbereich optimal konzipiert.
Das Beobachten im Infraroten stellt besondere Anforderungen an die
Instrumente, denn alle Körper geben bei Zimmertemperatur in diesem
Wellenlängenbereich Wärmestrahlung ab. Um zu vermeiden, dass das
Instrument von der eigenen Wärmestrahlung geblendet wird, muss man es
"einfrieren". CONICA verfügt dazu über eine doppelte Kühlung, womit die
Temperatur des optischen Systems und der Kameras bis auf minus 210 Grad
Celsius und des Detektors sogar bis auf minus 240 Grad Celsius gesenkt
wird. Beim Bau von CONICA erwies sich dieses Kryosystem als eines der
größten Probleme für die Stabilität des gesamten Instruments. Während
einer langen Belichtung dreht sich nämlich das gesamte Teleskop mit der
Kamera, um die scheinbare Himmelsbewegung von Ost nach West auszugleichen.
"Wir mussten dafür sorgen, dass sich das tonnenschwere Gerät durch diese
Bewegung um nicht mehr als wenige tausendstel Millimeter durchbiegt",
verdeutlicht Rainer Lenzen die Schwierigkeit. Dass die Astronomen alle
Probleme meistern konnten, zeigen die ersten Aufnahmen.
CONICA ist für nahezu alle Bereiche astronomischer Forschung
einsetzbar. Ein besonderer Schwerpunkt ist die Sternentstehung. In
Galaxien wie dem Milchstraßensystem existieren riesige Wolken aus Staub
und Gas. Unter bestimmten Bedingungen können sich einzelne Bereiche im
Innern solcher Wolken unter der eigenen Schwerkraft zusammenziehen und zu
neuen Sternen verdichten. Auf diese Weise ist auch unsere Sonne
entstanden. Erst wenn ein Stern hell zu strahlen beginnt, fegt er die
Umgebung vom übrig gebliebenen Staub und Gas frei und wird sichtbar. Im
Bereich des sichtbaren Lichts sind die Frühstadien der Sternentstehung
nicht beobachtbar, weil sie noch tief im Inneren der Wolke ablaufen. Erst
in dem für CONICA zugänglichen Infrarotbereich durchdringt die emittierte
Strahlung den Staub und öffnet so den Blick in die "Kinderstuben" junger
Sterne.
Ein Beispiel einer solchen Region ist die Umgebung des jungen
Sternhaufens NGC 3603. Die zahllosen kleinen Lichtpünktchen, die auf der
am VLT gewonnenen CONICA-Aufnahme sichtbar werden, sind massearme Sterne,
die für astronomische Begriffe außerordentlich jung sind, nämlich nur
wenige hundert Millionen Jahre. Auf der Hubble-Aufnahme sind die meisten
von ihnen nicht sichtbar. Die genaue Beobachtung dieser Sterne wird zu
einem besseren Verständnis der bei der Sternbildung ablaufenden Prozesse
führen.
Ein zweites zentrales Forschungsgebiet ist die Entstehung und Entwicklung
von Galaxien und Quasaren. Quasare sind auch in den allergrößten
Entfernungen sichtbar, denn sie sind die leuchtkräftigsten Himmelskörper
im Universum. Aller Wahrscheinlichkeit nach entsteht ihre enorme Strahlung
in der Umgebung eines Schwarzen Lochs, das sich im Zentrum eines jeden
Quasars befindet. Die jüngsten Galaxien und Quasare sind viele Milliarden
Lichtjahre entfernt. Ihre Fluchtgeschwindigkeit aufgrund der kosmischen
Expansion ist hoch, daher ist ihr Licht stark zu längeren Wellenlängen
verschoben. Obwohl sie das meiste Licht im sichtbaren und im
ultravioletten Bereich aussenden, erscheinen sie uns daher auf der Erde im
nahen Infrarotbereich am hellsten. CONICA wird somit weit in die frühen
Entwicklungsstadien unseres Universums zurückblicken.
|