Ein deutsch-amerikanisches Team um Konrad Dennerl vom
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching bei
München hat erstmals die Venus mit einem Röntgenteleskop beobachtet. Dabei
nutzten die Wissenschaftler das Weltraumteleskop Chandra, für das
die Garchinger ein für diese Beobachtung wichtiges Instrument
entwickelten.

Das erste Röntgenbild der Venus aufgenommen am
13. Januar 2001.
Foto: Max-Planck-Institut für
extraterrestrische Physik |
Die Venus umrundet die Sonne in einer durchschnittlichen Entfernung von
108 Millionen Kilometern, also innerhalb der Erdbahn: Deshalb entfernt
sich die Venus von unserem Planeten aus gesehen niemals weiter als 48 Grad
von der Sonne. Und aus diesem Grund sehen wir sie als hellen Morgen- oder
Abendstern am östlichen oder westlichen Dämmerungshimmel, aber niemals um
Mitternacht hoch im Süden. Der geringe Winkelabstand zur Sonne bedeutet
für die meisten Röntgensatelliten ein Problem: Sie dürfen nur Objekte in
einem Winkelabstand von etwa 90 Grad von der Sonne ins Visier nehmen, da
sonst solares Streulicht die Beobachtung stört, sich der Satellit erwärmt
oder - im Fall fest montierter Solarzellen - die Stromversorgung
beeinträchtigt wird.
Der amerikanische Röntgensatellit Chandra jedoch kann sich bis auf
45 Grad Winkelabstand an die Sonne "herantasten". Dies reicht für die
Venus gerade aus. Dazu muss sie sich aber im maximalen Sonnenabstand
befinden, was etwa alle 19 Monate zwei Mal hintereinander vorkommt. Im
Januar 2001 war dies der Fall: Die Venus glänzte als heller Abendstern und
zeigte sich im Fernrohr als "Halbmond".
Weil die dichte Venusatmosphäre einen großen Teil des eintreffenden
Sonnenlichts in den Weltraum reflektiert, erscheint sie sehr hell. Das
bedeutete ein besonderes Problem bei der Beobachtung, denn die große
Leuchtkraft verfälscht das Röntgensignal. Andererseits dürfen Filter zur
"Dämpfung" nicht zu dicht sein, da sie sonst nicht nur das sichtbare
Licht, sondern auch die zu untersuchende Röntgenstrahlung schwächen. Die
Filter an Bord von Chandra sind so ausgelegt, dass sie für die
meisten Röntgenquellen das optische Licht ausreichend unterdrücken. Bei
der Venus jedoch lässt auch das dichteste Filter noch etwas Licht durch.
Dies wirkt sich zwar auf die Röntgenbilder nicht stark aus, beeinträchtigt
aber spektrale Untersuchungen, bei denen die Strahlung nach Wellenlängen
zerlegt wird.
Um dieses Problem zu umgehen, bedienten sich die Forscher einer
speziellen Beobachtungstechnik. Das am Max-Planck-Institut für
extraterrestrische Physik entwickelte Transmissionsgitter fächerte die vom
Teleskop eingefangene Strahlung so auf, dass das optische Licht auf
Bereiche außerhalb des Röntgendetektors abgelenkt wurde und somit nicht
mehr stören konnte. Gleichzeitig ermöglichte das Gitter auch eine genaue
Analyse des Röntgenspektrums. Dabei zeigte sich, dass die Röntgenstrahlung
im Wesentlichen nur auf zwei Wellenlängen konzentriert ist, die genau den
Röntgen-Fluoreszenzlinien von Sauerstoff und Kohlenstoff entsprechen, den
Hauptbestandteilen in der Kohlendioxid-Atmosphäre der Venus. Wie entsteht
aber die Fluoreszenz? Röntgenphotonen von der Sonne katapultieren aus den
Sauerstoff- und Kohlenstoffatomen jeweils ein Elektron heraus, und
nachrückende Elektronen besetzen die frei gewordenen Plätze sofort wieder.
Bei diesem Prozess wird Strahlung emittiert - die beobachtete
Röntgenfluoreszenz.
Das Röntgenbild zeigt - anders als optische Fotos - eine starke Aufhellung
des der Sonne zugewandten Planetenrandes. Diesen Effekt haben Forscher des
MPE am Computer detailgetreu simuliert. "Die Röntgenfluoreszenz-Strahlung
ist in Höhen von 120 bis 140 Kilometern am kräftigsten. Im Röntgenbereich
ist die von der Sonne beschienene Halbkugel der Venus von einer nahezu
durchsichtigen leuchtenden Schale umgeben, die am Rand am hellsten
erscheint, da wir dort am meisten von der leuchtenden Materie sehen",
erklärt Konrad Dennerl. Die Eigenschaften dieser oberen atmosphärischen
Schichten, der Thermosphäre und der Exosphäre, lassen sich somit durch
Röntgenbeobachtungen gut untersuchen.
Ein weiteres interessantes Ergebnis: Die Wechselwirkung der schweren, hoch
ionisierten Atome des Sonnenwinds mit der Atmosphäre spielt - im Gegensatz
zur Röntgenstrahlung von Kometen - bei der Venus eine untergeordnete
Rolle. "Dies liegt vor allem daran", so Dennerl, "dass das Gas in der
Atmosphäre erheblich dichter und konzentrierter ist als in der Koma eines
Kometen".
Wie schwierig die Messungen waren, zeigt eine Zahl: Die Stärke der
registrierten Röntgenstrahlung betrug ein Zehnmilliardstel der optischen
Strahlung - nur etwa alle 40 Sekunden fing der Detektor ein Röntgenphoton
auf. Aus diesem Grund musste Chandra die Venus drei Stunden lang
unter die Lupe nehmen und die Photonen "aufsammeln". Während dieser Zeit
bewegten sich Venus und Erde auf ihren Bahnen um die Sonne und zog
Chandra um die Erde. Diese "Choreografie" ließ das Röntgenbild der
Venus um das Zwanzigfache ihres Durchmessers im Teleskop weiter wandern.
Um dennoch ein scharfes Bild zu erhalten, mussten die Photonen einzeln auf
diese Bewegung korrigiert und der CCD-Detektor alle drei Sekunden
ausgelesen werden. Die Röntgenphotonen auf dem Bild erscheinen als
einzelne Punkte. Zum Zeitpunkt der Beobachtung betrug der scheinbare
Durchmesser der Venus nur etwa ein Achtzigstel des Erdmonddurchmessers;
erst Chandra machte es möglich, derart kleine Objekte im
Röntgenbereich abzubilden.
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