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VLT
Astronomen beobachten
unverfälschte Urmaterie
Redaktion
astronews.com
15. August 2001
Mit Hilfe des Very Large Telescopes (VLT) der
europäischen Südsternwarte (ESO) untersuchten Heidelberger Astronomen den
am weitesten entfernten Quasar und entdeckten Überraschendes: Das rund
14,3 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernte Objekt ist umgeben von
neutraler intergalaktischer Materie, die es so nur im sehr jungen Weltall
gab.
Der entfernteste Quasar verrät sich auf dem Entdeckungsfoto
durch seine rote Farbe.
Foto: Sloan Digital Sky Survey / MPG |
Im Juni dieses Jahres fand Xiaohui Fan vom Institute of Advanced Studies in
Princeton (USA) zwei neue Entfernungsrekordhalter: Quasare mit Rotverschiebungen
von 6,28 und 5,99. Die Rotverschiebung ist ein Maß dafür, wie stark das Licht
einer Galaxie aufgrund der Expansion des Weltalls in den langwelligen, roten
Bereich des Spektrums verschoben ist und gilt gleichzeitig als Maß für die Zeit,
die das Licht von dem Objekt bis zur Erde benötigt. Den Quasar mit der höchsten
Rotverschiebung, der die Bezeichnung SDSS 1030+0524 erhielt, ist somit zu einer
Zeit zu sehen, zu der das Universum nur etwa sechs Prozent seines heutigen Alters hatte.
Das entspricht etwa 700 Millionen Jahre nach dem Urknall, der wohl vor etwa 15 Milliarden Jahren stattgefunden hat. Allein
aus der Existenz eines solchen Quasars zu einem derart frühen Zeitpunkt lassen
sich interessante Schlüsse über die frühe Entwicklung des Kosmos und die Bildung der Galaxien ziehen. Quasare gelten als Millionen Sonnenmassen schwere
Schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien.Laura Pentericci und Hans-Walter Rix vom Heidelberger Max-Planck-Institut für
Astronomie haben an einem Acht-Meter-Spiegel des Very Large Telescope (VLT)
der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile ein
außergewöhnlich detailreiches Spektrum des Quasars SDSS 1030+0524 aufgenommen.
Ihr besonderes Interesse galt dabei einer Spektrallinie bei 885 Nanometern, die
die Wissenschaftler als eine vom Quasar selbst
ausgesandte Linie des Wasserstoffs identifizierten. Ursprünglich weit im ultravioletten
Wellenlängenbereich abgestrahlt, wurde sie auf der mehr als 14 Milliarden Jahre
dauernden Reise bis zur Erde ins nahe Infrarot verschoben. Die Überraschung
jedoch war, was die Astronomen im kurzwelligeren Bereich des Spektrums sahen,
der sich an die Linie anschloss: Normalerweise findet man hier die Signatur so
genannter Kontinuumsstrahlung.
Aber bei dem Quasar SDSS 1030+0524 fehlt diese nahezu
vollständig. Diese Unterdrückung des Kontinuums entsteht, so die Forscher, dadurch, dass neutrales
intergalaktisches Gas, das sich jenseits einer Rotverschiebung 6.0, aber
noch vor dem Quasar befindet, diese Strahlung verschluckt.
Für Kosmologen ist dies ein äußerst wichtiger Beweis für ihre Theorien über die
Entwicklung des Universums nach dem Urknall: Danach hatte sich etwa 300.000 Jahre
nach diesem Ereignis (bei einer Rotverschiebung von 1000) das Universum so weit abgekühlt, dass die Elektronen und Protonen sich zu
neutralem Wasserstoff verbinden konnten. Erst sehr viel später, hinreichend
lange nach der Bildung der Galaxien und nach dem Aufleuchten ausreichend vieler
Quasare, wurde das intergalaktische Medium durch die heiße Strahlung der neuen
Quellen abermals vollständig ionisiert, wurden also die Atome ihrer Elektronen
beraubt. Die neuen Beobachtungen ermöglichen es, die Zeit einzugrenzen, in der
diese Prozesse stattfand: So gab es etwa 700 Millionen Jahre nach dem Urknall
schon voll ausgebildete Quasare. Außerdem war zu jener Zeit die von den soeben
entstandenen ersten Quasaren bewirkte Re-Ionisation des intergalaktischen
Mediums noch nicht abgeschlossen. Dass zu kleineren Rotverschiebungen als
6,0 hin das Kontinuum wieder deutlicher wird, liegt daran, dass das intergalaktische
Wasserstoffgas mit wachsendem Alter des Universums zunehmend ionisiert wurde,
und zwar von den mit der Zeit immer zahlreicher aufleuchtenden Quasaren.
Die Astronomen sind jetzt mit ihren Beobachtungen in eine Ära vorgedrungen, als
sich aus dem noch neutralen Urgas die ersten Galaxien bildeten und in ihren
Zentren die ersten Quasare aufleuchteten. Diese Himmelskörper, die das
extragalaktische Gas mit ihrer intensiven UV- und Röntgenstrahlung zunehmend
ionisierten, entstanden offenbar im Lauf von wenigen hundert Millionen Jahren -
für Astronomen eine äußerst kurze Zeit.
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