Neben Schwarzen Löchern gehören Neutronensterne vermutlich zu den
exotischsten Objekten, die unser Universum zu bieten hat. Und genau wie
die Schwarzen Löcher entstehen sie nach den gängigen Theorien aus einer
gewaltigen Supernova-Explosion. Man nimmt heute an, dass Sterne ab einer
gewissen Masse ihr nukleares Leben nicht mehr - wie beispielsweise unsere
Sonne - als Weißer Zwerg beenden, sondern in einer Supernova
explosionsartig ihre äußere Hülle ins All schleudern, während ihr
innerer Kern kollabiert. Je nach Masse der ursprünglichen Sonne entsteht
ein Neutronenstern oder - bei sehr massereichen Sternen - ein Schwarzes
Loch.
Über die innere Struktur von Neutronensternen weiß man bis heute
relativ wenig, was vor allem daran liegt, dass die Materie in dieses
Objekten so dicht zusammengepresst ist (also sie eine so große Dichte
haben), dass man diese Verhältnisse in irdischen Laboratorien nicht
simulieren kann. Man geht davon aus, dass ein Neutronenstern die Masse
unserer Sonne in einer Kugel von nur zehn bis 20 Kilometern Durchmesser
vereinigt. Ein Stecknadelkopf von diesem dichten Material würde dann fast
eine Tonne wiegen.
Vor einigen Jahren entdeckte man im Rahmen der deutsche Rosat-Mission
die Röntgenquelle RX J1856.5-3754 und konnte später mit dem Hubble-Weltraumteleskop
bestätigen, dass es sich hierbei um einen isolierten Neutronenstern
handelt. Da man keine Übereste von der Supernova-Explosion gefunden hat,
nimmt man an, dass der Einzelgänger mindestens 100.000 Jahre alt ist. Die
Tatsache, dass der Stern nicht etwa in einem Doppelstern-System vorkam und
keinerlei Aktivität zeigte, machte ihn zu einem willkommenen
Studienobjekt, um etwas über die Struktur von Neutronensternen zu lernen.
Und dies ohne Störungen von Begleitsternen oder ähnlichem.
Das Besondere an RX J1856.5-3754 ist zweifelsohne seine hohe
Temperatur, die man aus der Stärke der gemessenen Röntgenstrahlung
folgerte. Neutronensterne sollten nämlich ab ihrer Geburt ständig
Energie verlieren und so langsam abkühlen. Für sein Alter ist dieser
Stern eindeutig zu heiß. Eine mögliche Erklärung wäre, dass der Stern
interstellares Gas anzieht, das mit hoher Geschwindigkeit auf ihn trifft
und den Stern damit aufheizt. Mit Hilfe eines Spektrums wollten die
Astronomen Marten van Kerkwijk von der Universität im niederländischen
Utrecht und Shri Kulkarni vom California Institute of Technology
etwas über die Struktur des Neutronensterns herausfinden. Und
tatsächlich gelang es dank des VLT-Teleskops Antu ein exzellentes
Spektrum des Sterns aufzunehmen, was angesichts der Lichtschwäche des
Objektes keine leichte Aufgabe ist.
Leider zeigte das Spektrum nicht die Merkmale, die sich die Astronomen
erhofften. Trotzdem lohnten sich die Beobachtungen der Wissenschaftler,
wenn auch auf überraschende Weise: Sie stellten zunächst fest, dass sich
der Neutronenstern seit der letzten Beobachtung mit dem Hubble-Weltraumteleskop
deutlich am Himmel bewegt hat. Die daraus berechnete Geschwindigkeit des
Stern beträgt 100 Kilometer pro Sekunde. Nur: Bei einer so hohen
Geschwindigkeit wird es zunehmend schwerer interstellares Material
aufzunehmen, das den Neutronenstern aufheizen könnte. Das Rätsel war
also noch größer geworden.
Doch die Beobachtungen hielten eine weitere Überraschung parat: In der
Umgebung des Sterns fanden die Wissenschaftler Spuren von Wasserstoff -
etwa hundert Mal mehr als es sonst im interstellaren Raum gibt. Könnte es
also sein, dass dieser Wasserstoff den Stern aufheizt? Der beobachtete
Wasserstoff wird durch den heißen Stern ionisiert, das Atom wird also in
ein Proton und ein Elektron getrennt. Später finden sich die Paare wieder
und senden dabei eine Strahlung aus, die man beobachten kann. Wegen dieser
Entstehungsgeschichte der Strahlung sollte man eigentlich einen
beträchtlichen Teil der Strahlung "hinter" dem Neutronenstern
ausmachen können, da der Stern sich ja, während sich die Protonen und
Elektronen wieder zusammentun, weiterbewegt hat.
Entsprechende Beobachtungen mit dem VLT-Teleskop Kueyen zeigten
tatsächlich einen entsprechenden Nebel um den leuchtschwachen
Neutronenstern, der etwas an die Bugwelle eines fahrenden Schiffes
erinnert. Trotz dieses Fundes rätseln die Astronomen weiter, ob der
gefundene Wasserstoff wirklich ausreichen kann, um RX J1856.5-3754 so
aufzuheizen. Es wäre auch möglich, dass sich der Stern vor einiger Zeit
durch eine viel dichtere Wolke geflogen ist, sich dort aufheizte und jetzt
schon wieder langsam abkühlt - bis er auf die nächste Wolke
stößt.