Im Zentrum unserer Milchstraße herrscht hektisches Treiben:
Millionen von Sternen bewegen sich auf scheinbar chaotischen Bahnen um
das galaktische Zentrum. So interessant dieser Ort für Astronomen ist, so
schwer ist er zu beobachten: Erst das europäische Infrarot-Teleskop ISO
konnte die Staubschichten durchdringen und entdeckte 100.000 Sterne, die
nie zuvor ein Mensch gesehen hat.
Unsere Milchstraße ist eine große Spiralgalaxie mit einem
Durchmesser von 130.000 Lichtjahren. Sie dürfte zwischen zehn und 15
Milliarden Jahren alt sein und besteht im wesentlichen aus einer dünnen
Scheibe mit den Spiralarmen und einem dicken Bulge genannten Kern.
Und spätestens seit Douglas Adams Buch "Per Anhalter durch die
Galaxis" dürfte allgemein bekannt sein, dass sich unser Sonnensystem
am Rand eines recht ruhigen Spiralarms etwa 25.000 Lichtjahr vom
galaktischen Zentrum entfernt befindet.
"Der innere Bulge der Milchstraße ist wie das Zentrum
einer großen hektischen Metropole. Die Dichte von Sternen ist rund 500
mal größer als an jeder anderen Stelle in der Galaxis. So dicht, dass
Sterne sogar zusammenstoßen können", erläutert Alain Omont vom
Astrophysikalischen Institut Paris. "Die Sterne, die sich dort
befinden, können uns viel über die Geschichte der gesamten Galaxis
verraten und beispielsweise offenbaren, ob unsere Milchstraße in der
Vergangenheit andere Galaxien verschluckt hat."
Theorien, dass sich unsere Milchstraße in der Vergangenheit eine ganze Reihe
kleinerer Galaxien einverleibt hat, gibt es schon lange. So ließe sich
nämlich die sehr hohe Konzentration von Sternen im zentralen Bereich des Bulges
erklären. Doch leider erwiesen sich die Beobachtungen dieser
interessanten Region als schwierig, da der direkte Blick durch dicken
Staub verdeckt war. Erst durch das ESA Infrarot-Weltraumteleskop ISO, das
von November 1995 bis Mai 1998 arbeitete, konnte man diese Staubbarriere
durchdringen.
Die Beobachtungen mit ISO - allein 255 Stunden waren dem zentralen
Bereich des Bulges gewidmet - erwiesen und erweisen sich als wahre
Fundgrube. So entdeckten die Astronomen auf diese Weise 100.000 neue rote
Riesensterne, die sich in einer speziellen Phase ihrer Entwicklung
befinden, in der sie sehr viel Materie verlieren und Staub produzieren.
Damit gehören sie zu den entscheidenden Faktoren, die für die
Anreicherung der interstellaren Materie mit Elementen verantwortlich sind.
Außerdem lässt sich das Alter dieser Sterne recht gut bestimmen, was
dann wiederum Rückschlüsse auf die Vergangenheit zulässt.
Auch dem Appetit unserer Milchstraße auf kleine Nachbargalaxien hoffen
die Wissenschaftler dank ISO auf die Spur zu kommen: Stammen Sterne im
Zentrum aus anderen Galaxien sollten sich diese - so die Theorie - anders
bewegen als die Sterne, die schon immer zu unserer Milchstraße gehörten.
Dass sich unsere Milchstraße gerne kleinere Galaxien einverleibt scheint
gesichert: So zieht sie gerade die Magellanschen Wolken an und dürfte in
ferner Zukunft auch mit Andromeda, der nächsten großen Galaxie,
kollidieren.