Warum ging das Leben auf der Erde an Land?

Chrischan

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Hallo Sir Atlan,

vielleicht noch eine "kleine" Anmerkung von mir zu zwei Punkten von Dir:
Deine Zeilen hören sich manchmal so an als ob Du eher an eine zielgerichtete Evolution glaubst und nicht an eine zufällige.
Aber warum entwickelt sich denn eine kleine Öffnung im Darm, wo dann eine Blase (Noch keine Lunge!!!) hineingedehnt wird. Dabei fällt mir folgendes Problem auf: Wenn der Darm durch Schlucken der Luft gedehnt wird - ich stelle mir dazu mal einen Luftballon vor, der aufgeblasen wird - sollte sich der Darm nicht insgesamt ausdehnen? Warum entsteht eine parallel zum Darm liegende Blase mit einem „Verbindungsschlauch“ (in Abb1 orange dargestellt). Würde es nicht bedeuten, dass der Darm ein einer kleinen Stelle elastischer war als der Rest und durch eine Druckerhöhung (verschlucken der Luft) sich diese Blase ausbilden konnte? Und warum ein „Schlauch“ als Verbindung und nicht ein Ventil (analog zur Herzkammer)?
Dieses „gekammert“ klingt für mich nach Zufall. Solche Zufälle sollten aber evolutionär nicht berücksichtigt werden, wenn der Prozess nicht generell stattfindet. Wenn er generell stattgefunden hat muß es einen Grund geben.
Mutationen laufen nach dem Zufallsprinzip ab. DieFrage nach dem Warum stellt sich somit garnicht. Solange sie keinen nachteiligen Effekt haben, können sie bestehen bleiben (vererbt werden). Eine zeitlang können sich u.U. selbst erstmal nachteilige Mutationen halten. Ergeben sie einen Vorteil, werden sie sich durchsetzen. Dabei ist es egal, ob der Vorteil sofort eintritt oder erst später. (Die Lungen der Wale sind momentan anscheinend weder ein Vorteil noch ein Nachteil. Sollten aber eines Tages z.B. die Meere austrocknen, hätten die Nachfahren der Wale wohl einen Vorteil vor den Fischen...)
So gab es sicherlich Fische mit unterschiedlich gut durchbluteten Ausstülpungen oder auch welche mit unterschiedlich geformten ("gekammert"). Alles rein nach dem Zufallsprinzip. Erst als der Landgang (oder zumindest der Gang in's Süßwasser) stattfand ergaben sich für die Individuen mit gut durchbluteten und gekammerten Ausstülpungen Voteile.


Gruß, Christian
 

Sir Atlan

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Hallo Chrischan,

vielleicht noch eine "kleine" Anmerkung von mir zu zwei Punkten von Dir:

Immer gerne.

Deine Zeilen hören sich manchmal so an als ob Du eher an eine zielgerichtete Evolution glaubst und nicht an eine zufällige.

Wenn das so rüber kommt tut es mir leid, aber ich glaube NICHT an eine zielgerichtete Evolution. Ich glaube aber zu wissen, warum Du es denkst.
Ich habe generell ein Problem damit (evolutionär) wenn eine einmalige zufällige Mutation als DIE Neuerung beschrieben wird. Ich denke dann immer: Warum setzt es sich durch, wenn nur ein Individuum betroffen ist. Das geht nur, wenn der Vorteil genetisch dominant ist und kompatibel mir der Genversion 1.0. :D Das ist auch der Grund, warum ich von einer langwierigen Evolution ausgehe und nicht von einer spontanen. Langwierig heißt aber auch, dass eine Änderung (egal ob positiv oder negativ) eine immer größere Verbreitung bei den Individuen bedeutet. Und dann komme ich wieder zu meinem (gedanklichen) Problem:
Da es eine langwierige Entwicklung war, warum hat sich die Lunge in diesem Fall über langen Zeitraum vom Darm mit einer kleinen Öffnung über einen „Schlauch“ in eine (erst einmal) rudimentäre Blase entwickelt?
Da es langwierig war muss diese Entwicklung bei vielen stattgefunden haben. Immer etwas mehr/weiter.

Hoffentlich konnte ich klar machen, was ich meine.:eek:

Mutationen laufen nach dem Zufallsprinzip ab. ... Erst als der Landgang (oder zumindest der Gang in's Süßwasser) stattfand ergaben sich für die Individuen mit gut durchbluteten und gekammerten Ausstülpungen Voteile.

Verkürzung durch mich

Und dieser Absatz von Dir ist genau der Grund, warum ich in einem vorherigen Post gefragt habe, warum nicht ein andere „Entwicklungsstrang“ eine Parallelentwicklung mit sich bringt. Gut, heute nicht mehr existent, daher ist das Argument „Irrelevant“ gültig, aber es würde mich hier auch interessieren, ob es Fossilien gibt, die eine „Totentwicklung“ dokumentiert. Es muss sie geben (da ich diese Evolutionsentwicklung unterstelle), die Frage ist nur wie häufig/selten so was ist. Ich kenne keine. Aber das heißt nichts.

Gruß

Sir Atlan
 

Mahananda

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Hallo Sir Atlan,

Aber warum entwickelt sich denn eine kleine Öffnung im Darm, wo dann eine Blase (Noch keine Lunge!!!) hineingedehnt wird.

Das hat mit Luftschlucken nichts zu tun. Ursache kann eine Störung in der Embryonalentwicklung der Fischlarve gewesen sein, die zu einer Aufspaltung des Darmgangs in zwei Röhren geführt hat, von denen die eine als Sackgasse endete. Solche Störungen kommen immer wieder mal vor, auch beim Menschen. Siamesische Zwillinge sind die bekanntesten Beispiele dafür, aber es geht auch viel weniger dramatisch. Ich habe mal jemanden mit drei Nieren kennengelernt - auch hier so etwas wie ein angefangener Zwilling. Ursachen für solche Störungen können in Mutationen liegen - ein Enzym, das während der Embryonalentwicklung an der Ausformung eines Organs beteiligt ist, wird entweder nicht oder nur mit eingeschränkter Wirksamkeit produziert - oder im Zusammenspiel der epigenetischen Faktoren, die die Genaktivität regulieren (Stichwort hier die gerade aktuellen Mikro-RNA-Moleküle, die das sogenannte "Zentrale Dogma der Molekularbiologie" unterlaufen - hochinteressant übrigens ...).

Entscheidend für den Fortgang der Evolution ist die Vererbungsfähigkeit des "Defekts". Aus einem möglicherweise rein epigenetischen Vorgang muss ein genetisch bestimmter werden. Über diesen Prozess weiß man derzeit noch zu wenig. Experimente mit Taufliegen haben jedoch gezeigt, dass über Umwelteinflüsse erworbene Eigenschaften in die Keimbahn gelangen können, also vererbt werden. Bei den Taufliegen waren es rote Augen durch Wärmeeinfluss während der Larvenphase, die an nachfolgende Generationen vererbt wurden. Analog stelle ich mir dies bei den Fischlarven mit Darmausstülpung vor. Für die Ernährung ist es vorteilhafter, wenn möglichst keine Nahrung in die Ausstülpung gelangt, so dass eine Verengung des Verbindungsgangs recht schnell selektiert worden sein dürfte. Im Gegensatz zum Nahrungsbrei diffundierte Luft relativ problemlos durch den Verbindungsgang - sowohl hinein wie auch hinaus. Da die Abzweigung in Mundnähe liegt, muss die Luft nicht erst lange durch den Darm strömen, sondern wird spontan als Nebeneffekt beim Schnappen nach Beute aufgenommen. Sicher gelangte dabei auch Luft in den Darm, aber sie wurde schneller wieder abgegeben, während sie in der Ausstülpung etwas länger verblieb - hier wirkte die Verengung des Verbindungskanals wie ein Ventil.

Wenn die Lunge sich wie oben beschrieben entwickelt hat, sollte sie mit dem Darm (und nur dort) verbunden sein. Das bedeutet, dass sie am Verdauungstrakt hängt – hinter dem Magen. Warum ist sie nicht mehr dort?

"Darm" bezeichnet hier den gesamten Verdauungstrakt, einschließlich Magen und Speiseröhre, die sich später noch entwickelt haben. Das heißt, Lunge und später Luftröhre und Kehlkopf (heute vorhandene Ventillösung!) "hängt" nach wie vor an dem Teil des Darms, der heute Speiseröhre genannt wird.

Sollte in diesen abgelegenen oder toten Flussarmen der Sauerstoff nicht ungleich geringer sein? Daher sollte sich das doch aufheben?

Hat es auch. Die zusätzliche Luft half den Fischen, die sauerstoffarmen Regionen als Nische zu erschließen. Über diesen Regionen war das Wasser aber sauerstoffreich, weil Algen fleißig Sauerstoff produzierten. Dort konnte der Sauerstoffüberschuss die Variationsbreite entstehen lassen, aus der bei Sauerstoffmangel selektiert wurde - die Fischarten, die mit dem Sauerstoff flexibel und effizient umgehen konnten, blieben in Dürreperioden übrig und vermehrten sich fleißig. In "fetten" Zeiten konnte sich der Genpool erholen und die Variabilität stieg wieder an - bis zur nächsten Krise.

ATP ist also ein Energieträger!

Genauso ist es. ATP kann man sich auch als Energiewährung vorstellen, die im Zellstoffwechsel universell verwendet wird. Da sich ATP schnell verbraucht, muss es neu hergestellt werden. Dies geschieht in den Mitochondrien. Dort läuft die Atmungskette ab. Das ist so etwas wie eine verzögerte Knallgasreaktion. Während der Bindung von Wasserstoff an Sauerstoff entsteht als Nebenprodukt ATP, das über verschiedene Transportsysteme dem Zellstoffwechsel wieder zur Verfügung gestellt wird. Geringe Mengen ATP entstehen u.a. im Citrat-Zyklus (auch "Zitronensäurezyklus" genannt), aber der Hauptanteil wird in den Mitochondrien produziert.

An dieser Stelle muss ich leider unterbrechen. Ich melde mich später noch einmal mit einer Fortsetzung.

Bis dahin!
 

Sir Atlan

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Hallo Mahananda,

zunächst erst einmal vielen, vielen Dank.

Dieser erste Abschnitt hat schon mal ein paar meiner "Löcher gestopft".
Wie z.B. daß ich Darm zu wörtlich genommen habe.


An dieser Stelle muss ich leider unterbrechen. Ich melde mich später noch einmal mit einer Fortsetzung.

Worauf ich mehr als gespannt bin. :)

Es kann sein, daß ich nicht sofort eine Antwort schreiben werde, da ich mir die gelieferten Infos ersteinmal näher bringen möchte. Also bitte nicht denken ich bin undankbar oder lehrnresistent. Aber manche Dinge benötigen / verdienen einen detailierteren Blick und Verständnis. :D
Und wenn Du Dir schon die Mühe mit mir gibst, werde ich so höflich sein und Dir entsprechend antworten und gleich drauf (wahrscheinlich) noch kleinere Fragen stellen. :eek::D

Vielen Dank

Sir Atlan
 

Chrischan

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Hallo Sir Atlan,

...aber ich glaube NICHT an eine zielgerichtete Evolution.
OK, dann bin ich wieder bei dir...


Da es eine langwierige Entwicklung war, warum hat sich die Lunge in diesem Fall über langen Zeitraum vom Darm mit einer kleinen Öffnung über einen „Schlauch“ in eine (erst einmal) rudimentäre Blase entwickelt?
Da es langwierig war muss diese Entwicklung bei vielen stattgefunden haben. Immer etwas mehr/weiter.
Absolut meine Meinung. Solch eine Entwicklung lief vermutlich über viele Generationen, obwohl auch spontan können größere Veränderungen auftreten (denk allein nur an die Individualtät (Vielfalt) beim Menschen und auch an Fehl- bzw. Mißbildungen...) Gerade Arten mit einer kurzen Lebensspanne können in recht kurzen Zeiträumen viele Generationen hervorbringen. Desweiteren können einzelne kleine Mutationen bei Arten mit wenigen Genen u.U. größere Veränderungen erzeugen.

aber es würde mich hier auch interessieren, ob es Fossilien gibt, die eine „Totentwicklung“ dokumentiert. Es muss sie geben (da ich diese Evolutionsentwicklung unterstelle), die Frage ist nur wie häufig/selten so was ist. Ich kenne keine.
Fast jedes Fossil stellt eine "Totentwicklung" dar. Die Art starb aus, weil sie im Nachteil war. Entweder hatten sich bei anderen Arten effektivere Fähigkeiten entwickelt, oder die eigene Entwicklung verlief in eine Sackgasse. Drastischer kann man auch schwere Fehl- und Mißbildungen als "Totentwicklungen" bezeichnen... Von diesen wird man aber vermutlich keine Fossilien haben. Wie hoch ist schon die Chance von einer Art genug Fossilien zu finden um auch die Variationen erkennen zu können. Dabei sind innere Eigenheiten sowieso fast nie erhalten geblieben...

Gruß, Christian
 

Sir Atlan

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Hallo Chrischan,

OK, dann bin ich wieder bei dir...

ich war doch nie weg...:D

Fast jedes Fossil stellt eine "Totentwicklung" dar. Die Art starb aus, weil sie im Nachteil war. Entweder hatten sich bei anderen Arten effektivere Fähigkeiten entwickelt, oder die eigene Entwicklung verlief in eine Sackgasse. Drastischer kann man auch schwere Fehl- und Mißbildungen als "Totentwicklungen" bezeichnen... Von diesen wird man aber vermutlich keine Fossilien haben. Wie hoch ist schon die Chance von einer Art genug Fossilien zu finden um auch die Variationen erkennen zu können. Dabei sind innere Eigenheiten sowieso fast nie erhalten geblieben...

Klar. :eek: Habe (mal wieder) zu allgemein gefragt. Natürlich sind die "inneren" Werte bei Fossilien nicht nachprüfbar. Als sehr überzogenes Beispiel dachte ich an evtl. einen Fisch mit 5 Augen o.ä. ;)
Das diese Chancen sehr klein sind war mir klar. Aber es gibt ja auch Funde von ganzen Herden, die im Moor den Tod fanden. Aber nochmal: Diese Chance ist sehr, sehr klein. Ich weiß.

Gruß

Sir Atlan

P.S. Habe Deinen post gelesen, und kann nur sagen: Ja, deswegen warte ich weiter, bis Mahananda finalisiert.
@ fspapst: Es funktioniert, daß nach der "Vorschau" ein Zwischenpost angezeigt wird. Du weißt was ich meine ;)
 

Mahananda

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Hallo Sir Atlan und Christian,

ich bin momentan etwas unter Zeitdruck, deshalb komme ich wahrscheinlich heute noch nicht zum Schluss, aber morgen vormittag dürfte es klappen ...

Ich war bei ATP stehen geblieben und komme nun zur Kammerung der Lungen. Ursache dafür ist die vorhin schon erwähnte Variationsbreite, die sich nach einer überstandenen Krise regeneriert. Parallel dazu ist die Durchblutung mit Kapillarsystemen gegeben. Diese hatte sich schon im Darm entwickelt - musste auch geschehen, da die Nährstoffe während der Verdauung durch die Darmschleimhaut in das Blut diffundieren. Die Anlagen für eine durchblutete Lungenhaut waren also schon von Anfang an vorhanden. Der Trend zur Vergrößerung der Oberfläche bewirkte eine größere Effizienz der Nahrungsverwertung im Darm - auch unser Darm ist voller Darmzotten, mit dem Effekt der Oberflächenvergrößerung. Derselbe Trend machte sich auch bei der Lungenoberfläche bemerkbar - Kammerung bewirkte verstärkte Sauerstoffaufnahme und damit einen Selektionsvorteil gegenüber Tieren mit einfacheren Lungen. Stärkere Durchblutung allein hätte unter den Bedingungen periodischen Austrocknens nicht genügt. Dafür war der Selektionsdruck zu stark. Nach der "Entwöhnung" vom Wasser, also nach Abschluss des "Landgangs" setzte sich der Trend zur stärkeren Kammerung durch, da an Land zunehmend anspruchsvollere Lösungen gefordert waren, die nur mit einem größeren Sauerstoffvorrat zu bewältigen waren (bessere Laufleistungen, also differenzierteres Muskelsystem und belastbareres Skelett; schnellere Instinktreaktionen, also größeres und leistungsfähigeres Gehirn usw. usf.). Damit einher ging die Entwicklung zu einem geschlossenen Blutkreislauf mit Unterteilung in Körperkreislauf und Lungenkreislauf.

Gut, bis dahin erst einmal. Morgen kommt der Rest.

Viele Grüße!
 

Lina-Inverse

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Dieses „gekammert“ klingt für mich nach Zufall. Solche Zufälle sollten aber evolutionär nicht berücksichtigt werden, wenn der Prozess nicht generell stattfindet. Wenn er generell stattgefunden hat muß es einen Grund geben.
Ich deute deinen Satz so, das du einen Grund suchst, warum gerade dieser Zufall sich durchgesetzt hat?

Ich habe dazu folgende Überlegung anzubieten (die nicht richtig sein muss): Es gäbe eine vielzahl von möglichen Mutationen die einem aquatischen Lebewesen den Schritt an Land ermöglichen könnten. Genügend Zeit gegeben, müssten alles diese Mutationen irgendwann einmal auftreten.
Nun wird irgendeine X-beliebige Mutation zuerst auftreten. Diese Mutation beginnt nun die ökologische Nische zu besetzen. Bis die nächste Mutation auftritt, hat die Erste bereits Zeit gehabt, ihre Lösung zu optimieren und sich der Nische besser anzupassen. Die Zweite Mutation stellt vielleicht insgesamt eine bessere Lösung dar, aber da sie zufällig später auftrat, ist die Hürde sich zu etablieren grösser. Sie tritt in Konkurrenz zur Ersten Mutation - die Erste hatte dieses Hindernis noch gar nicht, kann also einen Vorteil daraus ziehen das sie zufällig zuerst auftrat.
Wenn man diesen Gedanken weiterspinnt, wird es für jede nachfolgende Variation schwerer sich zu etablieren, weil die Konkurrenz immer grösser wird. Daraus schlussfolgere ich, das sich immer nur eine begrenzte Anzahl Lösungen pro ökologischer Nische realisieren kann, auch wenn viele weitere möglich gewesen wären.
Es würde auf die Frage warum DIESE Lösung die Anwort implizieren: Sie kam zufällig früh genug zur Party und sie war gut genug um ihren Platz gegen die Nachzügler zu behaupten.

Vielleicht kann Manahanda etwas dazu sagen inwieweit dieser Gedanke in der Evolutionsforschung tragfähig ist bzw. mit dem aktuellen Stand vereinbar.

Gruss
Michael

PS: Der Grundgedanke ist in etwa der gleiche wie hier von mehreren Postern geäussert, nur das es dort um die Frage ging ob Leben mehrfach paralell entstand/entstehen könnte.
 
Zuletzt bearbeitet:

Mahananda

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Hallo,

jetzt also die noch ausstehende Fortsetzung:

zunächst noch einmal kurz zur Frage, warum gerade gekammerte Lungen und nicht modifizierte Kiemen:

Wenn Lungen erst mal da sind und sich bei den ersten Landwirbeltieren etabliert haben, geht bei hinreichend starkem Selektionsdruck der Trend dahin, dass die Effizienz der Lungen steigt, um zunehmend wasserferne Regionen als Nische dauerhaft zu besiedeln.So geschehen bei den späteren Reptilien (parallel zu Verhornung der Oberhaut und Entwicklung von Eiern mit Schale). Diese Effizienzerhöhung funktioniert auf Dauer nur bei Vergrößerung der Oberfläche, weil der Grad der Durchblutung schon bald ein Maximum erreicht. Und Oberflächenvergrößerung gelingt nur, wenn Faltungen mit nachfolgender Kammerung auftreten. Das heißt, dass nur solche Modifikationen langfristig das Rennen machen, die eine zunehmend größere innere Oberfläche der Lungen aufweisen. Werden solche Modifikationen über epigenetische Prozesse letztlich zu Mutationen, steht das genetische Ausgangsmaterial für weitere Variabilität zur Verfügung.

Das Genom ist konservativer als man gemeinhin denkt. In der Regel etablieren sich Veränderungen darin nicht über Zufallsmutationen, die gerade mal günstig sind, sondern der Selektionsdruck bewirkt über den Umweltstress auf den Organismus eine bevorzugte Aktivität in jenen Regionen des Genoms, in denen später Veränderungen auftreten. Während der "Ablesevorgänge" bei der Proteinsynthese sind die beteiligten DNA-Abschnitte öfter geöffnet als andere Regionen. Damit erhöht sich hier die Anfälligkeit für mutagene Einflüsse, weil der sichernde Komplementärstrang fehlt. Nach dem Schließen der Doppelhelix werden Fehler weitestgehend korrigiert, aber bei hinreichend intensiver Ableseaktivität steigt die Chance für bleibende Fehler, so dass hier der Ansatz für eine größere Variabilität liegt. "Hilfreiche" Mutationen treten daher bevorzugt in den Regionen auf, die dazu dienen, dem Selektionsdruck auszuweichen. So erklärt sich die geradezu verblüffende passgenaue Abgestimmtheit auf sehr spezielle Umweltbedingungen bei vielen Organismen. Dennoch gilt auch hier das Prinzip "try and error", denn nur wenige Mutationen sind passgenau genug. Der größte Teil der Mutanten schafft es nicht, seine Gene weiterzugeben.

Warum gab es aber keine Modifikationen der Kiemen? Kiemen sind sehr konservative Errungenschaften, die für das Leben im Wasser perfekt sind, aber nicht problemlos auf das Leben an der Luft "umgebaut" werden können. Das Problem ist die Konsistenz von Wasser und Luft. Wasser bietet einen gewissen Widerstand, wenn es durch die verzweigten Kiemenbögen strömt. Der Kontakt ist sehr intensiv und reicht aus, damit das vorbeiströmende Blut in den Kiemenbögen den gelösten Sauerstoff aufnehmen kann. Da Blut und Wasser von etwa gleicher Konsistenz sind, gibt es keine Schranke, die der Sauerstoff überwinden müsste, um in das Blut zu diffundieren. Das vorbeiströmende Blut entnimmt über Sogeffekte das sauerstoffreiche Wasser. Über den Darm wird sauerstoffarmes Wasser wieder nach außen abgegeben.

Ganz anders mit Luft: Der gasförmige Zustand führt dazu, dass sie viel zu schnell durch die Kiemen strömt. Dann muss sich der Sauerstoff erst im Kiemenblut lösen, bevor er verwertet werden kann. Hier ist also eine Schranke vorhanden, die der Sauerstoff erst überwinden muss, um in das Körperinnere zu gelangen. Dann ist noch das Problem der Abgabe des sauerstoffarmen Wassers bzw. des Kohlenstoffdioxids. Das kann zwar auch über den Darm erfolgen, erfordert aber die ständige Aufnahme von Flüssigkeit, damit es in gelöster Form geschieht. Bei der nötigen Umsatzrate hätten die Landwirbeltiere erheblich mit Blähungen zu kämpfen, wenn sie bei der Kiemenatmung geblieben wären. Von daher waren Lungen klar im Vorteil, wenn man die biologische Fitness als Maßstab nimmt.

Zum Ammoniakstoffwechsel, Nieren usw.: Ausscheidungsorgane gibt es u.a. auch bei Meeresfischen, so dass ich hier keine Schwierigkeit sehe, mit Ammoniakausscheidung zurechtzukommen. Üblicherweise wird Ammoniak sofort verwertet, wobei u.a. neue Aminosäuren gebildet werden. Der Rest gelangt über die genannten Ausscheidungsorgane in gebundener Form in den Primärharn. Nach verschiedenen Transportvorgängen wird alles, was noch verwertbar ist (Aminosäuren, Zucker usw.) in den Blutkreislauf zurückgeführt, so dass am Ende nur noch Harnstoff und Wasser übrig bleibt. Ob die Harnstoffsynthese erst später verfügbar war, und wenn ja, ab wann, weiß ich auch nicht. Denkbar ist als Vorstufe, dass der Primärharn anfangs nicht in dem Maße wiederverwertet wurde wie derzeit, so dass u.a. auch Aminosäuren ausgeschieden wurden. Andererseits ist die Reaktion zu Harnstoff problemlos zu bewältigen, zumal mit Einsetzen der Sauerstoffatmung mehr ATP zur Verfügung stand, so dass die Reaktion ohne große Mühe zu katalysieren war. Aber wie gesagt, hierzu weiß ich nichts Genaues.

Tja, das wars dann erst mal. Übrigens meine Hochachtung dir gegenüber, Sir Atlan, dass du es auf dich nimmst, Hausaufgaben zu machen :) ! Und natürlich auch an Christian, der sehr gute Beiträge zum Thema gepostet hat. Ach ja, Michaels Beiträge waren auch sehr gut, insbesondere die Hinweise auf Darmatmer und Landkrabben waren sehr bereichernd. Alles in allem eine sehr schöne Diskussion, die sich hier entwickelt hat.

Bis demnächst!
 

UMa

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Hallo,

die Ausstülpung aus der sich Lunge und Schwimmblase entwickelten ist übrigens im Vorderdarm d.h. vor dem Magen, was beim Menschen auch Speiseröhre heißt. Sie ist viel älter als der Landgang der Wirbeltiere. Eine Schwimmblase, die wie bei vielen moderneren Fischen vom Verdauungstrakt getrennt ist, ist dagegen erheblich jünger.

Grüße UMa
 

Mahananda

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Hallo UMa,

die Ausstülpung aus der sich Lunge und Schwimmblase entwickelten ist übrigens im Vorderdarm d.h. vor dem Magen, was beim Menschen auch Speiseröhre heißt. Sie ist viel älter als der Landgang der Wirbeltiere.

es ist richtig, was du schreibst. Ich bin darauf auch schon eingegangen. Die Schwimmblase hat sich jedoch nicht unabhängig von den Lungen entwickelt, sondern entstammt derselben gemeinsamen Anlage, die die Ausstülpung hervorbrachte. Während sich also bei den künftigen Landwirbeltieren daraus die Lungen entwickelten, bildete sich bei den im Wasser verbliebenen Fischen die Schwimmblase heraus, die zur Regulation der Schwimmtiefe genutzt wurde.

Viele Grüße!
 

Sir Atlan

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Hallo,

ausgehend von Mahanandas exzellenter Ausarbeitung (nochmal Danke dafür) wollte ich mal kurz zusammenfassen, wie sich dieser Landgang bzw. die Entwicklung von Kiemen zu Lungen vollzog.

1. Ausbildung einer Blase, anhängend am vorderen Verdauungssystem.
2. Aus dem Meer heraus wurden ersteinmal die Flüsse und Seen besiedelt.
3. Verbesserte Durchblutung der Blase (Schleimhaut) durch Kapillarsystem.
4. Verstärkte Kammerbildung der (rudimentären) Lunge
5. Verbesserung des Blutkreislaufs - arterielles und venöses Blut wurden vollständig getrennt.

Generell ist noch dazu zu sagen, daß es natürlich noch unterstützende Einflüsse gab, die die Entwicklung optimierten.

Die wichtigen zwei sind:

1. Krisen erhöhen den Selektionsdruck
2. Erste Veränderungen werden durch epigenetische Prozesse "weitergegeben", bevor sie zu Mutationen werden.

Diese kleine Zusammenfassung ist als Überblick gedacht. Die Auswirkungen daraus (Sekundärentwicklungen z.B. Haut und Nieren) möchte ich noch überdenken. Die Fragen werde ich hier stellen.

Als noch lebenden "missing link" ist mir der Schlammspringer eingefallen. Der kann den Zwischenschritt an Land plastisch zeigen (bitte nicht wörtlich nehmen). wiki/Schlammspringer

Einen Gedanken möchte ich hier noch anbringen.
Ich finde es irgendwie "umständlich" von der Evolution, daß in diesem zusammenhang ersteinmal die Haut der Salzwasserfische komplett verändert werden mußte (Osmoseproblematik) um ein Überleben im Süßwasser zu gewährleisten. Um letztendlich an Land zu überleben mußte diese Entwicklung wieder "rückgängig" gemacht werden. Letztlich ist es aber ein Indiz (Beweis), daß Evolution nicht zielgerichtet ist.

Ich Danke an dieser Stelle alle beteiligten Disskutanten für die gelieferten Meinungen, Stellungnahmen und Informationen.

Gruß

Sir Atlan
 
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Lina-Inverse

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Zur Entwicklung der Schwimmblase und Lunge aus einer Ausstülpung des Darms bin ich eben zufällig über den Wiki-Artikel über den Quastenflosser gestolpert:
Ein mit Fett gefülltes blasenartiges Organ am Darm, das als Rudiment einer als Lunge genutzten Schwimmblase interpretiert wird, gilt als Indiz für die Fähigkeit der „Ur-Latimeria“, Luft zu atmen. Bei den rezenten Lungenfischen ist ein solches Organ noch vorhanden und funktionsfähig.

Gruss
Michael
 

Mahananda

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Hallo Sir Atlan,

Als noch lebenden "missing link" ist mir der Schlammspringer eingefallen.

Der Schlammspringer eignet sich nicht, um als „missing link“ zu gelten, da sein Lebensraum auf die Mangrovenregion beschränkt ist. Außerdem ist er an Salzwasser angepasst und kann daher nicht dauerhaft an Land leben. Interessant ist aber, dass bei den Schlammspringern zum einen die Kiemen modifiziert sind (sehr kleine Öffnungen nach außen – somit eine Art Ventil, damit die Luft länger im Kiemenraum verbleibt) und zum anderen die Mund- und Kiemenhöhle erweitert und zudem stark durchblutet sind, was analog zu einer Lunge funktioniert. Weitere Beispiele für salzwasserliebende Fische mit amphibischer Lebensweise sind Glotzauge (Boleophthalmus pectinirostris) – ebenfalls ein Mangrovenbewohner – und der Amphibische Schleimfisch (Lophalticus kirkii), der in der oberen Gezeitenzone des Roten Meeres lebt. Da sie nicht an Süßwasser angepasst sind, können sie nicht ins Landesinnere vordringen und bleiben daher auf die Gezeitenregionen beschränkt.

Aus diesem Grund war der „Umweg“ über das Süßwasser der einzige evolutionär gangbare Weg, um das Festland als Nische zu erschließen, denn an Land trifft man in der Regel auf Süßwasser – Ausnahme natürlich Salzseen in Trockenregionen, aber bis dahin können Schlammspringer u.a. nicht vordringen. Die Hautanpassung war anfangs nicht so dramatisch, da eine dicke Schleimschicht zunächst als Schutz vor Osmose reichte. Mit dem Übergang zu einer vollends an Land erfolgenden Lebensweise bestand die Osmosegefahr nicht mehr – im Gegenteil: es musste ein wirksamer Schutz vor Austrocknung gefunden werden, damit der interne Salzgehalt nicht zu hoch wurde. An Stelle von Schleimschichten traten nun Hornschichten, wobei die Schuppenbildung als eine Art Klimaanlage fungierte: Bei Sonneneinstrahlung Schuppen anlegen – Verdunstungsschutz; bei feuchter Witterung bzw. bei Morgentau Schuppen aufrichten – Wasseraufnahme.

Abschließend noch ein paar Namen für amphibische Süßwasserfische, die z.T. echte „lebende Fossilien“ darstellen und daher eher als „missing links“ geeignet sind:

- Australischer Lungenfisch (Neoceratodus forsteri)

- Afrikanischer Lungenfisch (Protopterus aethiopicus)

- Südamerikanischer Lungenfisch (Lepidosiren paradoxa)

- Flösselhecht (Polypterus weeksii)

- Pirarucu (Arapaima gigas)

- Kahlhecht (Amia cava)

Flösselhechte ertrinken übrigens, wenn man sie am Zugang zur Wasseroberfläche hindert – für einen Fisch recht ungewöhnlich …

Viele Grüße!
 

Mahananda

Registriertes Mitglied
Hallo,

ich habe mich noch einmal zum Problem Ammoniakausscheidung kundig gemacht und bin dabei in der „Kleinen Enzyklopädie Leben“ (Leipzig 1978) auf folgende Passagen gestoßen:

„Den größten Teil der Exkrete bilden die Endprodukte des Eiweißstoffwechsels, vor allem Harnstoff, Harnsäure und Ammoniumverbindungen. Ammoniak ist das primäre Produkt des Eiweißstoffwechsels; es ist giftig und wird im Organismus schnell in Harnstoff und Harnsäure übergeführt und in dieser Form mit dem Harn ausgeschieden. Nur einige im Wasser lebende Tiere scheiden Ammoniak direkt aus.“ (S. 418)

Leider wird nicht erwähnt, ob Süßwasserfische dazugehören bzw. auf welche Weise die Ausscheidung bei Fischen und Lurchen erfolgt. Doch immerhin heißt es weiter:

„Mit Ausnahme der Mesozoen, Poriferen, Zölenteraten, Turbellarien, Echinodermen und Tunikaten besitzen alle übrigen Metazoen spezielle Ausscheidungsorgane, sog. Nierenorgane.“ (S. 418)

Zu deutsch: Chordatiere, zu denen die Wirbeltiere gehören, besitzen Nierenorgane, folglich sind sie in der Lage via Harn Ammoniak auszuscheiden – entweder direkt in Lösung oder gebunden in Form von Harnstoff oder Ammoniumverbindungen.

In Harald Aurichs Buch „Laboratorium des Lebens“ (Leipzig, Jena, Berlin 1978) fand ich dafür die Bestätigung:

„Die im Wasser lebenden Mikroorganismen oder auch viele niedere, dort lebende wirbellose Tiere sind in der Lage, das gebildete Ammoniak einfach an das umgebende Wasser abzugeben. Die Landtiere sind dazu nicht mehr befähigt, sie müssen ihren Ammoniak im Körper entgiften. Haben sie ausreichend Wasser zur Ausscheidung zur Verfügung, wie die Säugetiere und Fische, bilden sie aus Ammoniak den gut wasserlöslichen Harnstoff und scheiden ihn aus. Ist die Wasserzufuhr begrenzt, wie dies bei den Vögeln und Reptilien der Fall ist, bilden sie aus Ammoniak Harnsäure, die wegen ihrer schlechten Wasserlöslichkeit bei der Ausscheidung auskristallisiert und in dieser festen Form über die Kloake ausgeschieden werden kann.“ (S. 163f.)

Fazit: Bereits vor dem Landgang hatten die Fische Nierenorgane und waren in der Lage, Ammoniak im Körper zu entgiften. Somit ergibt sich für die späteren Landwirbeltiere kein Stoffwechselproblem. Die Nieren mussten sich nicht erst noch entwickeln. Sie waren schon da. Warum Herr Hupfeld hieraus ein Problem konstruiert, ist für mich daher nicht nachvollziehbar. Auf seiner Seite liest sich das so, als wenn Ammoniak ausschließlich über die Kiemen ausgeschieden wird. Aber das ist mit Sicherheit falsch.

Viele Grüße!
 
F

fspapst

Gast
Habe diesen Artikel gefunden.
Demnach gab es schon vor ca. 635 Mio. Jahre höher entwickeltes Leben, welches aber noch nicht auf Landgang ging. ;)

Gruß
FS
 

Sir Atlan

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Hallo Mahananda,

Danke für Deinen Nachtrag. Ich bin auf der gleichen Suche nach Informationen.

Leider wird nicht erwähnt, ob Süßwasserfische dazugehören bzw. auf welche Weise die Ausscheidung bei Fischen und Lurchen erfolgt.

Dazu habe ich ein PDF gefunden.
HIER einzusehen.

Die Worte lese ich wohl, auch der Sinn ist klar, aber die Details entziehen sich mir. Zu viel "Fachchinesisch" für mich.

Fazit: Bereits vor dem Landgang hatten die Fische Nierenorgane und waren in der Lage, Ammoniak im Körper zu entgiften.

So sieht es aus, aber anscheinend wurde sie primär nicht dazu benutzt. Das NH3 wird bei Salzwasserfischen - wegen der guten Wasserlöslichkeit - über Kiemen und Haut abgegeben.

Somit ergibt sich für die späteren Landwirbeltiere kein Stoffwechselproblem. Die Nieren mussten sich nicht erst noch entwickeln. Sie waren schon da.

Das ist wohl richtig, daß sie schon vorhanden war, aber die Ausscheidung läuft über die "Umwege", Harnstoff und Harnsäure. In wie weit dies kompliziert oder aufwändig ist kann ich ersteinmal nicht beurteilen, aber ich habe verstanden, das wohl relativ viel ATP dafür benötigt wird - mehr Energieaufwand.

Warum Herr Hupfeld hieraus ein Problem konstruiert, ist für mich daher nicht nachvollziehbar. Auf seiner Seite liest sich das so, als wenn Ammoniak ausschließlich über die Kiemen ausgeschieden wird. Aber das ist mit Sicherheit falsch.

Der einzige Punkt der mir dazu einfällt ist folgender (sehr spekulativ):
Um Harnstoff ausscheiden zu können braucht es eine gewisse Menge an Wasser. Da Süßwasserfische nicht trinken sollten (dürfen) haben sie evtl. nicht die Möglichkeit über den Harnstoff das NH3 loszuwerden (wird ja über Kiemen gemacht). Die Salzwasserfische, die ja trinken müssen, hätten ja das Wasser zur verfügung, nutzen aber trotzdem den direkten Weg NH3 über die Haut und Kiemen abzugeben. Als die Süßwasserfische "an Land gingen" mußte also ein Spagat gemacht werden, um Wasser zur Ausscheidung "bereitzuhalten" aber gleichzeitig auch noch genügend zurückzuhalten um nicht auszutrocknen.
Darum auch evtl. der Zwischenschritt der Amphibien, die sich ja nicht weit vom Wasser entfernen.

Fazit:
Um von Kiemenatmung auf Lungenatmung umzustellen, reicht es nicht einfach eine Lunge auszubilden. Der gesamte Stoffwechsel muß umgestellt weden.
An diesem Beispiel kann man schön verdeutlichen, das eine "kleine" Änderung eine große Auswirkung auf den gesamten Organismus hat und nicht unbedingt einen Vorteil bedeuten muß (generell).

Provokative These: Wäre die Umstellung leichter gewesen, gäbe es keine so spezialisierten Amphibien (die sich im ersten Schritt aus Fischen entwickelt haben).

Gruß

Sir Atlan

P.S.
Fischarten, die in beiden Gewässern leben wie Lachse oder Aale, können beides. Sie können Wasser aufnehmen und Wasser abgeben. Sie benutzten dazu ihren Harnstoffspiegel. Sind sie im Süßwasser, wird der Harnstoffgehalt verringert. Sind sie im Salzwasser, wird der Harnstoffgehalt gespeichert. (aus 3sat.online)
 
Zuletzt bearbeitet:

Mahananda

Registriertes Mitglied
Hallo Sir Atlan,

ich habe hier gelesen, dass bei Salzwasserfischen über die Nieren ebenfalls überschüssiger Stickstoff ausgeschieden wird. Somit sehe ich aus physiologischer Sicht hier kein Problem, die ursprünglich dominierende Kiemenfunktion über eine verstärkte Nierenfunktion zu kompensieren. Harnstoff ist zwar nur unter ATP-Verbrauch zu synthetisieren, aber davon ist ja mit größerer Sauerstoffzufuhr auch genügend vorhanden. Und was das Wasser betrifft - das meiste wird rückresorbiert, so dass sich die Wasserverluste in Grenzen halten. Nachschub erfolgt größtenteils über die Nahrung.

Viele Grüße!

P.S.: @ FS: Der Artikel benennt jedoch auch die Zweifel, die an der Interpretation der Befunde bestehen. Immerhin besteht ein weiterer Ansatzpunkt, die präkambrische Fauna zu rekonstruieren. Danke für den Link!
 
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