Die Widerlegung des Doomsday-Arguments

TomS

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@Aries und Tom,

offensichtlich wollt Ihr auch Szenarien betrachten, die sich nicht strikt an physikalische Gesetze halten?
Nein, dem ist nicht so.

Es ist so, dass die Einschränkung auf endliche Population ursprünglich (nicht hier im Forum) gar nicht physikalisch motiviert war, sondern der Not entsprungen ist, da man die Gleichverteilung und die self-sampling assumption mathematisch nicht auf unendliche Mengen anwenden kann.


Es gibt zwei Vorgehensweisen:
1) verwende ein allgemeines mathematisches Modell, das keine Einschränkung bei der Populationsgröße macht; berechne z.B. den Erwartungswert der Populationsgröße und schneide ihn ggf. bei einem endlichen Wert ab, der sich z.B. aus der Restlebensdauer der Sonne ergibt. Dann weißt du, wann spätestens dein Modell versagt.
2) verwende ein spezifisches mathematisches Modell, das die Einschränkung der Populationsgröße bereits in sich trägt; berechne z.B. den Erwartungswert der Populationsgröße und glaube das Ergebnis (was nicht zwingend endlich sein muss – eine Schwäche des Modells).
Im DDA wird die Vorgehensweise (2) gewählt, und es ist leider unbeweisbar, ob die a priori Einschränkung der Populationsgröße bereits das Modell verfälscht oder nicht.

Das (und nur das) ist mein Kritikpunkt.




Der Dissens zwischen TomS und Bynaus, liegt, wenn ich das richtig verstanden habe, im Kern darin ob man mit einem vereinfachten Model, wie dem (aus der mathematischen Not heraus) auf endliche Populationsentwicklung reduzierten DDA, die Realität ausreichend zuverlässig abbilden kann. Keiner von Beiden kann das (wenn ich das richtig verstanden habe) positiv oder negativ beweisen. Auch der Beweis, daß man mit einem Model, welches auch für (mathematisch potentiell) unentlich große Populationen endliche, aber (von mir aus auch krass) abweichende Ergebnisse erhalten könnte, ist noch kein Beweis für seine größere Zuverlässigkeit. Wohl aber wäre das ein ausreichendes Motiv, für weiter gehende Untersuchungen.

Hallo Mac! Danke für die Zusammenfassung, du hast aus meiner Sicht den Kern der Diskussion sehr präzise zusammengefasst.

Vielleicht noch mal zum Hintergrund: Das DDA startet ohne irgendein spezifisches Modell, d.h. mit „maximalem Unwissen“; ich habe das gerne „agnostisch“ genannt. Nun nimmt man die Gleichverteilung des eigenen bzw. eines ausgelosten Geburtsranges innerhalb aller Geburtsränge an, d.h. auch hier wiederum „maximales Unwissen“. Und jetzt steht man vor einem Problem: die Gleichverteilung ist für unendliche Populationen mathematisch nicht definierbar! Man muss also zwischen zwei Übeln wählen:
1) Ausschließen der unendlichen Population, obwohl Populationen mathematisch gesehen unendlich wachsen können; dafür aber Retten des „maximalen Unwissens“.
2) Zulassen der unendliche Population, weil (!) Populationen mathematisch gesehen unendlich wachsen können; dafür aber Ausschließen der Gleichverteilung, was bedeutet „irgendeine andere Verteilung“ – welche ist egal – d.h. aber mit dieser Verteilung Opfern des Prinzips des „maximalen Unwissens“.
Beides ist unschön und erfordert jeweils eine ad hoc Annahme.

Ich behaupte nun nicht, dass (1) und damit das DDA falsch, und statt dessen (2) richtig ist; ich behaupte lediglich, dass weil (2) überhaupt als mathematische Option existiert, und weil ich ein konkretes Beispiel angeben kann, (2) richtig und (1) falsch sein könnte (könnte!)

Wobei falsch hier irreführend ist, denn es um die Anwendbarkeit von Prämissen, nicht um die logische Wahrheit von Theoremen.

Das Problem mit der physikalischen Argumentation ist nun, dass man wegen des a priori Ausschließens der Option (2) evtl. sinnvolle Modelle ausschließt, die aus (2) folgen, die aber evtl. physikalisch akzeptable Aussagen liefern. Z.B. liefert mein Beispiel (Poissonprozess) sicher physikalisch akzeptablen Aussagen, aber er wird zusammen mit dem Ausschließen von (2) ebenfalls ausgeschlossen, d.h. gar nicht betrachtet.
 

ralfkannenberg

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Hallo zusammen,

vielleicht noch eine blöde Frage von mir: warum betrachtet Ihr nicht einfach beide Varianten, d.h. eine, die nur den endlichen Fall mit seiner Gleichverteilung berückichtigt und einen zweiten, der auch einen unendlichen Fall zulässt und entsprechend mit einer verallgemeinerten Verteilung als der Gleichverteilung durchgeführt wird.

Dann hätte man eben zwei DA: ein DA1 (endlich, Gleichverteilung) und ein DA2 (unendlich, z.B. Poisson-Verteilung).

Und dann kann man noch die Spezialisten auf diese beiden DA1 und DA2 "hetzen", damit sie dann zeigen können, unter welchen Umständen das DA2 eine "Fortsetzung" (was auch immer das jetzt konkret sein soll) vom DA1 ist.

Das wäre doch der sauberste Anssatz anstatt sich herumzustreiten, ob der allgemeine Fall oder der physikalisch relevante Fall betrachtet werden müsse.


Freundliche Grüsse, Ralf
 

ralfkannenberg

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und das DA für endliche Populationen offensichtlich problemlos funktioniert.
Hallo Bynaus,

das habe ich so aber nicht verstanden. Mathematisch ist es hieb- und stichfest, und die unendliche Variante wirst Du mathematisch auch hieb- und stichfest hinkriegen.

Aber der "agnostische" Ansatz, einfach nichts weiter wissen zu wollen, erscheint mir zu bequem, um wirklich sinnvolle Aussagen bzw. Prognosen mithilfe des DA (egal ob endlich oder unendlich) gewinnen zu können.

Oder wie ich schon erwähnt habe: es ist m.E. absurd, fast alle heute noch lebenden Tierarten als "nicht-typisch" zu bezeichnen, und die Tierarten, die bereits ausgestorben sind, als "typisch".


Freundliche Grüsse, Ralf
 

spacewalk1

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Aber der "agnostische" Ansatz, einfach nichts weiter wissen zu wollen, erscheint mir zu bequem, um wirklich sinnvolle Aussagen bzw. Prognosen mithilfe des DA (egal ob endlich oder unendlich) gewinnen zu können.

Das habe ich jetzt nicht richtig verstanden.
Die Anwendung des DA bietet doch bereits sinnvolle Aussagen und Prognosen.

Formulierung des Arguments nach Richard Gott:
Wenn wir annehmen, dass bis jetzt 60 Milliarden Menschen geboren wurden, dann können wir mit 95 % Wahrscheinlichkeit sagen, dass die
Gesamtzahl N aller Menschen, die jemals geboren werden, unterhalb von 20·60 = 1200 (Milliarden) liegt.

Prognose:
Mit 95 % Wahrscheinlichkeit überdauert die Menschheit nicht mehr als weitere 9120 Jahre.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Doomsday-Argument


Diese Aussagen und Prognosen sind eine gute Ausgangslage und konnten bisher nicht wiederlegt werden.
 

Aries

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Prognose:
Mit 95 % Wahrscheinlichkeit überdauert die Menschheit nicht mehr als weitere 9120 Jahre.
Da fällt mir ein weiteres Argument gegen das DDA ein:

Aus der vom DDA prognostizierten Zahl an zukünftigen Menschen ergibt sich je nach Relation zu den aktuellen Geburtenzahlen eine unterschiedliche zu erwartende zukünftige Lebenszeit der Menschheit. Manche Faktoren, die zum Aussterben der Menschheit führen können, sind aber unabhängig von den aktuellen und insgesamten menschlichen Geburtenzahlen. Ob die Erde z. B. von einem Gammastrahlenblitz getroffen wird oder nicht, ist davon unabhängig.

Manchen Faktoren würde man gerechter werden, wenn man beim DDA anstatt nach der Individuenzahl, die die Menschheit hervorgebracht hat, nach der Zeit, die sie gelebt hat, gehen würde. Anderen Faktoren wird man andersrum gerechter. Welches Verhältnis am besten ist, kann man nicht mit reiner Mathematik herausfinden.
 
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Lina-Inverse

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Diese Aussagen und Prognosen sind eine gute Ausgangslage und konnten bisher nicht wiederlegt werden.
Darauf würde ich nicht wetten.

Ich kehre nochmals zur Referenzklasse zurück, nachdem ich Bynaus Antwort zu meiner Auslegung der Referenzklasse verarbeitet habe ist mir jeztzt klar was mich an seiner Definition stört (und ich hoffe das ich zeigen kann das die Problematik möglicherweise alle Referenzklassen betrifft).

Ich versuche Bynaus typischen Beobachter deshalb formal zu beschreiben, dazu wähle ich der Einfachheit halber den durchschnittlichen IQ als Kriterium. Trage ich das als Graph auf, Y-Achse IQ, X-Achse Geburtsrang, sieht das in etwa so aus:
Code:
   ^
   |
   |
   |                    +
 I |                   /
 Q |          +-------+
   |         /
   |        /
   |  +----+
   | /
   |/
   +------------------------------------------->
             Geburtsrang
Nun zur Referenzklasse Beobachter: Ich setze willkürlich fest, das die ersten menschlichen Geburtsränge einen IQ von 75 aufwiesen (der genaue Zahlenwert ist ohnehin unwichtig). Die Referenzklasse hat also die untere Grenze IQ >= 75. Die gestern definierte Referenzklasse verstehe ich so, das jeder intelligentere Beobachter in die Referenzklasse fällt. Das heisst keine Obergrenze, oder formal: Obergrenze unendlich (!).

Ich markiere die von der Referenzklasse sicher abgedeckte Fläche im Graph mit #, die potentiell abgedeckte Fläche mit ., X sei das Sample und U der Punkt an dem die Untergrenze überschritten wird:
Code:
   ^         ^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^
   |         ############..........>
   |         ############..........>
   |         ###########X..........>
 I |         ##########/#..........>
 Q |         #+-------+##..........>
   |         U###########..........>
   |        /
   |  +----+
   | /
   |/
   +------------------------------------------->
             Geburtsrang
Da die Referenzklasse nach oben offen ist, setzen sich beide Flächen nach Y bis ins quasi-unendliche fort (durch ^ angedeutet), die potentiell erfasste Fläche auch nach rechts bis zum zwar unbekannten, aber als endlich angenommenen Geburtsrang fort(durch > angedeutet). Ich schreibe quasi-unendlich, weil der IQ durch die erreichbare Energiemenge begrenzt ist (Postulat), die Referenzklasse aber echt-unendlich als Obergrenze definiert.

Daraus ist sofort und klar ersichtlich das die sicher überspannte Fläche # unter dem Sample kleiner ist als die Fläche # über dem Sample. Aus dieser Asymetrie kann ich ableiten das sich das Sample X an einer atypischen Position befindet. Die Referenzklasse ist deshalb invalid.

Forderung: Valide Referenzklassen müssen für das Masskriterium sowohl Ober- und Untergrenze definieren. Beide Grenzen müssen vom Sample gleich weit entfernt sein, sonst wäre das Sample atypisch für die Klasse.

Die Diskussion stützte sich bisher immer auf umgangssprachlich definierte Referenzklassen. Das war nachlässig. Es ist vor allem deswegen fatal, weil daraus nicht sofort klar erkennbar ist, wie die definierte Referenzklasse nach unten und oben beschränkt ist.

Gruss
Michael

@Bynaus: Ich finde es schade das du die Nase voll hast, aber ich verstehe es auch. Manchmal muss man einfach Abstand gewinnen.
 

Aries

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Forderung: Valide Referenzklassen müssen für das Masskriterium sowohl Ober- und Untergrenze definieren. Beide Grenzen müssen vom Sample gleich weit entfernt sein, sonst wäre das Sample atypisch für die Klasse.
Wobei man auf die Natur des Wachstums des Kriteriums achten muss. Da der IQ vermutlich exponenziell wächst, sollte es in diesem Falle um einen gleichen Quotienten aus Samplewert und Untergrenze und aus Obergrenze und Samplewert gehen, anstatt um eine gleiche Differenz. Wenn das Sample einen IQ von 100 hätte und die Untergrenze 75 betragen würde, dann sollte die Obergrenze 133 betragen.
 
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spacewalk1

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Ich versuche Bynaus typischen Beobachter deshalb formal zu beschreiben, dazu wähle ich der Einfachheit halber den durchschnittlichen IQ als Kriterium.

Nun zur Referenzklasse Beobachter: Ich setze willkürlich fest, das die ersten menschlichen Geburtsränge einen IQ von 75 aufwiesen (der genaue Zahlenwert ist ohnehin unwichtig). Die Referenzklasse hat also die untere Grenze IQ >= 75. Die gestern definierte Referenzklasse verstehe ich so, das jeder intelligentere Beobachter in die Referenzklasse fällt. Das heisst keine Obergrenze, oder formal: Obergrenze unendlich (!).

Die Diskussion stützte sich bisher immer auf umgangssprachlich definierte Referenzklassen. Das war nachlässig. Es ist vor allem deswegen fatal, weil daraus nicht sofort klar erkennbar ist, wie die definierte Referenzklasse nach unten und oben beschränkt ist.

Das DDA macht keine Aussagen über den durchschnittlichen IQ-Wert eines Beobachters:

“Observers should reason as if they were a random sample from the set of all observers in their reference class.”
“Beobachter sollen so schlussfolgern, als wären sie eine zufällige Stichprobe aus ihrer Referenzklasse.”
 

Lina-Inverse

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Aries, das ist nur ein (IMO unwichtiges) Detail. Die für mich entscheidende Konsequenz aus der Forderung das eine valide Referenzklasse Ober- und Untergrenze so definiern muss das das Sample an einer typischen Position liegt ist weitreichender.

Es existieren nun nämlich drei distinkte Fälle wie der Graph sich in Zukunft entwickeln kann:
1.) Graph verlässt Referenzklasse nach oben, das entspricht einer Weiterentwicklung
2.) Graph bleibt in der Referenzklasse, da Geburtsränge endlich sind entspricht das dem Aussterben
3.) Graph verlässt Referenzklasse nach unten, das entspricht einer Rückbildung

Aus dem DDA folgt aber nur eine Vorhersage in welchem Intervall einer der drei Fälle eintritt. Es sagt nicht welcher und es kann auch keinem der drei Fälle eine ausgezeichnete Wahrscheinlichkeit zuordnen. Agnostisch müsste man also jedem der drei Fälle eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 1/3 zuordnen. Die Interpretation des DDA als Aussterben ist dann kein starkes Argument mehr, da dieser Fall nur noch eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 1/3 * 0.95 besitzt (Fallwahrscheinlichkeit * DDA-Wahrscheinlichkeit).

So interpretiere ich das jedenfalls :)

Gruss
Michael
 

Lina-Inverse

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“Beobachter sollen so schlussfolgern, als wären sie eine zufällige Stichprobe aus ihrer Referenzklasse.”
Doch die SSA (die ist es die dem Zitat zugrunde liegt, nicht das DA) beruht auf dem kopernikanischen Prinzip. Deshalb gilt zufällig = typisch. Wenn das nicht gelten würde, kannst du das Sample nicht als typisch betrachten.

Gruss
Michael

PS: Und ich Dubbel wollte schon typisch eliminieren. Entschuldige @Ralf
 
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TomS

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Mathematisch ist es hieb- und stichfest, und die unendliche Variante wirst Du mathematisch auch hieb- und stichfest hinkriegen.
leider nein; es wird nie die unendliche Variante geben, sondern nur eine ganze Klasse von Varianten; und jede davon wird eine spezifische Verteilung verwenden

Aber der "agnostische" Ansatz, einfach nichts weiter wissen zu wollen, erscheint mir zu bequem, um wirklich sinnvolle Aussagen bzw. Prognosen mithilfe des DA (egal ob endlich oder unendlich) gewinnen zu können.
sehe ich nicht so; es ist nur der Versuch, mit minimalem Input maximalen Output zu erzielen; wenn du bessere Modelle hast, wirst du aber natürlich genau die verwenden

es ist m.E. absurd, fast alle heute noch lebenden Tierarten als "nicht-typisch" zu bezeichnen, und die Tierarten, die bereits ausgestorben sind, als "typisch".
ja, das ist ein bekanntes Gegenargument
 
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TomS

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vielleicht noch eine blöde Frage von mir: warum betrachtet Ihr nicht einfach beide Varianten, d.h. eine, die nur den endlichen Fall mit seiner Gleichverteilung berückichtigt und einen zweiten, der auch einen unendlichen Fall zulässt und entsprechend mit einer verallgemeinerten Verteilung als der Gleichverteilung durchgeführt wird.
sicher keine blöde Frage; es gibt nicht eine verallgemeinerte Verteilung, sondern nur eine Klasse zulässiger, jeweils spezifischer Verteilungen, wobei jede für sich das kopernikanische Prinzip verletzt

Das wäre doch der sauberste Anssatz anstatt sich herumzustreiten, ob der allgemeine Fall oder der physikalisch relevante Fall betrachtet werden müsse.
wie gesagt, es gibt nicht den einen Fall; ich wollte nicht sagen, dass es genau eine sinnvolle Alternative zur Gleichverteilung gibt, sondern nur, dass es mit dem Fallenlassen der endlichen Population eine Klasse sinnvoller Verteilungen geben kann

Leider kenne ich kein logisches Argument für eine bestimmte Verteilung, und Experimente sind auch nicht bekannt ;-)
 
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Aries

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Das DDA macht keine Aussagen über den durchschnittlichen IQ-Wert eines Beobachters:

“Observers should reason as if they were a random sample from the set of all observers in their reference class.”
“Beobachter sollen so schlussfolgern, als wären sie eine zufällige Stichprobe aus ihrer Referenzklasse.”
Die Referenzklasse muss aber erst einmal genau definiert werden. Wenn das Sample typisch für die Referenzklasse sein soll, muss die Referenzklasse nach einem oder mehreren Werten des Samples definiert sein mit einer größeren oder kleineren Toleranz. Als Wert den IQ herzunehmen, ist ja nur ein Beispiel.

Aries, das ist nur ein (IMO unwichtiges) Detail. Die für mich entscheidende Konsequenz aus der Forderung das eine valide Referenzklasse Ober- und Untergrenze so definiern muss das das Sample an einer typischen Position liegt ist weitreichender.

Es existieren nun nämlich drei distinkte Fälle wie der Graph sich in Zukunft entwickeln kann:
1.) Graph verlässt Referenzklasse nach oben, das entspricht einer Weiterentwicklung
2.) Graph bleibt in der Referenzklasse, da Geburtsränge endlich sind entspricht das dem Aussterben
3.) Graph verlässt Referenzklasse nach unten, das entspricht einer Rückbildung

Aus dem DDA folgt aber nur eine Vorhersage in welchem Intervall einer der drei Fälle eintritt. Es sagt nicht welcher und es kann auch keinem der drei Fälle eine ausgezeichnete Wahrscheinlichkeit zuordnen. Agnostisch müsste man also jedem der drei Fälle eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 1/3 zuordnen. Die Interpretation des DDA als Aussterben ist dann kein starkes Argument mehr, da dieser Fall nur noch eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 1/3 * 0.95 besitzt (Fallwahrscheinlichkeit * DDA-Wahrscheinlichkeit).

So interpretiere ich das jedenfalls :)
Ich stimme Dir da zu. Das DDA kann demnach kein starkes Argument für das Aussterben sein. Möglich wäre auch, dass der Graph die Referenzklasse nach oben und unten verlässt, oder später noch einmal zurückkehrt. Ich glaube, man kann überhaupt nicht abschätzen, was der Graph außerhalb der Referenzklasse macht, und dementsprechend so auch überhaupt keine Wahrscheinlichkeitsaussage über das Aussterben erzielen.
 
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Kibo

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Liegen wir mit unserer SSA richtig, liegt das x auch relativ mittig. Etwas anderes anzunehmen wäre doch schon sehr optimistisch.
Davon auszugehen, dass der IQ exponentiell steigen wird, widerspricht den Beobachtungen. Momentan sinkt der durchschnittliche IQ seit einigen Jahren (LINK) und das ist auch ganz normal so, denn aufgrund der Erleichterungen der Zivilisation muss man ja nicht mehr sonderlich schlau sein um zu überleben.

Michael, wenn dir das x bei 95% nicht mittig genug ist, dann nimm halt 50%, oder wie es dir am liebsten ist.

mfg
 

TomS

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Die Referenzklasse muss aber erst einmal genau definiert werden.
bzgl. der Referenzklassen gibt es zwei Probleme

1) die Frage ob "Menschen", "Intelligente Wesen", "Säugetiere", ... ist ziemlich irrelevant; es wird unterschiedliche Vorhersagen bzgl. Populationsgröße im Detail geben, aber das ist das Grundproblem jeder Statistik und kein ernsthaftes Gegenargument

2) viel grundlegender ist die Frage, ob die Referenzklassen "alle jemals - auch zukünftig geborene - Menschen" zulässig ist; bei allen mir bekannten Anwendungen (Theater, German Tanks, ...) handelt es sich immer um eine zum Zeitpunkt der Anwendung feste Referenzklassen; im Falle der German Tanks wird auf Basis einer Stichprobe heute existierender Seriennummern auf die Gesamtheit heute existierender Panzer geschlossen (die Methode hat im zweiten Weltkrieg tatsächlich funktioniert); im Falle des DDA wird aber die Referenzklassen zwar als "alle jemals - auch zukünftig geborene - Menschen" festgelegt, aber man weiß sicher, dass der eigene Geburtsrang nur aus der Klasse "aller bisher geborener Menschen" stammt; diese Tatsache wird ignoriert, bzw. ich habe noch kein mathematisches Argument für eine Rechfertigung dieser Extrapolation gefunden

diese Methode hätte im zweiten Weltkrieg nicht funktioniert (sie liefert eine sinnvolle Abschätzung nur für die bis zum Ende des Krieges produzierten Panzer, nicht für alle Panzer einschließlich der heutigen sowie der zukünftigen Produktion)
 

spacewalk1

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2) viel grundlegender ist die Frage, ob die Referenzklassen "alle jemals - auch zukünftig geborene - Menschen" zulässig ist; bei allen mir bekannten Anwendungen (Theater, German Tanks, ...) handelt es sich immer um eine zum Zeitpunkt der Anwendung feste Referenzklassen; im Falle der German Tanks wird auf Basis einer Stichprobe heute existierender Seriennummern auf die Gesamtheit heute existierender Panzer geschlossen (die Methode hat im zweiten Weltkrieg tatsächlich funktioniert); im Falle des DDA wird aber die Referenzklassen zwar als "alle jemals - auch zukünftig geborene - Menschen" festgelegt, aber man weiß sicher, dass der eigene Geburtsrang nur aus der Klasse "aller bisher geborener Menschen" stammt; diese Tatsache wird ignoriert, bzw. ich habe noch kein mathematisches Argument für eine Rechfertigung dieser Extrapolation gefunden

Sind die Resultate und Prognosen glaubwürdig, so besteht die Wahrscheinlichkeit, dass auch die Referenzklasse nicht unzulässig ist.
 

ralfkannenberg

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leider nein; es wird nie die unendliche Variante geben, sondern nur eine ganze Klasse von Varianten; und jede davon wird eine spezifische Verteilung verwenden
Hallo Tom,

entschuldige, ich habe mich hier anschaulich und entsprechend ungenau ausgedrückt. Selbstverständlich gibt es nicht "die" unendliche Variante; ich hatte gehofft, das wäre durch meine Wortwahl "z.B." vor der vorgeschlagenen Poisson-Verteilung genügend deutlich gewesen. Ich wollte auf etwas anderes hinaus: man wird im unendlichen Fall eine Verteilung "bauen" können, die ebenfalls grössenordnungsmässig Resultate wie das endliche DA liefert und damit die Diskussion um die beiden Varianten dann ad acta legen können.

Selbstverständlich wird man dann noch etwas Arbeit leisten müssen, wie die beiden DA1 und DA2 sich im endlichen Bereich verhalten, da die beiden, wenn man für den unendlichen Fall eine unendlich glatte (d.h. beliebig oft differenzierbare) Verteilung verwenden möchte - vor allem in der Nähe von 0 - Abweichungen haben werden.

Ich bitte um Nachsicht, dass ich kein Spezialist bei wahrscheinlichkeitstheoretischen und statistischen Fragestellugen bin und mich entsprechend allgemein halte.

Und ja, natürlich - wenn man "will", kann man natürlich auch Verteilungen für die unendliche Variante bauen, die auch völlig andere Ergebnisse als der endliche Fall liefern: hierfür muss man nur den Bereich der jetzigen kosmologischen Ära geringfügig über 0 setzen und dann in ferner ferner Zukunft den relevanten Teil der Verteilung hinlegen, oder noch absurder zwischen 0 und epsilon den Löwenanteil und den Rest nahe bei 0.


sehe ich nicht so; es ist nur der Versuch, mit minimalem Input maximalen Output zu erzielen; wenn du bessere Modelle hast, wirst du aber natürlich genau die verwenden
Das ist richtig, es ist aber bitte zu beachten, dass es sich wie Du schreibst um einen "Versuch" handelt und zweitens das "maximal" nicht mit "gut genug" verwechselt werden sollte.


Freundliche Grüsse, Ralf
 
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Aries

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Davon auszugehen, dass der IQ exponentiell steigen wird, widerspricht den Beobachtungen. Momentan sinkt der durchschnittliche IQ seit einigen Jahren (LINK) und das ist auch ganz normal so, denn aufgrund der Erleichterungen der Zivilisation muss man ja nicht mehr sonderlich schlau sein um zu überleben.
Unabhängig von der Frage Wachstum oder Abfall, wird man es hier aber wohl auf jeden Fall mit einem exponentiellen Prozess und einer Exponentialverteilung zu tun haben.

bzgl. der Referenzklassen gibt es zwei Probleme

1) die Frage ob "Menschen", "Intelligente Wesen", "Säugetiere", ... ist ziemlich irrelevant; es wird unterschiedliche Vorhersagen bzgl. Populationsgröße im Detail geben, aber das ist das Grundproblem jeder Statistik und kein ernsthaftes Gegenargument
Ein Problem sind die Abgrenzungen dieser Referenzklassen. Wenn beispielsweise "Intelligente Wesen" als Wesen mit einem IQ von mindestens 50 definiert sind, dann ist klar, dass der heutige Mensch nicht typisch für die Menge aller theoretisch möglichen Intelligenten Wesen ist. Dafür wäre ein Wesen mit einem IQ von (50+∞)/2 = ∞ typisch. Die Referenzklasse so zu definieren, mit einem Mensch als Sample, wäre meines Erachtens auf jeden Fall ungültig.

TomS schrieb:
2) viel grundlegender ist die Frage, ob die Referenzklassen "alle jemals - auch zukünftig geborene - Menschen" zulässig ist; bei allen mir bekannten Anwendungen (Theater, German Tanks, ...) handelt es sich immer um eine zum Zeitpunkt der Anwendung feste Referenzklassen; im Falle der German Tanks wird auf Basis einer Stichprobe heute existierender Seriennummern auf die Gesamtheit heute existierender Panzer geschlossen (die Methode hat im zweiten Weltkrieg tatsächlich funktioniert); im Falle des DDA wird aber die Referenzklassen zwar als "alle jemals - auch zukünftig geborene - Menschen" festgelegt, aber man weiß sicher, dass der eigene Geburtsrang nur aus der Klasse "aller bisher geborener Menschen" stammt; diese Tatsache wird ignoriert, bzw. ich habe noch kein mathematisches Argument für eine Rechfertigung dieser Extrapolation gefunden
Erstens haben wir hier wieder das Problem mit der Unendlichkeit.

Zweitens läuft man natürlich bei jedem Kriterium (in diesem Fall dem Entstehungszeitpunkt), welches man bei der Definition der Referenzklasse ignoriert, Gefahr, dass es doch relevant ist. Siehe auch Beitrag 126.

Drittens könnte man die Forderung aufstellen, dass eine Referenzklasse so zu definieren ist, dass das Sample typisch für alle bisher tatsächlich zur Referenzklasse gehörenden Objekte ist, anstatt für alle theoretisch möglichen zur Referenzklasse gehörenden Objekte. Was vorzuziehen ist, weiß ich jetzt auch nicht.

All das untergräbt bei mir jedenfalls den letzten Funken Restglaube, dass das DDA doch etwas bringen könnte.
 
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