Was Sternbedeckungen über Staub auf dem Mond verraten
Redaktion
/ Pressemitteilung des Instituts für Weltraumforschung der ÖAW astronews.com
5. Mai 2025
Vieles in der Raumfahrt scheint inzwischen Routine zu sein,
doch eine Landung auf dem Mond stellt noch immer eine besondere Herausforderung
dar: So scheiterten in den letzten fünf Jahren mehr als die Hälfte aller
Landemissionen auf dem Erdtrabanten. Nun haben zwei Forscher eine mögliche
Ursache entdeckt: von Meteoriteneinschlägen aufgewirbelter Staub.

Auch mehr als ein halbes Jahrhundert nach
der ersten Mondlandung scheitern noch immer viele
Landeversuche auf dem Erdtrabanten. Ist vielleicht Staub
Schuld?
Foto: ESA / NASA / Alexander Gerst [Großansicht] |
Mondmissionen und vor allem die Mondlandung sind eine komplexe und
herausfordernde Aufgabe. Es ist also nicht verwunderlich, dass nicht alle
Versuche erfolgreich sind. Warum es jedoch immer wieder zu Ausfällen kommt, ist
ein bisher nicht vollständig gelöstes Rätsel. In den 1960er und 1970er Jahren
lag die Fehlerquote bei den Mondlandesonden und -fahrzeugen bei 53 Prozent und
auch der technische Fortschritt brachte keine Verbesserung.
In den letzten fünf Jahren, von 2019 bis 2024, gingen elf von 19 Lander- und
Rover-Missionen verloren, das sind 57 Prozent. Darunter waren der israelische
Beresheet-Lander, der indische Vikram-Lander mit dem Pragyan-1-Rover an Bord von
Chandrayaan-2, der japanische Hakuto-R-Lander mit den Rovern SORA-Q und Rashid
(Vereinigte Arabische Emirate), der russische Luna-25-Lander und der
US-amerikanische Peregrine-Lander mit den fünf mexikanischen Colmena-Rovern und
dem Iris-Rover (USA). Bei anderen Missionen kam es zu verschiedenen
Fehlfunktionen. So brach sich beispielsweise der Lander Nova-C Odysseus an Bord
von IM-1 (USA) beim Aufsetzen auf der Mondoberfläche ein Bein, während der
Kontakt zur ausgeworfenen EagleCam verloren ging. Der japanische Lander SLIM
hatte während des Abstiegs Triebwerks- und Kommunikationsprobleme, landete
dadurch nicht korrekt und konnte seine Solarpaneele nicht richtig ausrichten.
Die vielen missglückten Mondmissionen motivierten zwei Forscher des Instituts
für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie (ÖAW), mögliche
physikalische Ursachen zu untersuchen. Sie konzentrierten sich dabei auf
Mondstaubwolken. Diese lassen sich entweder aus der Ferne durch Streuung des
Sonnenlichts oder vor Ort durch Raumsonden detektieren und treten
unterschiedlich lange, in unterschiedlichen Höhen und mit unterschiedlichen
physikalischen Parametern auf. Auf diese aufmerksam wurde das Team, weil sie
Anomalien in sogenannten Okkultationen entdeckten. Als Okkultation - auch
Bedeckung oder Verfinsterung genannt - wird das Vorbeiziehen eines scheinbar
größeren Himmelskörpers vor einem anderen bezeichnet. Das häufigste dieser
Phänomene sind Sternbedeckungen durch den Mond, die (Amateur-)Astronominnen und
-Astronomen beobachten können. Dabei verschwindet der Stern schlagartig hinter
dem Mond und taucht später auf der anderen Seite ebenso plötzlich wieder auf.
Dadurch dass der Mond keine Atmosphäre besitzt, kommt es zu einem abrupten
Lichtabfall bzw. -anstieg des Sterns.
"Bei unseren Untersuchungen konnten wir auch beobachten, wie die Lichtkurve
nicht plötzlich – wie bei dem atmosphärenlosen Mond üblich – sondern allmählich
abfiel und wieder anstieg", so IWF-Forscher Maxim Khodachenko, einer der beiden
Autoren. "Dies könnte auf dichte Staubwolken in niedriger Höhe zurückzuführen
sein." Gemeinsam mit seinem Kollegen O.V. Arkypov untersuchte er den cislunaren,
also zwischen Erde und Mond gelegenen, Staub und analysierte lang andauernde
anomalen Sternbedeckungen durch den Mond, die im Lunar Occultation Archive
gesammelt werden. Diese Open-Source-Datenbank enthält rund 490.000
Aufzeichnungen von Sternbedeckungen, die von bodengestützten Beobachtungen
während der letzten 400 Jahren gemessen wurden. "Unser Ansatz ist derzeit der
einzige, der einen globalen Überblick über die veränderliche Staubumgebung des
Mondes in niedriger Höhe liefert", betont Khodachenko. "Die potenziell
gefährlichen kompakten und dichten Staubwolken können von viel höher fliegenden
Raumsonden oder auch Landerobotern nicht wahrgenommen werden", setzt er fort.
Die statistische Analyse räumlicher und zeitlicher Merkmale der lang
andauernden anomalen Sternbedeckungen ergab, dass die meisten der zugehörigen
verdunkelnden Staubwolken die Form einer ca. ein Kilometer großen
Einschlagswolke hatten. Die Wahrscheinlichkeit anomaler Bedeckungen erreichte
ihren Höhepunkt während des Perseidenschauers im August. "Das bestätigte unseren
Verdacht, dass die meisten Staubwolken durch einen Einschlag verursacht wurden",
so Khodachenko. Die zusätzlich entdeckte halbmonatliche Periodizität deutet
jedoch auf einen ergänzenden Mechanismus der Staubaufwirbelung hin, der mit den
Gezeiteneffekten der Sonne zusammenhängt. Diese können Phänomene wie die
Ausgasung des Mondinneren und/oder das Absacken von Kraterrändern auslösen und
bis zu einem bestimmten Grad für die Staubwolkenbildung in niedriger Höhe
verantwortlich sein.
Grobe Schätzungen der Staubkonzentrationen in den entdeckten kompakten Wolken
in geringer Höhe und deren Abbremsungseffekt für Raumsonden zeigen, dass schon
ein einziger Vorbeiflug an solchen Staubformationen zu einem kritischen
Höhenverlust einer absteigenden Mondlandefähre oder einer niedrig fliegenden
Raumsonde führen kann. Darüber hinaus kann der Durchflug von Raumsonden durch
dichte Staubwolken zu einer Verunreinigung der Instrumente und mechanischen
Systeme an Bord führen, was wiederum Fehlfunktionen zur Folge haben kann. "Wir
hoffen, dass zukünftige Mondmissionen von unseren Analysen profitieren und die
Chancen auf Erfolg erhöhen", schließt Khodachenko. "Aus wissenschaftlicher Sicht
ist das Gelingen jeder Mondmission mehr als wünschenswert, weil der Mond noch
viele Rätsel birgt, deren Lösung uns neue Erkenntnisse über die Entstehung der
Erde bringen würde", fasst IWF-Direktorin Christiane Helling zusammen.
Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher in einem
Fachartikel, der in der Zeitschrift Geophysical Research Letters erschienen
ist.
|