Bessere Modelle für empfindlichere Detektoren
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik astronews.com
7. November 2024
Künftige Detektoren werden immer präzisere Messungen von
Gravitationswellen erlauben. Um daraus aber Rückschlüsse auf physikalische
Phänomene oder eventuelle Abweichungen vom Standardmodell der Physik ziehen zu
können, bedarf es besserer theoretischer Modellierungen. Ein internationales
Forschungsprojekt erhielt dafür nun einen prestigeträchtige Förderung.
Das Projekt "GWSky", das durch einen Synergy
Grant des Europäischen Forschungsrats finanziert
wird, befasst sich mit einer Vielzahl von
Doppelsystemen Schwarzer Löcher in
unterschiedlichen Umgebungen. Dieses Bild zeigt
eine schematische Darstellung dieser Systeme und
der Gravitationswellen-Signale, die diese
abstrahlen.
Bild:
Ana Carvalho / Max-Planck-Institut für
Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) [Großansicht] |
Bestehende und zukünftige Gravitationswellen-Observatorien werden Signale so
genau beobachten, dass sie darin mögliche Abweichungen von Einsteins
Relativitätstheorie und dem Standardmodell der Teilchenphysik aufspüren können.
Um diese einzigartige Fähigkeit der Messgeräte voll auszuschöpfen, sind
grundlegende Fortschritte in der theoretischen Beschreibung von Schwarzen
Löchern, der von ihnen abgestrahlten Gravitationswellen, ihrer kosmischen
Umgebung und der Physik jenseits des Standardmodells notwendig. Um den
erforderlichen theoretischen Rahmen dafür zu schaffen fördert der Europäische
Forschungsrat das Vorhaben GWSky in den kommenden sechs Jahren mit insgesamt
zwölf Millionen Euro. Der Synergy Grant des Europäischen Forschungsrats umfasst
vier Einrichtungen: das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik
(Albert-Einstein-Institut, AEI) im Potsdam Science Park, das Niels-Bohr-Institut
in Kopenhagen, die SISSA (Scuola Internazionale Superiore di Studi Avanzati) in
Triest und die Universität von Kalifornien in Los Angeles.
Ziel des Projekts "Making Sense of the Unexpected in the Gravitational-Wave
Sky" (GWSky) ist es, die Messungen von Gravitationswellen durch bestehende und
zukünftige Observatorien auf der Erde und im Weltraum als Präzisionslabore für
die Grundlagenphysik, die Kosmologie und die Astrophysik zu nutzen. Dies umfasst
die derzeitigen Instrumente der LIGO-Virgo-KAGRA-Kollaboration ebenso wie die
geplanten Observatorien Cosmic Explorer und das Einstein-Teleskop auf
der Erde und den Weltraumdetektor LISA. Zukünftige Beobachtungen werden es uns
ermöglichen, Signale nachzuweisen, die hundertmal schwächer sind als die derzeit
messbaren. Das wird unweigerlich zur Entdeckung von Anomalien und Abweichungen
von heutigen Vorhersagen führen. "Selbst winzige Abweichungen von der
allgemeinen Relativitätstheorie hätten tiefgreifende Auswirkungen auf unser
Verständnis der Physik. Um solche Abweichungen zu belegen, müssen jedoch
zunächst die Beiträge der astrophysikalischen Umgebung, instrumentelle Artefakte
und systematische Unsicherheiten bei der Modellierung herausgefiltert werden",
sagt Alessandra Buonanno, Direktorin am AEI und eine der vier
Hauptverantwortlichen des Projekts.
Um das volle Potenzial zukünftiger Beobachtungen auszuschöpfen, wird das
Projekt GWSky auf den aktuellsten Fortschritten und dem weltweit führenden
Fachwissen der leitenden Forschenden und ihrer Teams aufbauen. Mit diesem
Know-how in den Bereichen Astrophysik, Modellierung der Quellen, Teilchenphysik
und allgemeine Relativitätstheorie wollen die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler einen bahnbrechenden methodischen Rahmen entwickeln. Damit
werden sie Einsteins komplexe Gleichungen lösen, Gravitationswellen mit
beispielloser Genauigkeit vorhersagen und aus diesen Ergebnisse praktische
Werkzeuge zur Interpretation der Daten erstellen. "Das Projekt GWSky wird
bedeutenden Einfluss auf die Gravitationswellen-Forschung haben. Es wird uns
ermöglichen, die Eigenschaften der Quellen von Gravitationswellen mit einer
Genauigkeit zu bestimmen, die nur durch Messunsicherheiten begrenzt ist, und
möglicherweise neue und unerwartete Phänomene in unserem Universum zu
entdecken", erläutert Buonanno.
Der Europäische Forschungsrat vergibt "Synergy Grants" für wissenschaftlich
exzellente Forschungsprojekte in einem aufwändigen und kompetitiven
Auswahlverfahren. Die Förderung läuft über sechs Jahre und ist in der Regel mit
maximal zehn Millionen Euro dotiert. Zusätzliche Mittel können für
projektrelevante Großgeräte beantragt werden. Gefördert werden Projekte, in
denen zwei bis vier hauptverantwortliche Forschende zusammenarbeiten. In der
aktuellen Auswahlrunde fördert der Europäischen Forschungsrat von 548
eingereichten Forschungsanträgen aus allen Wissenschaftsbereichen 57 Projekte.
Dies entspricht einer Erfolgsquote von 10,4 Prozent. Das Projekt GWSky wird mit
insgesamt 11,98 Millionen Euro gefördert, davon gehen 3,27 Millionen Euro an die
Abteilung "Astrophysikalische und Kosmologische Relativitätstheorie" am
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik im Potsdam Science Park.
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