Mit Frontier die Jets aktiver Galaxienkerne erforschen
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Hamburg astronews.com
4. Januar 2023
Ein internationales Team mit Hamburger Beteiligung hat sich
im Rahmen des INCITE-Programms des US-Energieministeriums erfolgreich für
Rechenzeit auf Frontier beworben, dem derzeit schnellsten Supercomputer
der Welt. Die Forschenden von der Hamburger Sternwarte wollen Plasma-Jets von
aktiven Galaxienkernen simulieren, um mehr über deren Entwicklung zu erfahren.
Illustration von Jets, die aus der Nähe
eines supermassereichen Schwarzen Lochs ausgehen.
Bild: Dr. Deovrat Prasad, Cardiff
University [Großansicht] |
Jedes Jahr vergibt das US-Energieministerium Rechenzeit auf leistungsstarken
Supercomputern, um Fortschritte in Wissenschaft und Technik zu unterstützen. Im
vergangenen Jahr konnten sich 56 innovative computergestützte
Wissenschaftsprojekte aus aller Welt über einen INCITE-Award freuen. Das
Besondere an der im Dezember 2022 veröffentlichten Vergabe war die erstmalige
Zuteilung von Rechenzeit auf Frontier, dem derzeit schnellsten
Supercomputer der Welt, der sich in Oak Ridge im US-Bundesstaat Tennessee
befindet und zehnmal schneller als die bisherigen Flaggschiffsysteme ist.
Frontier ist nicht nur der schnellste, sondern auch einer der
energieeffizientesten Supercomputer der Welt und verfügt über eine Leistung von
1,1 ExaFLOPS (1,1 mal 1018 FLOPS). Aktuelle Hauptprozessoren für
handelsübliche Desktop-Computer schaffen zum Vergleich 200 bis 400 GigaFLOPS
(400 mal 109 FLOPS). Mit FLOPS (Floating Point Operations Per Second)
wird die Leistungsfähigkeit von Computern angegeben und die Anzahl der
sogenannten Gleitkommazahl-Operationen (Additionen oder Multiplikationen) pro
Sekunde beziffert.
Die Forschenden der Hamburger Sternwarte wollen mithilfe von Frontier
verstehen, wie sich Galaxien entwickeln und selbst regulieren. Dazu wird das
Team die Rückkopplung von Supernovae und Jets von supermassereichen Schwarzen
Löchern auf das die Galaxien umgebende diffuse Plasma und umgekehrt simulieren
und sich dabei insbesondere auf die massereichsten Galaxien im Universum
konzentrieren. Dazu müssen verschiedenste Skalen in der Simulation gleichzeitig
aufgelöst sein, was bislang so nicht möglich war.
Das Team wird zum ersten Mal die Möglichkeiten von Frontier voll
ausschöpfen, um diese Selbstregulierung massereicher Galaxien in Gruppen und
Haufen mit bislang unerreichtem Detailgrad zu untersuchen. "Unsere Simulationen
werden für die Beobachtungen von Galaxien und ihrer Umgebung, dem theoretischen
Verständnis über das Wachstum und die Entwicklung von Galaxienpopulationen im
Laufe der kosmischen Zeit sowie ganz allgemein für die Astrophysikforschung von
enormer Bedeutung sein", sagt Dr. Philipp Grete, Marie-Skłodowska-Curie-Fellow
an der Hamburger Sternwarte in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Marcus Brüggen,
und fährt fort: "Auf den mit Grafikkarten beschleunigten Knoten von Frontier
läuft unser Code ca. 17 mal schneller als beispielsweise auf klassischen Knoten
mit 80 CPU Kernen. Daher entspricht die Rechenzeit, die wir dafür auf Frontier
erhalten haben, etwa der Jahreskapazität des gesamten HLRN Emmy
Supercomputer Systems in Göttingen."
Das INCITE-Programm ist ein gemeinsames Projekt der Argonne Leadership
Computing Facility und der Oak Ridge Leadership Computing Facility
und soll innovative und neuartige wissenschaftliche Projekte durch Zugang zu
leistungsstarken Supercomputern unterstützen. Das stark wettbewerbsorientierte
INCITE-Bewerbungsverfahren steht allen Forschenden und Forschungseinrichtungen
in der Welt offen, die ein rechenintensives Projekt haben. Über einen Zeitraum
von vier Monaten werden die INCITE-Vorschläge von Peer-Review-Gremien bewertet,
die sich aus internationalen Experten zusammensetzen, wobei jedes Gremium eine
andere wissenschaftliche Disziplin vertritt.
Die Vorschläge werden auch auf technischer Ebene von den einzelnen
Rechenzentren auf ihre Rechenleistung und die Skalierbarkeit des Projektcodes
und der Algorithmen geprüft. Der INCITE-Ausschuss trifft seine endgültige
Auswahl auf der Grundlage dieser Empfehlungen. 2022 erhielt der Ausschuss
insgesamt 97 Vorschläge für alle vier vorhandenen Systeme.
|