Test der Raumzeit-Symmetrie mit Rekord-Genauigkeit
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) astronews.com
1. Dezember 2022
Das Ergebnis eines Experiments sollte nicht von seiner
Ausrichtung in der Raumzeit abhängen - diese Raumzeit-Symmetrie ist eine
wesentliche Voraussetzung für die Gültigkeit aktueller theoretischer Modelle.
Bei neuen Tests haben Forschende nun auch bei verdoppelter Genauigkeit keinen
Hinweis auf Symmetriebrüche feststellen können.
Die länglichen Atomorbitale in einem
einzelnen gefangenen Ytterbium-Ion sind in Bezug
auf ein statisches Magnetfeld im Labor
ausgerichtet (rosa Pfeil). Um die
Raum-Zeit-Symmetrie zu untersuchen, wurde die
Energiedifferenz zwischen zwei orthogonalen
Orbitalen gemessen, während sich die Erde dreht
und sich ihre Ausrichtungen im Universum ändern.
Bild: PTB [Großansicht] |
Die theoretische Beschreibung physikalischer Phänomene beruht auf einer
grundlegenden Annahme: dass nämlich das Ergebnis eines Experiments nicht von
seiner Ausrichtung in der Raumzeit abhängt. Einsteins Relativitätstheorie stützt
sich in hohem Maße auf diese Annahme, und experimentelle Tests haben ihre
Gültigkeit bisher bestätigt. Einige Theorien der Quantengravitation deuten
jedoch darauf hin, dass diese Raumzeit-Symmetrie möglicherweise nicht
vollständig gilt und eine kleine Verletzung experimentell beobachtet werden
könnte. Ein Team der Forschungsgruppe "QUEST 2 Quantenuhren und komplexe
Systeme" an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) hat nun mit einem
einzelnen gefangenen Ytterbium-Ion nach einer solchen Verletzung der
Lorentz-Symmetrie gesucht. Das Ergebnis: Trotz doppelt so hoher Genauigkeit wie
beim bislang besten Test fand sich kein signifikanter symmetriebrechender
Effekt.
Bereits vor mehr als einem Jahrhundert haben Michelson und Morley
gezeigt, dass sich Licht mit einer festen Geschwindigkeit ausbreitet, unabhängig
von der Ausbreitungsrichtung. Diese sogenannte Lorentz-Symmetrie wurde später zu
einem grundlegenden Prinzip in Einsteins Relativitätstheorie. Diese Theorie
beschreibt die Schwerkraft erfolgreich auf makroskopischer Ebene, doch es fehlt
eine Erklärung für ihr Verhalten auf quantenmechanischer Ebene. Bei dem Versuch,
eine quantenkonsistente Beschreibung der Schwerkraft zu geben, wurde
vorgeschlagen, dass die Lorentz-Symmetrie nicht für alle Teilchen gilt, d. h.
dass sich Teilchen je nach ihrer Ausbreitungsrichtung mit unterschiedlicher
Geschwindigkeit fortbewegen könnten, obwohl sie die gleiche Energie haben.
Obwohl dieser Effekt am stärksten bei hohen Energien vorhergesagt wurde, kann er
bei Präzisionsexperimenten mit niedriger Energie beobachtet werden – wenn er
denn existiert.
Um die Lorentz-Symmetrie mit noch nie dagewesener Präzision zu untersuchen,
verwendete das PTB-Team ein einzelnes kaltes gefangenes Ytterbium-Ion. Die
Elektronen des Ions bewegen sich in Orbitalen, die sich in Bezug auf ein
statisches Magnetfeld ausrichten, das im Labor in einer festen Richtung angelegt
wird. Ihre absolute Orientierung im Universum ändert sich aber mit der Drehung
der Erde. "Wenn die Lorentz-Symmetrie gebrochen würde und die Geschwindigkeit
des Elektrons von der absoluten Richtung seines Orbitals abhängt, würde der
Energieunterschied zwischen zwei orthogonalen, also rechtwinklig zueinander
angeordneten Orbitalen periodisch mit der Rotationsfrequenz der Erde (23,9345
Stunden) variieren", erläutert Physikerin Laura Dreissen.
Um solche kleinen, durch die Lorentz-Symmetrie verursachten
Energieverschiebungen zu beobachten, müssen die viel größeren, durch
Umgebungsrauschen verursachten Energieverschiebungen unterdrückt werden. In
diesem Experiment wurde eine neuartige Methode angewandt, die den Quantenzustand
des Ions dynamisch so manipuliert, dass es unempfindlich gegenüber Rauschen
wird, während es empfindlich gegenüber Effekten bleibt, die von einer
hypothetischen Lorentz-Verletzung herrühren. Das Ion konnte mehrere Sekunden
lang abgefragt werden, bevor es durch Rauschen beeinflusst wurde. Damit wurde
eine Weltrekord-Empfindlichkeit für einen Lorentz-Symmetriebruch-Effekt
erreicht.
Um nach periodischen Signalen mit der Frequenz der Erdrotation zu suchen,
wurden Daten über einen Zeitraum von mehr als fünf Wochen aufgenommen. In dem
Datensatz wurde keine eindeutige Signatur gefunden, aber eine Verletzung der
Lorentz-Symmetrie konnte mit einer doppelt so hohen Genauigkeit wie beim
vorherigen besten Test ausgeschlossen werden. Für weitere Untersuchungen zur
Gültigkeit der Lorentz-Symmetrie für Elektronen kann in Zukunft eine
empfindlichere Messung durchgeführt werden, indem die Methode auf etwa zehn
gefangene Ionen gleichzeitig angewendet wird. (es/ptb) Die Bildunterschrift in
voller Länge:
Die Ergebnisse des Teams wurden in einem Fachartikel veröffentlicht, der in
der Zeitschrift Nature Communications erschienen ist.
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