Wiedersehen der deutschsprachigen Astronomie in Bremen
von
Stefan Deiters astronews.com
13. September 2022
Die Astronomische Gesellschaft lädt in dieser Woche wieder
zu ihrer traditionellen Herbsttagung ein, und erstmals seit drei Jahren findet
diese wieder in Präsenz statt. Höhepunkt sind wie bei jeder Tagung die
Preisverleihungen am Eröffnungstag. Am Vorabend der Tagung wurde zudem mit der
Caroline-Herschel-Medaille ein neuer Preis verliehen.
Der AG-Präsident Prof. Dr. Michael Kramer mit
Schwarzschild-Preisträger Prof. Dr. Hans-Thomas Janka
(rechts).
Foto: Stefan Deiters [Großansicht] |
Nach zwei Jahren Pause treffen sich die deutschsprachigen Astronominnen und
Astronomen erstmals wieder in Präsenz zur traditionellen Herbsttagung der
Astronomischen Gesellschaft (AG). Das letzte Mal war man 2019 in Stuttgart
zusammengekommen, 2020 und 2021 nur virtuell. Auch die diesjährige Tagung hat
noch eine virtuelle Komponente, so dass auch Interessierte per Zoom an der
Tagung teilnehmen können, die nicht an den Tagungsort, die Hansestadt Bremen,
kommen können. Das Motto der Tagung lautet "Astrophysics from Ground to Space"
und nimmt damit Bezug auf die vielfältigen Forschungs- und
Raumfahrtaktivitäten in der Hansestadt.
Traditionell beginnen die Tagungen der AG mit der Verleihung der höchsten
Auszeichnung, die die Astronomie im deutschsprachigen Raum zu vergeben hat: die
Karl-Schwarzschild-Medaille. Diese ging in diesem Jahr an Prof. Dr. Hans-Thomas
Janka vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching. Ausgezeichnet wurde
er für seine Forschungen zum Kernkollaps-Supernova-Mechanismus, zur explosiven
Nukleosynthese und zur Supernova-Neutrino-Physik.
Mit dem Ludwig-Biermann-Preis zeichnet die AG einen erfolgreichen
Nachwuchswissenschaftler oder eine erfolgreiche Nachwuchswissenschaftlerin aus.
2022 wurde Thomas Siegert mit diesem Preis geehrt. Seine Expertise liegt in der
nuklearen Astrophysik. Er hat Supernovae, Novae und Mikroquasare sowie ihre
Auswirkungen auf das interstellare Medium der Galaxie untersucht. Dr. Tommaso
Grassi vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching und Dr.
Stefano Bovino vom Department of Astronomy, Universidad de Concepción, Chile,
erhielten gemeinsam den Preis für Astrophysikalische Software für das von ihnen
entwickelte Astrochemiepaket KROME. KROME ist ein Open-Source-Code, der
entwickelt wurde, um chemische und thermische Prozesse in numerische
hydrodynamische Simulationen einzubeziehen und die thermische Entwicklung von
Gasen korrekt zu beschreiben.
Die AG verleiht zudem auch einen Promotionspreis, der 2022 an Dr. Arshia
Maria Jacob ging. In ihrer Dissertation behandelte sie grundlegende, seit langem
bekannte, aber bisher noch weitgehend offene Fragen zur Physik und Chemie des
interstellaren Mediums. Dazu sammelte sie Daten von verschiedenen Molekülen und
kombinierte Ergebnisse aus dem Terahertz-Bereich mit langwelligen Radiodaten.
Der Hans-Ludwig-Neumann-Preis, mit dem besondere Leistungen im
Astronomieunterricht in der Schule gewürdigt werden, ging an Manuel Vogel. Er
ist Lehrer für Mathematik und Naturwissenschaften am Gymnasium Spaichingen,
pädagogischer Leiter im Vorstand des Schülerforschungszentrums Südwürttemberg
und betreut als Standortleiter in Tuttlingen Kurse und Projekte für Schülerinnen
und Schüler im Bereich Astronomie.
Neben weiteren Vorträgen im großen Plenum wird auch diese AG-Tagung von
sogenannten Splinter-Treffen bestimmt. Sie bieten den Rahmen für Vorträge zu
spezielleren Themen. Sie sind vielfach auch ein Forum für junge Astronominnen
und Astronomen, die mit ihren Diplom- und Doktorarbeiten zum ersten Mal vor ein
größeres Fachpublikum treten und so Erfahrungen im Präsentieren von
wissenschaftlichen Ergebnissen sammeln können.
Am Vorabend der Tagung wurde zudem erstmals die Caroline-Herschel-Medaille
verliehen. Mit der Medaille soll jedes Jahr die langbestehende wissenschaftliche
Kooperation zwischen Großbritannien und Deutschland gewürdigt und Frauen in der
Astronomie in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt werden. Abwechselnd wird
der Preis, der von der Royal Astronomical Society (RAS) in Zusammenarbeit mit
der Astronomischen Gesellschaft vergeben wird, an eine Wissenschaftlerin aus
Deutschland oder Großbritannien verliehen. Die Medaille ist mit einem Preisgeld
von 10.000 Pfund dotiert, welches zu Ehren von Altkanzlerin Dr. Angela Merkel
von der britischen Regierung gestellt wird.
Erste Preisträgerin war Prof. Dr. Eva Grebel aus Heidelberg, die aber zur
Verleihung am Montagabend nicht erscheinen konnte, da sie sich in
Corona-Quarantäne befindet. Sie war per Zoom zugeschaltet. Auch der eigentlich
erwartete Präsident der Royal Astronomical Society schaffte es nicht nach
Bremen, da er - wie es RAS Executive Director Philip Diamond formulierte - wegen
Problemen mit seinem Reisepass, die mit dem Brexit zu tun haben, nicht einreisen
konnte. Die Preisverleihung war zudem von zahlreichen technischen Problemen
geplagt, so dass hier für künftige Preisverleihungen noch reichlich "Luft nach
oben" sein dürfte.
Eine weitere Tradition von AG-Tagungen ist es - praktisch als Dankeschön an
die gastgebende Stadt - einen öffentlichen Abendvortrag am jeweiligen Tagungsort
zu veranstalten. In diesem Jahr berichtet Mark McCaughrean von der ESA über das
Weltraumteleskop James Webb - vom ersten Blick bis zu neuen Planeten
Der Vortrag findet am Donnerstag, 15. September 2022, um 20.00 Uhr im
Übersee-Museum Bremen, Bahnhofsplatz 13, 28195 Bremen statt. Der Eintritt ist
frei.
Die Astronomische Gesellschaft wurde 1863 in Heidelberg gegründet und war bis
nach dem Ersten Weltkrieg die einzige größere internationale astronomische
Vereinigung. Diese Rolle übernahm später die Internationale Astronomische Union
(IAU). Heute ist die AG ein Zusammenschluss von Astronomen aus den
deutschsprachigen Ländern und setzt sich verstärkt für die Förderung jüngerer
Wissenschaftler, für die Vernetzung von Astronomen, die Ausbildung von Lehrern
und die Öffentlichkeitsarbeit ein.
Von der AG-Tagung berichten astronews.com und andere Teilnehmer auch wieder
bei Twitter. Der Hashtag ist #ag2022bremen. astronews.com kann man bei Twitter
unter @astronews folgen. Die
Astronomische Gesellschaft selbst ist als @GermanAstroSoc bei
Twitter aktiv.
|