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HR 6819
Kein Schwarzes Loch in System HR 6819
von Stefan Deiters
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2. März 2022

Im Mai 2020 berichtete ein Team von Astronominnen und Astronomen, dass sich ihre Beobachtungen des nur 1000 Lichtjahre entfernten Objekts HR 6819 nur durch ein stellares Schwarzes Loch in dem System erklären lassen würden - es wäre das nächstgelegene bekannte Schwarze Loch. Neue Daten zeigen nun: HR 6819 enthält offenbar doch kein Schwarzes Loch.

HR 6819

So wie in dieser künstlerischen Darstellung sollte das System HR 6819 nach den neuen Daten aussehen. Bild: ESO / L. Calçada  [Großansicht]

Das System HR 6819 liegt nur rund 1000 Lichtjahre von der Erde entfernt, was nach den Maßstäben der Astronomie vergleichsweise nahe ist. Das gilt insbesondere für exotische Objekte wie stellare Schwarze Löcher, die sich nur sehr schwer nachweisen lassen - etwas, wenn sie einen nahegelegenen Begleiter "kannibalisieren". Das von dem Begleiter abgezogene Gas heizt sich nämlich vor dem Verschwinden in dem Schwarzen Loch stark auf und sendet eine intensive Strahlung aus, die sich beobachten lässt.

Aufzuspüren sind diese Schwarzen Löcher also nur durch Zufall. Da ist der Fund eines solchen Objekts in relativer Nähe zur Erde schon eine Besonderheit, so dass im Mai 2020 die Ergebnisse eines Forschungsteams zu HR 6819 auch auf großes Interesse stießen: Die Astronominnen und Astronomen um Thomas Rivinius von der ESO hatten Beobachtungen mit dem MPG/ESO-2,2-Meter-Teleskop in La Silla ausgewertet und waren überzeugt, dass es sich bei HR 6819 um ein Dreifachsystem handelt, bei dem zwei Sterne ein stellares Schwarzes Loch umrunden - einer in relativ geringem Abstand, der andere in einem sehr weiten Orbit. "Das System", so Rivinius damals, "enthält das nächstgelegene Schwarze Loch, das uns bekannt ist."

Doch nicht alle glaubten an das Dreifachsystem: Dazu zählte auch Julia Bodensteiner, die damals noch Doktorandin an der KU Leuven in Belgien war. Sie kam nach Auswertung der Daten zu einem anderen Schluss: Es könnte sich auch um ein Paar aus zwei Sternen handeln, wobei einer der beiden Sterne gerade einen großen Teil seiner Hülle an den anderen Stern verloren haben muss.

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"Wir hatten die vorhandenen Daten voll ausgereizt, so dass wir eine andere Beobachtungsstrategie anwenden mussten, um zwischen den zwei von den beiden Teams vorgeschlagenen Szenarien zu entscheiden", erinnert sich Abigail Frost von der KU Leuven, die die jetzt vorgestellte Studie leitete. Um die Frage um das vermeintliche Schwarze Loch in HR 6819 zu klären, arbeiteten beide Teams zusammen und sammelten neue, detailliertere Daten von dem Objekt mit dem Very Large Telescope und dem Very Large Telescope Interferometer der ESO.

Entscheidend war hierbei vor allem die Nutzung des Instruments GRAVITY am Very Large Telescope Interferometer, das mit seiner großen Auflösung entscheidend dazu beitragen sollte, zwischen den beiden diskutierten Szenarien zu unterscheiden. "Wir waren uns einig, dass es in dem System zwei Lichtquellen gibt. Die Frage war also, ob sie einander eng umkreisen, wie im Szenario des abgestreiften Sterns, oder weit voneinander entfernt sind, wie im Szenario des Schwarzen Lochs", so Rivinius. Auch zum Einsatz kam das Instrument Multi Unit Spectroscopic Explorer (MUSE) am Very Large Telescope.

"MUSE bestätigte, dass es keinen hellen Begleiter in einer weiteren Umlaufbahn gab, während die hohe räumliche Auflösung von GRAVITY in der Lage war, zwei helle Quellen aufzulösen, die nur durch ein Drittel der Entfernung zwischen Erde und Sonne getrennt waren", so Frost. So gelangten beide bislang konkurrierenden Teams zu der Schlussfolgerung, dass HR 6819 ein Doppelsternsystem ohne Schwarzes Loch sein muss.

Die Astronominnen und Astronomen glauben aufgrund der Daten, dass sie HR 6819 in einem ganz besonderen Moment der Entwicklung des Doppelsystems erwischt haben, nämlich kurz nachdem einer der Sterne die Atmosphäre von seinem Begleitstern abgesaugt hatte. Dieses Phänomen ist in engen Doppelsternsystemen nicht unüblich. Während der eine Stern Masse verliert, beginnt der andere Stern sich schneller zu drehen. Dass man nun ein System in dieser nur sehr kurzen Entwicklungsphase entdeckt hat, ist ein Glücksfall und könnte dazu beitragen, die Entwicklung solcher engen Doppelsternsysteme besser zu verstehen.

Über die Ergebnisse berichten die beiden Teams in einem Fachartikel, der in der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen ist.

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siehe auch
La Silla: Das nächstgelegene bekannte Schwarzes Loch - 6. Mai 2020
 
Links im WWW
Frost, A. J. et al. (2022): HR 6819 is a binary system with no black hole, A&A, 659, L3
ESO
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