Schwarzes Loch mit geneigter Rotationsachse
Redaktion
/ Pressemitteilung des Leibniz-Instituts für Sonnenphysik astronews.com
25. Februar 2022
Ein internationales Team von Astronominnen und Astronomen
hat herausgefunden, dass die Rotationsachse des Schwarzen Lochs in dem
Doppelsternsystem MAXI J1820+070 um mehr als 40 Grad gegenüber der Achse der
Sternbahn geneigt ist. Dieser Befund war so nicht erwartet worden und könnte die
derzeitigen theoretischen Modelle zur Entstehung Schwarzer Löcher infrage
stellen.
Künstlerische Darstellung des
Röntgendoppelsystems MAXI J1820+070 mit einem
Schwarzen Loch (kleiner schwarzer Punkt im
Zentrum der Gasscheibe) und einem Begleitstern
(rot).
Bild: R. Hynes [Großansicht] |
Das Team konnte zum ersten Mal zuverlässig einen großen Unterschied zwischen
der Rotationsachse des Schwarzen Lochs und der Achse der Umlaufbahn des
Doppelsternsystems messen. Der Unterschied zwischen den Achsen, den die
Forscherinnen und Forscher bei einem Doppelsternsystem namens MAXI J1820+070
gemessen haben, betrug mehr als 40 Grad.
Bei Raumsystemen mit kleineren Objekten, die um einen massereichen
Zentralkörper kreisen, ist die eigene Rotationsachse dieses Körpers oft in hohem
Maße mit der Bahnachse seiner Satelliten ausgerichtet. Dies gilt auch für unser
Sonnensystem: Die Planeten umkreisen die Sonne in einer Ebene, die ungefähr mit
der Äquatorebene der Sonne zusammenfällt. Die Neigung der Rotationsachse der
Sonne gegenüber der Umlaufachse der Erde beträgt nur sieben Grad.
"Die Erwartung, dass die Rotationsachse der Sonne mit der Umlaufachse der
Erde übereinstimmt, gilt weitgehend nicht für bizarre Objekte wie
Röntgendoppelsterne mit Schwarzen Löchern. Die Schwarzen Löcher in diesen
Systemen sind durch einen kosmischen Kataklysmus entstanden - den Kollaps eines
massereichen Sterns. Jetzt sehen wir, wie das Schwarze Loch Materie von dem
nahen, leichteren Begleitstern mitreißt, der das Gravitationszentrum des Systems
umkreist. Wir sehen helle optische und Röntgenstrahlung als letzten Seufzer des
einfallenden Materials und auch Radioemission von den relativistischen Jets, die
aus dem System ausgestoßen werden", sagt Juri Poutanen, Professor für Astronomie
an der Universität Turku (UTU) ín Finnland.
Indem sie diese Jets im Radio- und Röntgenbereich verfolgten, konnten die
Forscherinnen und Forscher die Richtung der Rotationsachse des Schwarzen Lochs
sehr genau bestimmen. Als die Gasmenge, die vom Begleitstern auf das Schwarze
Loch fällt, später abzunehmen begann, wurde das System dunkler, und ein Großteil
des Lichts im System kam vom Begleitstern. Auf diese Weise konnte das Team die
Neigung der Umlaufbahn mit spektroskopischen Techniken messen, die fast mit der
Neigung der Auswürfe übereinstimmte. Die 3D-Orientierung der Umlaufbahn im
Weltraum wurde durch eine kritische Messung des Positionswinkels des Systems am
Himmel (in Bezug auf die Richtung nach Norden) mithilfe der polarimetrischen
Technik bestimmt.
"Die hochpräzisen polarimetrischen Instrumente und Techniken, die am KIS
gemeinsam mit der UTU entwickelt wurden, liefern neue Informationen über die
Geometrie und Physik von Exoplaneten, Asteroiden, interstellaren Magnetfeldern,
Weißen Zwergen und jetzt auch Schwarzen Löchern, da Lichtwellen durch Streuung
und Magnetfelder polarisiert werden. Unser in dieser Studie verwendetes
Polarimeter DIPol-UF ist einzigartig in seiner Fähigkeit, die optische
Polarisation mit der Präzision und Genauigkeit von wenigen Teilen pro Million zu
messen. Die Bestimmung der Bahnorientierung von Schwarzen Löchern anhand der
Polarisation eröffnet einen neuen Weg zum Verständnis ihrer Entstehung und
Physik", sagt Prof. Dr. Svetlana Berdyugina von der Universität Freiburg und dem
Leibniz-Institut für Sonnenphysik (KIS), die auch an der Untersuchung beteiligt
war.
Der gefundene Unterschied von mehr als 40 Grad zwischen der Bahnachse und dem
Spin des Schwarzen Lochs war völlig unerwartet. Die Wissenschaft war bisher oft
davon ausgegangen, dass dieser Unterschied sehr gering ist, wenn sie das
Verhalten von Materie in einem gekrümmten Zeitraum um ein Schwarzes Loch
modelliert haben. Die neue Erkenntnis zwingt nun dazu, die Modelle um eine neue
Dimension zu erweitern. Die Ergebnisse würden damit neue Einblicke in die
Entstehung von Schwarzen Löchern und die Entwicklung solcher Systeme bieten, da
eine solch extreme Fehlausrichtung in vielen Szenarien für die Entstehung von
Schwarzen Löchern und die Entwicklung von Doppelsternen kaum vorkommt.
Die entscheidende Erkenntnis wurde mit dem polarimetrischen Instrument DIPol-UF
gewonnen, das gemeinsam vom Leibniz-Institut für Sonnenphysik und der
Universität Turku gebaut und am Nordic Optical Telescope eingesetzt
wurde, das der Universität Turku gemeinsam mit der Universität Aarhus in
Dänemark gehört. Finanziert wurde das Instrument durch das ERC Advanced Grant
HotMol unter der Leitung von Prof. Dr. Svetlana Berdyugina.
Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Science erschienen ist.
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