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Durch präzise Beobachtungen eines Doppelpulsars konnte ein internationales Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Vorhersagen aus Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie genauer überprüfen als jemals zuvor. Dabei waren auch bislang nicht erreichbare Effekte messbar. Die Beobachtungen stimmen nahezu perfekt mit Einsteins Vorhersagen überein.
Ein internationales Team unter Leitung von Prof. Michael Kramer vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn hat in einem 16 Jahre dauernden Experiment Einsteins allgemeine Relativitätstheorie mit einigen der bisher rigidesten Tests überprüft. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschten dazu ein einzigartiges Sternpaar mit extremen Eigenschaften - zwei Pulsare in einem Doppelsternsystem. Bei den Untersuchungen, an denen sieben Radioteleskope auf der ganzen Welt beteiligt waren, traten neue relativistische Effekte zutage, die zum ersten Mal beobachtet wurden. Einsteins Theorie, die aus einer Zeit stammt, als man sich weder so extreme Sterne, noch die verwendeten Untersuchungstechniken vorstellen konnte, stimmt mit den Beobachtungen besser als 99,99 % überein. Mehr als 100 Jahre nachdem Albert Einstein seine Gravitationstheorie veröffentlicht hat, bemühen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der ganzen Welt weiterhin mögliche Grenzen der allgemeinen Relativitätstheorie aufzuzeigen. Die Beobachtung einer Abweichung von den Vorhersagen dieser Theorie wäre eine wichtige Entdeckung, die ein Fenster zu einer neuen Physik öffnen würde und über unser derzeitiges theoretisches Verständnis des Universums hinausgeht. "Wir haben System mit zwei Sternen von extrem hoher Dichte untersucht, das ein einzigartiges Labor darstellt, um Gravitationstheorien in der Anwesenheit sehr starker Gravitationsfelder zu testen", erklärt Kramer. "Zu unserer Freude konnten wir einen Eckpfeiler der Einsteinschen Theorie, nämlich die Energieabstrahlung von Gravitationswellen, mit einer Genauigkeit testen, die 25-mal besser ist als bei dem mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Hulse-Taylor-Pulsar und 1000-mal besser als es derzeit mit Gravitationswellendetektoren auf der Erde möglich ist." Die Beobachtungen würden nicht nur exzellent mit der Theorie übereinstimmen, "sondern wir konnten auch Effekte sehen, die vorher nicht zugänglich waren."
Prof. Ingrid Stairs von der University of British Columbia in Vancouver nennt ein Beispiel: "Wir verfolgen die Ausbreitung von Radiophotonen, die von einem kosmischen Leuchtturm, einem Pulsar, ausgesandt werden, und untersuchen ihre Bewegung im starken Gravitationsfeld eines Begleitpulsars. Wir sehen zum ersten Mal, dass das Licht nicht nur aufgrund einer starken Krümmung der Raumzeit um den Begleiter verzögert wird, sondern dass das Licht auch um einen kleinen Winkel von 0,04 Grad abgelenkt wird, den wir nachweisen können. Nie zuvor wurde ein solches Experiment bei einer so starken Raumzeitkrümmung durchgeführt." Dieses kosmische Labor, das unter dem Namen "Doppelpulsar" bekannt ist, wurde von Mitgliedern des Teams im Jahr 2003 entdeckt. Es besteht aus zwei Radiopulsaren, die einander in nur 147 Minuten mit Geschwindigkeiten von etwa einer Million Kilometer pro Stunde umkreisen. Der eine Pulsar dreht sich sehr schnell, etwa 44 Mal pro Sekunde. Der Begleiter ist jung und hat eine Rotationsperiode von 2,8 Sekunden. Ihre Bewegung umeinander kann als nahezu perfektes Labor zur Untersuchung von Gravitationstheorien in extremer Umgebung genutzt werden. Prof. Dick Manchester von der nationalen Wissenschaftsagentur CSIRO in Australien veranschaulicht dies wie folgt: "Eine derart schnelle Umlaufbewegung von solch kompakten Objekten - sie sind etwa 30 % massereicher als die Sonne, haben aber nur einen Durchmesser von etwa 24 Kilometern - ermöglicht es uns, eine Reihe von Vorhersagen der allgemeinen Relativitätstheorie zu testen - insgesamt sind es sieben Stück! Neben den Gravitationswellen können wir mit der Präzision unseres Experiments auch Effekte der Lichtausbreitung untersuchen, wie die sogenannte 'Shapiro-Verzögerung' und die Beugung des Lichts. Wir messen auch den Effekt der 'Zeitdilatation', der Uhren in Gravitationsfeldern langsamer laufen lässt. Wir müssen sogar Einsteins berühmte Gleichung E = mc² berücksichtigen, wenn wir die Wirkung der elektromagnetischen Strahlung des sich so schnell drehenden Pulsars auf die Bahnbewegung untersuchen. Diese Strahlung entspricht einem Massenverlust von acht Millionen Tonnen pro Sekunde! Das scheint viel zu sein, aber es ist nur ein winziger Bruchteil - drei Teile von tausend Milliarden Milliarden - der Gesamtmasse des Pulsars pro Sekunde." Die Forscher haben auch mit einer hohen Genauigkeit nachweisen können, dass die Bahn ihre Ausrichtung ändert. Das ist ein relativistischer Effekt, der auch von der Merkurbahn bekannt ist, hier aber 140.000 Mal stärker auftritt. Sie erkannten, dass sie bei dieser Genauigkeit auch die Auswirkungen der Rotation des Pulsars auf die umgebende Raumzeit berücksichtigen müssen, die mit dem rotierenden Pulsar sozusagen "mitgeschleift" wird. "Physiker nennen dies den Lense-Thirring-Effekt oder Frame-Dragging", erklärt Dr. Norbert Wex vom MPIfR. "In unserem Experiment bedeutet es, dass wir die innere Struktur eines Pulsars als Neutronenstern betrachten müssen. Unsere Messungen ermöglichen es uns daher zum ersten Mal, eine Technik, die wir Pulsar-Timing nennen, nämlich die präzise Nachverfolgung der Umdrehung des Neutronensterns zu nutzen, um Aussagen über die Größe des Sterns treffen zu können." Die Technik der Pulsarzeitmessung wurde mit sorgfältigen interferometrischen Messungen des Systems kombiniert, um seine Entfernung mit hochauflösender Bildgebung zu bestimmen. Das Ergebnis beträgt 2400 Lichtjahre, mit einem Fehler von nur acht Prozent. "Es ist die Kombination verschiedener, sich ergänzender Beobachtungstechniken, die den extremen Wert des Experiments ausmacht", unterstreicht Prof. Adam Deller von der Swinburne-Universität in Australien. "In der Vergangenheit wurden ähnliche Studien oft durch das begrenzte Wissen über die Entfernung solcher Systeme behindert". Dies ist hier nicht der Fall, da neben der Pulsarzeitmessung und der Interferometrie auch die Informationen aus den Effekten des interstellaren Mediums sorgfältig berücksichtigt wurden. "Wir haben alle möglichen Informationen über das System gesammelt und ein vollkommen konsistentes Bild abgeleitet, das die Physik aus vielen verschiedenen Bereichen wie Kernphysik, Gravitation, interstellares Medium, Plasmaphysik und mehr einbezieht. Das ist sehr außergewöhnlich", bestätigt Prof. Bill Coles von der University of California San Diego. "Unsere Ergebnisse sind eine gute Ergänzung zu anderen experimentellen Studien, die die Schwerkraft unter anderen Bedingungen testen oder unterschiedliche Effekte beobachten, wie Gravitationswellendetektoren oder das Event-Horizon-Teleskop. Sie ergänzen ebenfalls andere Pulsarexperimente, wie unser Timing-Experiment mit einem Pulsar in einem stellaren Dreifachsystem, das einen unabhängigen (und hervorragenden) Test der Universalität des freien Falls geliefert hat", sagt Paulo Freire, ebenfalls vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie. "Wir haben einen Grad von Präzision erreicht, der beispiellos ist", so Kramer. "Künftige Experimente mit noch größeren Teleskopen können und werden noch weiter gehen. Unsere Arbeit hat gezeigt, wie genau solche Experimente durchgeführt werden müssen und welch subtile Effekte dafür berücksichtigt werden müssen. Und vielleicht werden wir eines Tages wirklich eine Abweichung von der allgemeinen Relativitätstheorie finden..." Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Physical Review X veröffentlicht.
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