Scharfer Blick in dunkle Mondkrater
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
24. September 2021
Dauerhaft verschattete Mondkrater dürften Wassereis
enthalten und sind daher für die Erforschung des Erdtrabanten von großem
Interesse. Von der Erde aus und selbst aus einem Mondorbit lassen sie sich
jedoch nur schlecht fotografieren. Ein selbstlernender Computeralgorithmus
ermöglicht nun schärfere Bilder. Erste Ergebnisse wurden nun vorgestellt.

Die 17 neu untersuchten Krater und Senken
befinden sich in der Nähe des Südpols. Während
das kleinste dieser Gebiete (Gebiet 11) eine
Fläche von nur 0,18 Quadratkilometern hat, misst
das größte (Gebiet 9) 54 Quadratkilometer.
Bild: MPS / University of Oxford / NASA Ames
Research Center / FDL / SETI Institute [Großansicht] |
In den Polarregionen des Mondes finden sich Krater und Senken, in die niemals
Sonnenlicht fällt. Die bisher höchstaufgelösten Bilder aus der ewigen Nacht von
17 solcher Gebiete hat eine Gruppe von Forschenden unter Leitung des
Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen jetzt
vorgestellt. Solche Gebiete könnten gefrorenes Wasser enthalten, was sie zu
attraktiven Zielen für zukünftige Mond-Missionen macht. Das Team konzentrierte
sich auf relativ kleine und leicht zugängliche Krater mit besonders sanften
Hängen.
Wie in dieser Woche bekannt wurde, liegen drei der untersuchten Krater
innerhalb der jüngst ausgewählten Landeregion des Volatiles Investigating Polar
Exploration Rovers (VIPER) der NASA, der 2023 auf dem Mond aufsetzen soll. Schon
jetzt einen Eindruck aus ihrem Innern zu gewinnen, hatte sich bisher als
schwierig erwiesen, da sich Raumsonden bisher auf lange Belichtungszeiten
verlassen mussten, was wiederum die Bilder verschmierte. Mithilfe von Streulicht
und neuartigen, selbstlernenden Algorithmen gelang es den Forschern nun zum
ersten Mal, Bilder mit einer Auflösung von bis zu ein bis zwei Metern pro Pixel
zu produzieren.
Der Mond ist eine kalte, trockene Wüste. Da ihn – anders als die Erde – keine
schützende Atmosphäre umgibt, ist das Wasser aus seiner Entstehungszeit unter
dem Einfluss der Sonneneinstrahlung längst verdunstet und ins All entwichen.
Allein einige Krater und Senken in den Polarregionen unseres Nachbarn geben
Anlass, trotzdem auf begrenzte Wasservorkommen zu hoffen. Einige dieser Gebiete
haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des MPS, der Universität Oxford
und des NASA Ames Research Center jetzt genauer unter die Lupe genommen. "Da das
Sonnenlicht in der Nähe von Nord- und Südpol sehr flach einfällt, erreicht es
dort den Boden einiger Krater und Senken nie", erklärt Dr. Valentin Bickel vom
MPS.
In dieser "ewigen Nacht" herrschen mancherorts so kalte Temperaturen, dass
gefrorenes Wasser wahrscheinlich über Millionen von Jahren überdauern kann.
Einschläge von Kometen oder Asteroiden könnten es eingetragen haben oder es
könnte durch Vulkanausbrüche oder die Wechselwirkung mit dem Sonnenwind
entstanden sein. Messungen des Neutronenflusses und der Infrarotstrahlung, die
in den vergangenen Jahren mithilfe von Raumsonden gelangen, deuten auf Wasser in
diesen Regionen hin.
Ein direkter Nachweis gelang der NASA-Mondmission Lunar Crater
Observation and Sensing Satellite (LCROSS): Vor zwölf Jahren feuerte die
Sonde aus dem All ein Projektil auf den verschatteten Südpolkrater Cabeus ab.
Wie spätere Auswertungen zeigten, enthielt die so aufgewirbelte Staubwolke
Wasser in nicht unbeträchtlicher Menge. Die dauerhaft verschatteten Gebiete sind
jedoch nicht nur von wissenschaftlichem Interesse. Sollten sich jemals Menschen
über längere Zeiträume auf dem Mond aufhalten, wäre natürlich vorkommendes
Wasser eine wertvolle Ressource – und die dunklen Krater und Senken eine
wichtige Anlaufstelle.
Der unbemannte NASA-Rover VIPER etwa soll deshalb ab 2023 die Südpolregion
auskundschaften und auch in das Innere solcher Gebiete vordringen. Um sich schon
jetzt – etwa zur Missionsplanung – ein genaues Bild von deren Topographie und
Geologie zu machen, sind Aufnahmen von Raumsonden unerlässlich. Der Lunar
Reconnaissance Orbiter (LRO) der amerikanischen Weltraumbehörde NASA
liefert seit 2009 entsprechende Bilder. Doch Bilder aus dem tiefen Dunkel der
verschatteten Krater aufzunehmen, ist für die altgediente Raumsonde
außergewöhnlich schwierig; schließlich sind die einzigen Lichtquellen
Streulicht, das etwa von der Erde und der umgebenden Topographie reflektiert
wird, und schwaches Sternenlicht.
"Da die Raumsonde in Bewegung ist, sind die LRO-Aufnahmen bei langen
Belichtungszeiten völlig verschmiert", erklärt Teammitglied Ben Moseley von der
Universität Oxford. Bei kurzen Belichtungszeiten ist zwar die räumliche
Auflösung deutlich besser. Wegen der geringen Lichtmenge, die zur Verfügung
steht, lässt sich jedoch kaum zwischen echten geologischen Strukturen und
Rauschen unterscheiden. Um das Problem zu mildern, haben die Forscher den
selbstlernenden Computeralgorithmus HORUS (Hyper-effective nOise Removal U-net
Software) entwickelt, der solch verrauschte Aufnahmen "aufräumt".
HORUS nutzt mehr als 70.000 LRO-Kalibrationsbilder, die auf der Schattenseite
des Mondes aufgenommen wurden, sowie Informationen über Kamera-Temperatur und
die Flugbahn der Raumsonde, um zu unterscheiden, welche Struktur im Bild ein
Artefakt der Messung ist und welche echt. Auf diese Weise erreichen die Forscher
eine Auflösung von etwa ein bis zwei Metern pro Pixel. Das ist fünf- bis zehnmal
so genau wie alle bisherigen Aufnahmen.
Bilder von 17 verschatteten Gebieten mit Flächen zwischen 0,18 und 54
Quadratkilometern aus der Südpolregion des Mondes haben die Forscher auf diese
Weise nun neu ausgewertet. Deutlich klarer als zuvor treten dadurch kleinere
geologische Strukturen von einigen Metern Größe zu Tage. Dazu zählen etwa
Felsbrocken oder sehr kleine Krater, wie sie überall auf der Mondoberfläche zu
finden sind. Da der Mond keine Atmosphäre besitzt, stürzen auch immer wieder
sehr kleine kosmische Brocken auf seine Oberfläche und hinterlassen dort solche
Mini-Krater.
"Mithilfe der neuen Bilder ist es nun möglich, die Geologie der dunklen
Gebiete besser als zuvor zu verstehen", erklärt Moseley. So erlauben etwa die
Anzahl und die Form der Kleinstkrater Aufschluss über Alter und Beschaffenheit
der Oberfläche. Außerdem lassen sich so potentielle Hindernisse für einen Rover
oder Astronauten besser erkennen. In einem der untersuchten Krater auf dem
Leibnitz Plateau entdeckten die Forscher einen auffallend hellen Mini-Krater.
"Die vergleichsweise helle Färbung könnte darauf hinweisen, dass dieser Krater
recht jung ist", so Bickel. Da eine solch frische Schramme recht unverfälschte
Einblicke in tiefere Schichten ermöglicht, könnte diese Stelle ein interessantes
Ziel für zukünftige Missionen sein, schlagen die Forscher vor.
Hinweise auf oberflächennahes gefrorenes Wasser wie etwa größere helle
Flächen finden sich in den neuen Ansichten nicht. "Wahrscheinlich ist es in
einigen der Gebiete, die wir uns vorgenommen haben, doch ein wenig zu warm",
mutmaßt Bickel. Wahrscheinlich ist es jedoch, dass das Mond-Wasser nicht als gut
sichtbare Ablagerung an der Oberfläche vorkommt. Stattdessen könnte es mit dem
Gestein und Staub vermischt oder im Untergrund verborgen sein. Um dieser und
anderen Fragen nachzugehen, wollen die Forscher im nächsten Schritt möglichst
viele weitere verschattete Krater mit ihrem neuen Algorithmus untersuchen. "In
der aktuellen Veröffentlichung wollten wir zeigen, was unser Algorithmus leisten
kann. Jetzt wollen wir ihn möglichst flächendeckend anwenden", so Bickel.
Diese Arbeit wurde durch das Frontier Development Lab unterstützt,
einer Kooperationsvereinbarung zwischen der NASA, dem SETI-Institut und Trillium
Technologies Inc, in Partnerschaft mit der Luxembourg Space Agency und Google
Cloud. Über ihre Ergebnisse berichtet das Team in der Zeitschrift Nature
Communications.
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