Earth Explorer für das nächste Jahrzehnt?
Redaktion
/ Pressemitteilung des KIT astronews.com
22. Juni 2021
Treibhausgase und Luftschadstoffe, aber auch natürliche
Phänomene wie Vulkanausbrüche wirken sich auf die Erdatmosphäre aus. Diese
Prozesse detailliert untersuchen zu können, ist Ziel des Satellitenkonzeptes
CAIRT, das Forschende in Karlsruhe und ihre Partner entwickelt haben. Nun wurde
es von der ESA als eine von vier Kandidaten für die Mission Earth Explorer
11 ausgewählt.

Das Infrarotspektrometer GLORIA, bereits
erfolgreich eingesetzt auf zahlreichen
Messkampagnen auf Flugzeugen, als Prototyp für
das Satelliteninstrument CAIRT.
Foto: Laila Tkotz
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CAIRT steht für "The Changing-Atmosphere Infra-Red Tomography Explorer". Es
handelt sich dabei um ein Infrarot-Tomographie-Experiment zur Untersuchung der
Atmosphäre im Wandel. "Klimamodellrechnungen zeigen uns, dass sich die globale
Atmosphäre vom Erdboden bis zum Rande des Weltweltraums in einem tiefgreifenden
Wandel befindet, ausgelöst durch anthropogene Emissionen von Treibhausgasen,
Luftschadstoffen und ozonzerstörenden Substanzen. Darüber hinaus gibt es
natürliche Änderungen der Atmosphäre, zum Beispiel durch große Vulkanausbrüche
oder Variation in der Sonnenaktivität", erläutert Dr. Björn-Martin Sinnhuber vom
Institut für Meteorologie und Klimaforschung des Karlsruher Instituts für
Technologie (KIT), der das internationale CAIRT-Team leitet. "Wir haben aber
bisher nicht die benötigten Beobachtungen, um diese Änderungen und die ihnen
zugrunde liegenden Prozesses im Detail untersuchen zu können. CAIRT kann diese
Daten liefern."
Die Veränderungen in der Zusammensetzung der Atmosphäre zu verstehen, sei
wichtig, da sie, zusammen mit Veränderungen in der Zirkulation, Klima, Wetter
und Luftqualität beeinflussten, so Sinnhuber. "Für belastbare Vorhersagen
verstehen wir heute beispielsweise noch nicht gut genug, wie sich die
Zirkulation auf die Temperaturen an der Erdoberfläche, auf Dürren oder auf
extreme Niederschlagsereignisse auswirkt. Diese Veränderungen hängen zudem
entscheidend damit zusammen, wie sich die Ozonschicht erholt."
CAIRT soll innovative Technologien nutzen, um drängende Fragen zum
Klimawandel zu lösen. Kernstück ist ein abbildendes Infrarotspektrometer, mit
dem in bisher unerreichter räumlicher Auflösung eine Vielzahl von Spurengasen,
Aerosolen und atmosphärischen Wellen vermessen werden können. Dazu wird CAIRT
die Atmosphäre in einer Höhe von fünf bis 115 Kilometern im Infrarotbereich mit
einer horizontalen Auflösung von etwa 50 mal 50 Kilometern und einer vertikalen
Auflösung von einem Kilometer vermessen. "Als Untersuchungsverfahren ist die
Tomographie vielleicht aus der medizinischen Diagnostik bekannt. Wir machen nun
etwas Ähnliches mit der globalen Atmosphäre", so Sinnhuber. "Ein solches
abbildendes Infrarotspektrometer ist bisher noch nicht im Weltraum eingesetzt
worden. Unser Ziel ist, durch die Infrarotmessungen ein detailliertes Bild vom
inneren Zustand der Atmosphäre zu bekommen – vom Erdboden bis an den Rand des
Weltalls."
Das Satellitenkonzept CAIRT baut auf Erfahrung in der
Atmosphärenfernerkundung am KIT auf. Auf diesem Gebiet haben die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des KIT in den vergangenen Jahren
bereits Pionierarbeit geleistet. "Mit dem GLORIA-Instrument betreibt das KIT
gemeinsam mit dem Forschungszentrum Jülich eine Art Prototyp vom Flugzeug und
Ballon aus, mit dem uns schon großartige wissenschaftliche Beobachtungen
gelungen sind. CAIRT wird das noch einmal im wahrsten Sinne des Wortes auf ein
neues Niveau heben, weil wir dann täglich globale Messungen bekommen können", so
Sinnhuber. "CAIRT baut auf dieser umfassenden Erfahrung in der
Atmosphärenfernerkundung am KIT auf, zu der neben Satellitenexperimenten auch
Untersuchungen mit Flugzeugen, Ballons und vom Boden zählen."
Der nun von der ESA ausgewählte Vorschlag CAIRT wird vom KIT koordiniert.
Weitere Partner sind die britische Universität Leeds, das Belgische Institut für
Weltraum-Aeronomie, das Institut für Astrophysik Andalusiens, das Nationale
Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS) in Frankreich, das Europäisches
Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF), das Forschungszentrum
Jülich, das Institut für Angewandte Physik "Nello Carrara" des italienischen
Forschungsrates, das Unternehmen Airbus sowie die Universität Toronto in Kanada.
Für die vier Vorschläge folgen zunächst Machbarkeitsstudien, bevor 2025 eine
Mission endgültig ausgewählt wird, die im Jahr 2031 oder 2032 als Earth
Explorer 11 starten soll.
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