Nickel und Eisen in Kometenatmosphären
von
Stefan Deiters astronews.com
20. Mai 2021
Bei Beobachtungen mit dem Very Large Telescope der
europäischen Südsternwarte ESO haben Forschende überraschend Nickel und Eisen in
den Atmosphären von zahlreichen Kometen nachweisen können. Bislang hatte man
Spuren dieser Elemente nur bei sehr sonnennahen Schweifsternen beobachtet. Auch beim
interstellaren Kometen 2I/Borisov fand sich Nickel.
Eisen und Nickel wurden in den Atmosphären zahlreichen Kometen
wie C/2016 R2 (PANSTARRS) nachgewiesen.
Bild: ESO / L. Calçada, SPECULOOS Team / E. Jehin,
Manfroid et al. [Großansicht] |
"Es war für uns eine große Überraschung, Eisen- und Nickelatome in der
Atmosphäre aller etwa 20 Kometen nachweisen zu können, die wir in den letzten
zwei Jahrzehnten beobachtet haben", so Jean Manfroid von der Universität
Lüttich in Belgien, der die jetzt vorgestellte Studie leitete. Dabei fanden
sich diese Elemente sogar bei Kometen, die sich gerade relativ weit von der Sonne entfernt befanden.
Dass Elemente wie Eisen und Nickel in Kometen existieren, war von den
Forscherinnen und Forschern erwartet worden. Doch sollten sie sich eigentlich
nicht in so großer Entfernung in den dünnen Atmosphären der Kometen nachweisen
lassen, da sie bei den dortigen geringen Temperaturen eigentlich nicht in ihren
gasförmigen Zustand übergehen, also sublimieren. Jetzt wurden aber Nickel- und
Eisendämpfe auch bei Kometen gefunden, die sich drei Mal weiter von der Sonne
entfernt befinden als die Erde.
Interessant dabei war auch die Entdeckung, dass sich in den
Kometenatmosphären Nickel und Eisen in gleich großen Mengen fanden. Dies ist
deswegen spannend, da sich in Meteoriten in der Regel eine zehn Mal größere
Menge an Eisen im Vergleich zu Nickel nachweisen lässt. "Kometen entstanden vor etwa 4,6
Milliarden Jahren, im sehr jungen Sonnensystem, und haben sich seit dieser Zeit
nicht verändert. In diesem Sinne sind sie wie Fossilien für die Astronomie",
erläutert Emmanuel Jehin von der Universität Lüttich.
Das belgische Team hatte mit dem Very Large Telescope (VLT) der europäischen Südsternwarte ESO
seit fast zwanzig Jahren zahlreiche Kometen beobachtet, die
Spuren von Nickel und Eisen bei ihren spektralen Untersuchungen aber lange übersehen:
"Diese Entdeckung blieb viele Jahre lang unter dem Radar", so Jehin.
Bei ihren Analysen der Daten des Ultraviolet and Visual Echelle Spectrograph
des VLT waren ihnen aber schließlich doch einige nicht identifizierte
Spektrallinien aufgefallen, die sich bei näherer Betrachtung als Hinweise auf
neutrale Nickel- und Eisenatome herausstellten. Ihr Anteil ist allerdings
gering: Das Team schätzt, dass sich für 100 Kilogramm Wasser in der
Kometenatmosphäre jeweils nur ein Gramm Eisen und Nickel finden.
"Normalerweise gibt es zehn Mal mehr Eisen als Nickel. In diesen
Kometenatmosphären fanden wir aber ungefähr die gleiche Menge für beide
Elemente", unterstreicht Damien Hutsemékers von der Universität Lüttich.
"Wir kamen zu dem Schluss, dass sie von einer speziellen Art von Material auf
der Oberfläche des Kometenkerns stammen könnten, das bei einer ziemlich
niedrigen Temperatur sublimiert und Eisen und Nickel in etwa den gleichen
Anteilen freisetzt."
Um welches Material es sich dabei handeln könnte, kann das Team derzeit noch
nicht sagen, hofft aber auf künftige Untersuchungen, auch mit ganz neuen
Teleskopen wie dem Extremely Large Telescope. Zudem könnten sich
Hinweise auf Eisen und Nickel auch in älteren Beobachtungsdaten finden lassen.
"Jetzt werden die Leute nach diesen Linien in ihren Archivdaten von anderen
Teleskopen suchen", so Jehin. "Wir denken, dass dies auch neue Arbeiten zu diesem Thema
anstoßen wird."
Schwerere Elemente finden sich offenbar aber nicht nur um "heimische"
Kometen: Einem polnischen Forschungsteam ist es gelungen, Spuren von gasförmigem
Nickel auch beim interstellaren Kometen 2I/Borisov nachzuweisen. Dieser wurde
mit dem Very Large Telescope untersucht, als er sich rund 300 Millionen
Kilometer von der Sonne entfernt befand, also in rund doppelter Entfernung der
Erde von der Sonne. "Zunächst fiel es uns schwer zu glauben, dass bei 2I/Borisov
so weit von der Sonne entfernt wirklich atomares Nickel vorhanden sein könnte.
Es bedurfte zahlreicher Tests und Überprüfungen, bis wir uns schließlich
überzeugen konnten", erinnert sich Piotr Guzik von der Jagiellonen-Universität
im polnischen Krakau.
Über ihre Entdeckungen berichten die beiden Teams in zwei Fachartikeln, die
jetzt in der Zeitschrift Nature erschienen sind.
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Manfroid, J., Hutsemékers, D. & Jehin, E. (2021): Iron and nickel
atoms in cometary atmospheres even far from the Sun, Nature, 593,
372 (kein freie Version verfügbar)
Guzik, P. & Drahus, M.
(2021): Gaseous atomic nickel in the coma of interstellar comet 2I/Borisov,
Nature, 593, 375 (arXiv.org-preprint) ESO |
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