Weniger Licht hilft auch den Insekten
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung des Leibniz-Institut für Gewässerökologie und
Binnenfischerei (IGB) astronews.com
30. März 2021
Lichtverschmutzung ist ein Problem, das in der Astronomie
nur zu gut bekannt ist. Doch anders als die Berufsastronomie, die in entlegene
Regionen oder ins Weltall ausweichen kann, müssen die Amateure mit dem
Lichtproblem leben, auf das die Dark Sky Week in der kommenden Woche
aufmerksam machen soll. Von einem bewussteren Umgang mit Licht würden auch
Insekten profitieren.
In einigen Kommunen Deutschlands hängen
merkwürdige sackähnliche Gebilde an
Straßenleuchten. Es sind Insektenfallen, mit
denen Forschende dem nächtlichen Insektensterben
auf der Spur sind.
Foto: Sophia Dehn [Großansicht] |
Vom 5. bis zum 12. April 2021 gibt es erneut die internationale Woche des
dunklen Himmels – die Dark Sky Week. Das Event findet immer in der Neumondwoche
im April statt, da der Himmel dann dunkel ist und optimale Sichtbedingungen auf
den Sternhimmel herrschen. Forschende und Hobbyastronomen wollen an die
Faszination der Nacht erinnern und auf das Thema Lichtverschmutzung aufmerksam
machen.
Denn zu viel künstliches Licht bei Nacht macht nicht nur die Sterne
unsichtbar; es kann Mensch und Tier auch stören. Forschende vom Leibniz-Institut
für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) untersuchen beispielsweise die
Wirkungen von künstlichem Licht auf Insekten. Mit ihrer Forschung zum Schutz der
kleinen Sechsbeiner wollen Dr. Sibylle Schroer und Johanna Reinhard eins
erreichen: "Mehr wohlwollendes Ohhhh, weniger abschätziges Ihhhh". Und ein
weiterer Wunsch ist ihnen noch wichtiger: "Mehr Dunkelheit, weniger künstliches
Licht."
Die IGB-Forscherinnen koordinieren das Projekt "Artenschutz durch
umweltverträgliche Beleuchtung" (AuBe). Forschende der Ökologie und Lichttechnik
untersuchen und erproben gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern in
Partnerkommunen neue Konzepte, um künstliches Licht bei Nacht auf die
Bedürfnisse von Mensch und Tier abzustimmen. Die Modellgebiete sind das
nördliche und westliche Brandenburg, das südliche Mecklenburg und das hessische
Fulda. In diesen Regionen ist es nachts noch so dunkel, dass man die nächtliche
Dunkelheit gut erleben und erforschen kann.
Die Beteiligten des Insekten-Monitorings hängen Fallen an Lampen auf und
werten die Funde aus. In Workshops werden die Insektenarten bestimmt und
gezählt. Was die Forschenden in den Fallen finden ist weder bunt noch auffällig
und daher wenig bekannt: Taubenschwänzchen, Gammaeule oder Schönbär, um nur
einige Nachtfalter-Arten zu nennen. "Übersehen sollten wir sie jedoch nicht,
denn über 3300 Falterarten und damit mehr als 95 Prozent der heimischen
Schmetterlingsarten zählen zu ihnen. Sie sind wichtige Bestäuber und spielen
eine bedeutende Rolle im Nahrungsnetz", erläutert Reinhard.
Etwa die Hälfte aller Insektenarten ist nachtaktiv. Sie sind auf Dunkelheit
und natürliches Licht von Mond und Sternen angewiesen, um sich zu orientieren
und fortzubewegen, oder um Räubern auszuweichen. Und auch, um ihren
allnächtlichen Aufgaben wie Nahrungssuche und Fortpflanzung nachzugehen. Eine
künstlich erhellte Nacht stört dieses natürliche Verhalten – und mindert die
Überlebenschancen. Vor allem Fluginsekten werden von Lampen, Skybeamern und
Leuchtreklame angezogen und sterben dann dort durch Erschöpfung, oder als
leichte Beute von Räubern. Die Lichtquellen wirken im Ökosystem wie ein
Staubsauger: So zeigte eine vorangegangene Studie des IGB auf einem Versuchsfeld
im Westhavelland, dass an erleuchteten Straßenlaternen bis zu 260 Mal so viele
Insekten schwirren wie in der dunklen Umgebung.
Daher könnte Lichtverschmutzung ein wichtiger Grund für den weltweiten
Rückgang der Insekten sein, konstatiert Dr. Gregor Kalinkat, der als Ökologe für
die entomologische Begleitforschung in AuBe zuständig ist: "Das globale
'Insektensterben' – in Form von Arten- und Bestandsrückgängen – ist eines der
drängendsten Probleme in der Biologie und den Umweltwissenschaften mit möglichen
Folgen für die Nahrungsmittelgewinnung, um nur ein Beispiel zu nennen. Wir
vermuten, dass künstliches Licht in der Nacht ein Hauptgrund für diesen, vor
allem in Deutschland gut dokumentierten Negativtrend ist."
Leider gibt es bisher fast keine Studien, die den Zusammenhang zwischen
Insektensterben und Lichtverschmutzung langfristig, also über mehr als ein bis
zwei Jahre hinaus, untersucht haben. Kalinkat hat gerade mit einem Team aus
IGB-Forschenden und Mitgliedern der Dutch Butterfly Conservation eine
Studie zu den vorhandenen Daten veröffentlicht. Die Autorinnen und Autorinnen
haben darin eine Checkliste mit den Eckpunkten erstellt, die in zukünftigen
Experimenten berücksichtigt werden sollten. Für ein aussagekräftiges
Insektenmonitoring sollten Raum und Zeit möglichst weit gewählt werden um
natürliche Schwankungen der Insektenpopulationen zu erfassen. Ebenso sollten
unterschiedliche Fallenarten und Fangmethoden zum Einsatz kommen, um eine
möglichst hohe Insektendiversität zu erfassen. Insekten nehmen mit ihren
Komplexaugen Farben und Intensitäten von Licht ganz anders wahr als der Mensch.
Daher sind gängige lichttechnischen Angaben wie die Einheit der menschlichen
Lichtwahrnehmung "Lux" oft nicht ausreichend für derartige Studien.
Alle könnten, so das Team, Lichtverschmutzung mindern: Die Forschenden
wünschen sich einen sensibleren Umgang mit dem Thema künstliche Beleuchtung bei
Nacht. Und hoffen, dass Veranstaltungen wie die "Dark Sky Week" die Menschen
dazu bewegen, über den sinnvollen Einsatz von Beleuchtung in der Nacht
nachzudenken. Tipps zum sinnvollen Umgang mit künstlichem Licht im Freien hat
das Team in einem Faltblatt zusammengestellt. Einen Hinweis gibt’s schon mit auf
den Weg: Nicht benötigtes Licht einfach mal ausschalten.
Die erwähnte Studie wurde kürzlich in der Zeitschrift Insect Conservation
and Diversity
veröffentlicht.
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