Sonnenteleskop soll 2022 wieder starten
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung astronews.com
18. Januar 2021
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler planen einen
dritten Flug von Sunrise, dem Sonnenteleskop am Ballon. Mitte des
kommenden Jahres soll Sunrise III von Schweden aus in die Stratosphäre
aufsteigen und bis nach Kanada schweben. Das 1-Meter-Teleskop wird einen
einmaligen Blick auf unseren Zentralstern erlauben - auch dank neuer
Instrumente.
Ein Blick während des Fluges auf die Erde.
Da das Observatorium einen Großteil der
Erdatmosphäre unter sich gelassen hat, erscheint
der Himmel schwarz wie im Weltall.
Foto: Daedalus / MPS [Großansicht] |
Im Sommer 2022 soll das ballongetragene Sonnenobservatorium Sunrise
zu seinem dritten Stratosphärenflug aufbrechen. Vom luftigen
Beobachtungsstandort mehr als 35 Kilometer über dem Erdboden genießt das
Observatorium während des mehrtägigen Fluges von Nordschweden nach Kanada einen
einzigartigen Blick auf die Sonne: rund um die Uhr, ungestört von den
Luftturbulenzen in der Erdatmosphäre und mit Zugang zur ultravioletten Strahlung
unseres Zentralgestirns. Ausgerüstet mit einem 1-Meter-Teleskop, drei neuen
wissenschaftlichen Instrumenten und einem ausgeklügelten System zur
Bildstabilisierung ermöglicht die Mission unter Leitung des Max-Planck-Instituts
für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen so bisher unerreichte Beobachtungen
der Sonnenoberfläche und den angrenzenden, darüberliegenden Schichten der
Sonnenatmosphäre.
In den verbleibenden 500 Tagen bis zum Start fügt das internationale Team am
MPS alle Subsysteme zusammen, bevor sich Sunrise III-Team auf den Weg nach
Schweden macht. Am 1. Juni 2022 öffnet sich das Startfenster für Sunrise III.
Wie bei den ersten beiden Flügen, die ebenfalls vom Esrange Space Center der
Swedisch Space Cooperation (SSC) im nordschwedischen Kiruna starteten, trägt ein
riesiger, heliumgefüllter Ballon das drei Tonnen schwere Observatorium in die
Stratosphäre. Dort angekommen erfassen es die zirkumpolaren Ostwinde und tragen
es nach Westen. Während des mehrtägigen Fluges nördlich des Polarkreises geht
für Sunrise die Sonne nicht unter, so dass das Observatorium ohne Unterbrechung
auf die Sonne schaut. In der unbesiedelten Wildnis Nordost-Kanadas landet
Sunrise dann an einem Fallschirm.
Bereits zweimal ist dieses abenteuerliche Konzept aufgegangen. 2009 und 2013
enthielten die Datenspeicher, die an der Landestelle geborgen wurden,
unvergleichliche Messdaten. Darin konnten Forscherinnen und Forscher unter
anderem erstmals die kleinsten Bausteine des Sonnenmagnetfeldes an der
Sonnenoberfläche identifizieren und Strukturen von nur 50 Kilometern Größe, die
sich im ultravioletten Licht von der Sonne zeigen, sichtbar machen. Im Vergleich
zum Durchmesser der Sonne von etwa 1,4 Millionen Kilometern ist das geradezu
winzig.
In der Zwischenzeit ist die Sonnenforschung nicht stehen geblieben. Das
Daniel-K.-Inouye-Sonnenteleskop auf Hawaii etwa ermöglicht mit einem
Spiegeldurchmesser von vier Metern Sonnenbeobachtung mit bisher unerreichter
räumlicher Auflösung; Weltraummissionen wie Solar Orbiter der
europäischen Weltraumagentur ESA blicken auf die Sonne aus großer Nähe. Doch
auch die Sunrise-Mission hat sich weiterentwickelt. "Sunrise III
ist eine notwendige Ergänzung zu laufenden Projekten der Sonnenforschung",
begründet Prof. Dr. Sami K. Solanki, Direktor am MPS und Leiter der Sunrise-Missionen,
den erneuten Flug. "Die Mission ermöglicht den Zugang zu Daten, die kein
erdgebundenes Teleskop und keine Raumsonde derzeit liefern kann."
Das Augenmerk von Sunrise III richtet sich auf eine Schicht von etwa
1000 Kilometer Dicke über der sichtbaren Oberfläche der Sonne, die untere
Chromosphäre. Anders als die Vorgängermissionen kann Sunrise III die
vergleichsweise schwachen Magnetfelder in dieser Region vermessen. Sie gelten
als Schlüssel zur ganzen Bandbreite dynamischer Prozesse in der
Sonnenatmosphäre. Dabei erreichen die Messdaten, die zu erwarten sind, eine
bisher unerreichte Höhenauflösung: Präziser als zuvor lassen sich die Daten
einer genauen Höhe über der Sonnenoberfläche zuordnen. "Die Höheninformation ist
entscheidend, um die Prozesse in der Sonnenatmosphäre genau zu verstehen",
erklärt Dr. Andreas Lagg vom MPS, Sunrise III-Projektmanager.
Möglich wird dieser einzigartige Blick durch die drei neuen
wissenschaftlichen Instrumente von Sunrise III, die das Licht des
Sunrise-Teleskops nutzen. Das Instrument SUSI (Sunrise UV
Spectropolarimeter and Imager) wurde am MPS entwickelt und gebaut; das
Instrument TuMag (Tunable Magnetograph) stellt ein spanisches Konsortium unter
Leitung des Instituto de Astrofísica de Andalucía (IAA) zur Verfügung,
das Instrument SCIP (Sunrise Chromospheric Infrared Spectro-Polarimeter) ein
japanisches Konsortium unter Leitung des National Astronomical Observatory
of Japan (NAOJ). Das Leibniz-Institut für Sonnenphysik in Freiburg hat das
System zur Bildstabilisierung entwickelt. Auch die fünf Meter hohe Gondel,
sozusagen das Gerüst von Sunrise III, ist eine Neuentwicklung.
Federführend beim Bau ist das Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins
Universität in den USA.
Die einzelnen Teams arbeiten bereits an ihrem jeweiligen Beitrag. In den
nächsten Monaten treten die Missionsvorbereitungen in ihre entscheidende Phase
ein: nach und nach treffen alle Komponenten – Gondel, Instrumente und
Bildstabilisierung – am MPS ein, um dort miteinander "verheiratet" zu werden.
Ende des Jahres soll das vollständige und funktionstüchtige Observatorium in
Göttingen erstmals auf die Sonne blicken – allerdings noch erdgebunden durch die
geöffnete Tür der Ballonhalle am MPS. Anfang 2022 reist Sunrise III,
erneut in Teilsysteme zerlegt, nach Kiruna und wird dort auf den Start
vorbereitet.
|