Heiße Staubringe im Visier
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Kiel astronews.com
5. November 2020
Mit einem neuen leistungsstarken Instrument am Very
Large Telescope der europäischen Südsternwarte ESO auf dem Gipfel des
Paranal in Chile haben Astronomen den heißen Staubring um den Stern Kappa
Tucanae beobachtet. Diese Art von Ringen gibt der Astronomie noch immer Rätsel
auf. Die neuen Daten sollen helfen, diese Staubringe besser zu verstehen.
2635 Meter über dem Meeresspiegel bietet das
Paranal-Observatorium der ESO beste Bedingungen
für astronomische Beobachtungen.
Foto: ESO / H. H. Heyer [Großansicht] |
Sie sind so nah an Sternen, dass sie bis zu 1000 Grad Celsius heiß werden:
Das Phänomen der heißen Staubringe – eine Ansammlung von submikrometergroßen
Partikeln in unmittelbarer Nähe von Sternen – wurde 2006 das erste Mal außerhalb
unseres Sonnensystems entdeckt. Doch aufgrund ihrer geringen Größe sind die
Staubpartikel schwierig zu beobachten und ihr Ursprung bislang ungeklärt.
Zum ersten Mal konnte dieses Phänomen jetzt mit der extrem hohen Auflösung
des Beobachtungsinstruments MATISSE (die Abkürzung steht für "Multi AperTure mid-Infrared
Spectro Scopic Experiment") am Paranal-Observatorium der europäischen
Südsternwarte ESO in Chile in einem neuen Wellenlängenbereich beobachtet werden.
Die Daten liefern zentrale Grundlagen für weitere Studien, um das Phänomen
dieser Staubringe zu erklären.
Staubringe, auch "Staubscheiben" oder "Trümmergürtel" genannt, bilden sich
durch die Kollisionen von Geröll und Kleinkörpern, die nach der Entstehung von
Planeten übrigbleiben – so viel ist seit einigen Jahrzehnten bekannt. In unserem
Sonnensystem ist eine solche Ansammlung zum Beispiel im sogenannte
"Asteroidengürtel" zwischen der Mars- und Jupiterbahn zu finden.
Rätsel geben jedoch die 2006 erstmals entdeckten heißen Staubringe auf. Wie
konnten sie sich unter den hohen Temperaturen, denen sie so nah an den Sternen
ausgesetzt sind, bilden und über Milliarden Jahre bestehen? Genaue Informationen
über ihre räumliche Struktur und stoffliche Zusammensetzung könnten helfen, das
Phänomen der heißen Staubringe und ihrer Entstehung besser zu verstehen.
Die im vergangenen Monat veröffentlichten Beobachtungen mit MATISSE sind ein
zentraler Schritt dahin, hoffen die Forschenden. "Wir konnten die heißen
Staubringe nicht nur mit einer hohen Auflösung beobachten, sondern auch im
Wellenlängenbereich um drei Mikrometer, in dem diese Ringe besonders hell
strahlen", sagt Sebastian Wolf, Professor für Astrophysik und Leiter der
Arbeitsgruppe Stern- und Planetenentstehung an der CAU. "Dieser Bereich war mit
bisherigen Beobachtungsinstrumenten nicht zugänglich und erlaubt uns jetzt einen
einzigartigen Einblick in dieses Phänomen."
Wolfs Arbeitsgruppe war Teil des internationalen Konsortiums von
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland, Frankreich, den
Niederlanden und Österreich, die das Beobachtungsinstrument MATISSE zwölf Jahre
lang entwickelt hatten. 2019 ging das weltweit leistungsfähigste
interferometrische Instrument für den mittleren Infrarotbereich am VLTI (Very
Large Telescope Interferometer) an der ESO in Chile in Betrieb. Bis zu vier
Teleskope können genutzt werden, um die Infrarotstrahlung von Himmelsobjekten zu
erfassen. Bezeichnet wird diese Messmethode als Interferometrie.
Die Forschenden erhalten also keine unmittelbaren Aufnahmen der Objekte,
sondern die technischen Messdaten lassen Rückschlüsse auf ihre Erscheinungsform
und Eigenschaften zu. Durch die Kombination von vier Teleskopen erreicht MATISSE
eine enorme Auflösung, die der eines 200 Meter langen Teleskopes entsprechen
würde. Mit der bisher unerreichten Präzision von MATISSE sind Einblicke in die
frühste Entwicklung von Planeten und letztendlich der Entstehung des
Sonnensystems möglich.
Auf diese Weise beobachtete das Forschungsteam, an dem neben der Kieler
Universität auch Forschende des University College London, des
Large Binocular Telescope Observatory in Tucson (USA) sowie der
Universitäten Arizona, Cˆote d’Azur und Jena beteiligt waren, den Stern Kappa
Tucanae. Er befindet sich im Sternbild Tukan, das nur auf der Südhalbkugel zu
sehen ist. Der Stern ist etwa zwei Milliarden Jahre alt – weniger als halb so
alt wie unsere Sonne – und etwa 69 Lichtjahre von der Erde entfernt. Anhand der
erhobenen Daten konnten die Forschenden die genaue Lage des Staubrings um Kappa
Tucanae sowie die Eigenschaften des Staubs ermitteln.
"Diese Informationen sind wichtige Voraussetzungen für die Suche nach dem
Ursprung des Phänomens", sagt Dr. Florian Kirchschlager, ehemaliger
Wissenschaftlicher Mitarbeiter in Wolfs Arbeitsgruppe und mittlerweile am
University College London beschäftigt. "Dass es auch die ersten Daten des
Instruments sind, die überhaupt publiziert wurden, freut uns natürlich
besonders."
Kirchschlager erstellte im Rahmen seiner Forschungen an der CAU die
Machbarkeitsstudie zu den Beobachtungen an Kappa Tucanae. Denn Staubringe sind
im astronomischen Sinne nicht nur winzig, sondern auch verhältnismäßig
leuchtschwach. "Damit haben sie selbst MATISSE vor besondere Herausforderungen
gestellt. Dass die Beobachtungen trotzdem geglückt sind, unterstreicht das
einzigartige Potential des Instruments", betont Dr. Steve Ertel, der als
Doktorand in Wolfs Arbeitsgruppe an Trümmerscheiben forschte und mittlerweile an
der University of Arizona tätig ist. "Die jetzt gesammelten und
ausgewerteten Beobachtungsdaten bilden die Grundlage für unsere weitere
Forschung an einem Erklärungsmodell für die heißen Staubringe", sagt Wolf.
Über die Beobachtungen berichtet das Team in einem Fachartikel, der in den
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society Letters erschienen
ist.
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