Ein Jahr mit nur 18 Stunden
von
Stefan Deiters astronews.com
21. Februar 2020
Mit den Teleskopen des Next-Generation Transit Survey
in Chile haben Astronominnen und Astronomen jetzt einen extrasolaren Planeten
entdeckt, der in einer Rekordzeit von nur 18 Stunden um seine Sonne kreist. Der Gasriese ist seinem Stern so nahe, dass die Gezeitenkräfte ihn bald zerreißen
könnten. Das System ist rund 1000 Lichtjahre von der Erde entfernt.
So könnte der Planet NGTS-10b aussehen, der seine Sonne in nur
18 Stunden umrundet. Bild:
University of Warwick / Mark Garlick [Großansicht] |
Der Planet NGTS-10b wurde im Rahmen des Next-Generation Transit Survey (NGTS)
um einen 1000 Lichtjahre entfernten Stern entdeckt. Beim NGTS handelt es sich
um eine Reihe von Teleskopen, die ganz in der Nähe des Very Large Telescope
der
europäischen Südsternwarte ESO den Himmel nach den Helligkeitsschwankungen absuchen,
die auftreten können, wenn ein Planet vor seinem Stern vorüberzieht. Dabei haben
die Teleskope jeweils etwa 100 Quadratgrad des Himmels im Blick und erfassen
so die Helligkeit von rund 100.000 Sternen.
Einer dieser Sterne hat dann die Aufmerksamkeit des Teams erregt, da sich
dessen Helligkeit regelmäßig und sehr häufig leicht verringerte. "Wir freuen
uns, die Entdeckung von NGTS-10b bekannt geben zu können, einen jupitergroßen
Planeten, der mit sehr kurzer Periode einen Stern umkreist, der unserer Sonne
nicht unähnlich ist", so Dr. James McCormac von der University of Warwick.
Eigentlich sollten Gasriesen mit nur sehr kurzer Umlaufdauern von unter 24
Stunden vergleichsweise einfach zu entdecken sein, da sie sehr häufig vor ihrem
Stern vorüberziehen und zudem für eine relativ auffällige Verdunklung sorgen,
doch hat man bislang nur sehr wenige von ihnen gefunden: Unter den Hunderten von
bislang bekannten Heißen Jupitern befinden sich nur sieben mit einer
Umlaufperiode von weniger als einem Tag.
NGTS-10b hat einen Abstand von seiner Sonne, der nur etwa dem doppelten
Durchmesser des Sterns entspricht. Er ist damit seinem Stern gefährlich nahe und
könnte in naher Zukunft von dessen Gezeitenkräften zerrissen werden.
Wahrscheinlich ist, dass der Planet sich in gebundener Rotation um seinen Stern
bewegt, eine Seite von NGTS-10b also immer dem Stern zugewandt ist.
Die Temperaturen auf NGTS-10b dürften im Schnitt über 1000 Grad Celsius
betragen, der Stern selbst hat eine Oberflächentemperatur von rund 4000 Grad
Celsius und 70 Prozent des Radius unserer Sonne. NGTS-10b ist etwa 20 Prozent
größer als Jupiter und hat etwa die doppelte Masse. Der Planet wäre ein idealer
Kandidat, um mit Weltraumteleskopen wie dem James Webb Space Telescope
spektrale Untersuchungen seiner Atmosphäre zu machen.
Massereiche Planeten entstehen in der Regel in größerem Abstand von ihrem
Stern und wandern dann im Laufe der Zeit in sonnennähere Bereiche. Das Team will
daher versuchen, Beobachtungszeit für präzise Messungen zu bekommen, mit denen
sich feststellen lassen sollte, ob die Bahn von NGTS-10b stabil ist oder ob der
Planet sich seiner Sonne weiter annähert und schließlich von dieser verschluckt
wird.
Es könnte also sein, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das
Glück haben, in den kommenden Jahren verfolgen zu können, wie der Planet langsam
in seinen Stern hineinspiralt. Nach allen Theorien sollten Planet und Stern etwa
zehn Milliarden Jahre alt sein. "Entweder wir sehen den Planeten hier in der
letzten Phase seines Lebens oder irgendetwas macht es möglich, dass er sich auf
dieser Bahn länger aufhält als er eigentlich sollte", so Teammitglied Dr. Daniel Bayliss.
Über ihre Entdeckung berichtet das Team in einem Fachartikel, der gestern in
der Zeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society
erschienen ist.
|