Gravitationswellenjagd mit gequetschtem Licht
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik astronews.com
9. Dezember 2019
Wie lassen sich Gravitationswellendetektoren noch
empfindlicher machen, damit sie etwa noch mehr Signale entfernter kollidierender
Neutronensterne aufspüren? Die Antwort lautet, wie schon seit vielen Jahren bei
GEO600 erprobt: mit gequetschtem Licht. Jetzt wurde das Verfahren auch erstmals
erfolgreich bei einem großen Gravitationswellendetektor angewandt.
Die AEI-Forscher Harald Lück, Moritz Mehmet
und Henning Vahlbruch installieren gemeinsam mit
Virgo-Kolleginnen und Kollegen die in Hannover
entwickelte Quetschlichtquelle in einem Reinraum
am Gravitationswellen-Detektor Virgo.
Bild: H. Lück / B. Knispel /
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik [Großansicht] |
Eine von Forschern des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik
(Albert-Einstein-Institut; AEI) entwickelte Quetschlicht-Quelle für den
Gravitationswellen-Detektor Virgo nahe Pisa hat ihre Fähigkeiten in den
vergangenen Monaten beeindruckend unter Beweis gestellt. Das zeigen die jetzt
veröffentlichten aktuellen Daten aus dem dritten Beobachtungslauf (O3) des
internationalen Detektor-Netzwerks.
Durch den Einsatz der neuen Quetschlichtquelle sinkt das dominante
quantenmechanische Hintergrundrauschen des Detektors um etwa ein Drittel. Damit
kann Virgo beispielsweise bis zu 26% häufiger Gravitationswellen von
verschmelzenden Neutronensternen aufspüren. Auch für geplante Detektoren der
dritten Generation wie das Einstein-Teleskop spielt der Einsatz von Quetschlicht
eine entscheidende Rolle. Geliefert und in Betrieb genommen wurde die
Quetschlichtquelle Anfang 2018. Seit Beginn von O3 am 1. April 2019 sorgt sie
für eine wesentlich höhere Empfindlichkeit von Virgo.
Die Empfindlichkeit der Gravitationswellen-Observatorien im heutigen
internationalen Netzwerk (Advanced LIGO, Advanced Virgo,
GEO600) ist in einem großen Teil ihres Messbereichs durch
quantenmechanisches Hintergrundrauschen begrenzt. Grundlegend beseitigen lässt
sich diese unmittelbare Konsequenz der Quantenmechanik nicht. Sogenannte
Quetschlicht-Quellen, die besonders manipulierte quantenmechanische Zustände
erzeugen, können das Hintergrundrauschen aber so modifizieren, dass es die
Messungen weniger stört.
Jetzt veröffentlichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der
Virgo-Kollaboration zusammen mit vier Forschern des AEI
(Albert-Einstein-Institut) in Hannover ihre Ergebnisse zum erstmaligen sehr
erfolgreichen Einsatz einer solchen Quetschlichtquelle im Virgo-Detektor.
In einer parallelen Veröffentlichung berichtet die LIGO-Scientific-Kollaboration
über den Einsatz von Quetschlicht in den LIGO-Detektoren.
"Der Einsatz von Quetschlicht ist eine Notwendigkeit zur weiteren Erhöhung
der Messgenauigkeit der Gravitationswellen-Observatorien. Am deutsch-britischen
GEO600-Detektor nahe Hannover kommt die Technologie seit 2010 routinemäßig zum
Einsatz und ist seit Ende 2018 auf Weltrekordniveau in Betrieb", sagt Henning
Vahlbruch, wissenschaftlicher Mitarbeiter am AEI Hannover.
Seit Beginn des dritten Beobachtungslaufs am 1. April 2019 setzen auch
Virgo und beide LIGO-Detektoren diese Technologie ein. "In den derzeitigen
Detektoren wirkt sich der Einsatz einer Quetschlicht-Quelle wie eine Erhöhung
der Laserleistung aus, aber vollkommen ohne die dabei auftretenden Nachteile wie
die verstärkte Erhitzung optischer Bauteile", erklärt Moritz Mehmet,
wissenschaftlicher Mitarbeiter am AEI Hannover. Der Einsatz von
Quetschlichtquellen verringert das Hintergrundrauschen in einem Großteil des
Messbereichs, so dass sich schwächere Gravitationswellen leichter beobachten
lassen.
Der basierend auf der GEO600-Quetschlichtquelle von Vahlbruch und Mehmet
entwickelte Aufbau bei Virgo kam in der ersten Hälfte von O3 erfolgreich zum
Einsatz. Die neue Studie beschreibt die signifikante – bis zu einem Drittel –
Verringerung des Quantenrauschens in Virgo, die dadurch dauerhaft –
routinemäßig während 99% der Messzeit – erreicht wurde. Die Häufigkeit mit der
Virgo Gravitationswellen-Signale verschmelzender Neutronensterne
nachweisen kann, steigert sich dadurch um bis zu 26%.
Während O3 wurden bislang 35 Gravitationswellen-Kandidaten von LIGO und
Virgo identifiziert, darunter auch mögliche Verschmelzungen von
Neutronensternen. Die Forscherinnen und Forscher der Virgo-Kollaboration
und die AEI-Forscher untersuchten zudem die Faktoren, die den Einsatz der
Quetschlichtquelle begrenzen. Der Aufbau speist Quantenzustände mit verringertem
Rauschen – gewissermaßen eine Dunkelheit, die besser ist als die Natur
normalerweise erlaubt – in den Detektor ein; die erzielte Verringerung des
Detektorrauschens hängt empfindlich von der Verlusten bei diesem Einspeisen ab.
Durch detaillierte Messungen zeigte das Team, dass mit derzeitiger Technologie
bei Virgo zukünftig eine Verringerung des Quantenrauschens von bis zu
einem Faktor zwei erreichbar ist.
Die Empfindlichkeit aller interferometrischen Gravitationswellen-Detektoren
lässt sich langfristig nur durch die Verwendung von ähnlichen
Quetschlichtquellen weiter steigern. "Geplante Gravitationswellen-Observatorien
der dritten Generation wie das europäische Einstein-Teleskop sind auf
Quetschlicht-Technologie angewiesen. Die erfolgreiche Anwendung in Virgo
ist ein weiterer wichtiger Schritt in die Zukunft der Gravitationswellen-Astronomie",
so Lück, Gruppenleiter am AEI Hannover.
Über ihre Resultate berichten die Teams in zwei Fachartikeln, die in den
Physical Review Letters erschienen sind.
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