Mit Cäsium-Dampf auf Dunkle-Materie-Jagd
Redaktion
/ idw / Pressemitteilung der Universität Mainz astronews.com
15. Oktober 2019
Die Natur der Dunklen Materie, die einen großen Teil unseres
Universums ausmachen sollte, ist bislang noch völlig ungeklärt. Eine Vermutung
ist, dass es sich um bestimmte Partikel handelt, die sich aus
teilchenphysikalischen Theorien erklären. Die Suche nach ihnen ist sehr
aufwendig. Nun versucht es ein Team in Mainz mit einem weiteren Verfahren.
Experimenteller Aufbau zur Atomspektroskopie
mit Cäsium-Dampf.
Foto: Dionysis Antypas [Großansicht] |
Die Suche nach Dunkler Materie ist eine der spannendsten Herausforderungen
der Grundlagenphysik des 21. Jahrhunderts. Die Wissenschaft weiß seit Langem,
dass es sie geben muss, denn ohne sie lassen sich viele astrophysikalische
Beobachtungen nicht erklären. Beispielsweise bewegen sich die Sterne weit
schneller, als sie es tun dürften, wenn nur "normale" Materie existieren würde.
Insgesamt macht die uns bekannte sichtbare Materie nur maximal 20 Prozent der
gesamten Materie im Universum aus – während ganze 80 Prozent der Dunklen Materie
zuzurechnen sind.
"Es steht sinnbildlich ein großer Elefant im Raum – und wir sehen ihn nicht",
erläutert Prof. Dr. Dmitry Budker, Wissenschaftler am Exzellenzcluster PRISMA+
der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und am Helmholtz-Institut Mainz, die
Herausforderung, vor der er und viele seiner Kolleginnen und Kollegen weltweit
stehen.
Bisher weiß jedoch niemand, woraus die Dunkle Materie besteht. In der
Fachwelt wird eine ganze Reihe möglicher Teilchen, die als Kandidaten
theoretisch infrage kommen, diskutiert und erforscht. Als einer der
vielversprechenden Kandidaten gelten heute sogenannte extrem leichte bosonische
Teilchen. "Diese können wir auch als klassisches Feld ansehen, das mit einer
bestimmten Frequenz oszilliert. Wie groß diese – und demzufolge die Masse der
Teilchen – ist, wissen wir aber nicht", so Budker. "Unsere Grundannahme ist,
dass dieses Dunkle Materie-Feld an die sichtbare Materie ankoppelt und dabei
bestimmte, eigentlich konstante Eigenschaften der Atome sehr subtil verändert."
Mit seiner Mainzer Arbeitsgruppe hat Budker nun eine neue Methode entwickelt:
Sie beruht auf der Atomspektroskopie und beobachtet einen Dampf aus
Cäsium-Atomen. Die Atome lassen sich mit Laserlicht einer ganz bestimmten
Wellenlänge anregen. Diese Wellenlänge sollte sich minimal verändern, sobald der
Cäsium-Dampf an ein Feld aus Dunkle-Materie-Teilchen ankoppelt.
"Grundsätzlich liegt unserer Arbeit immer ein spezielles theoretisches Modell
zugrunde, dessen Hypothesen wir experimentell überprüfen", ergänzt Dr. Dionysis
Antypas. "Hier arbeiten wir mit dem sogenannten Relaxion-Modell, das unsere
Kollegen und Ko-Autoren am Weizmann Institut in Israel entwickelt haben." Die
Relaxion-Theorie besagt, dass es in der Nähe großer Massen wie der Erde einen
Bereich geben muss, in dem die Dichte an Dunkler Materie größer und demzufolge
die Kopplungseffekte einfacher zu beobachten und aufzuspüren sind.
Mit ihrer neuen Methode haben die Wissenschaftler jetzt einen bisher
unerforschten Frequenzbereich zugänglich gemacht, in dem sich im Rahmen der
Relaxion-Theorie die Auswirkungen bestimmter Formen der Dunklen Materie auf die
atomaren Eigenschaften des Cäsium verhältnismäßig deutlich zeigen sollten. Auch
erlauben die Ergebnisse den Forschern, neue Einschränkungen in Bezug auf die
Natur dieser Dunklen Materie zu formulieren.
Budker veranschaulicht die akribische Spurensuche gern mit dem Bild des
Tigers in der Wüste: "In dem Frequenzbereich, den wir in unserer aktuellen
Arbeit durchsucht haben, hat sich die Dunkle Materie bisher nicht zu erkennen
gegeben – aber immerhin wissen wir nun, nachdem wir diesen Bereich durchkämmt
haben, dass wir dort nicht weitersuchen müssen." Übertragen auf den Tiger
bedeutet das, dass die Forscher zwar immer noch nicht wissen, in welchem Teil
der Wüste der Tiger ist, aber sehr wohl, in welchem Teil er nicht ist. "So
grenzen wir den Teil der Wüste, in dem der Tiger sein kann, immer weiter ein.
Und irgendwann werden wir ihn auf diese Weise finden", ist Budker überzeugt.
Über ihre Methode berichtet das Team in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift Physical Review Letters erschienen ist.
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