Hefekulturen in Schwerelosigkeit
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
14. Juni 2019
Gestern am frühen Morgen startete von der Raketenbasis ESRANGE
im Norden Schwedens die Rakete MAPHEUS-8 zu einem kurzen Flug in 240 Kilometer
Höhe. An Bord waren nicht nur neue Systeme zur Flugüberwachung, die an Bord unter
realen Bedingungen getestet wurden, sondern auch Hefe. Sie könnte eine wichtige
Rolle bei der Ernährung von Astronauten spielen.
Nach einem reibungslosen Countdown startete
MAPHEUS-8 am 13.6.2019 um 4:21 Uhr. Der Flug
verlief nominal mit einer maximalen Flughöhe von
239 km. Die Nutzlast sowie die instrumentierte
zweite Stufe wurden direkt nach dem Flug per
Helikopter geborgen.
Foto: DLR (CC-BY 3.0) [Großansicht] |
Am 13. Juni 2019 um 4:21 Uhr wurde die Stille im Norden Schwedens von
dröhnenden Raketentriebwerken unterbrochen. Die Mission ATEK
(Antriebstechnologien und Komponenten für Trägersysteme) des Deutschen Zentrums
für Luft- und Raumfahrt (DLR) beförderte Health-Monitoring-Systeme für kritische
Trägerkomponenten, eine Hybridgehäusestruktur und eine MAPHEUS-8 Nutzlast aus
verschiedenen biologischen und materialwissenschaftlichen Experimenten in eine
Höhe von rund 240 Kilometern.
Nach ungefähr sechs Minuten in der Schwerelosigkeit kehrten die
instrumentierte Rakete und die Nutzlast per Fallschirm zurück zur Erde, wo sie
von den Wissenschaftlern zur Auswertung der Experimente geborgen wurden. Die
Forschungsraketenmission MAPHEUS des DLR startete bereits zum achten Mal von der
Raketenbasis ESRANGE, nahe der lappländischen Stadt Kiruna. Während der im
Vergleich zu anderen Raumfahrtmissionen relativ kurzen Zeit in der
Schwerelosigkeit, konnten die Wissenschaftler wertvolle Informationen zum
Verhalten von Materialien und biologischen Proben gewinnen, die als Basis für
weitere Forschungen dienen.
Drei Health-Monitoring-Systeme erfassten vom Start der zwölf Meter hohen und
mehr als zweieinhalb Tonnen schweren Rakete bis zur Trennung der zweiten Stufe
die aerothermalen und mechanischen Lasten auf Motoradapter, Finnen, Tailcan und
Düse. Das autonome, modulare und impact-geschütze Datenerfassungssystem erlaubte
es, die Lasten und Strukturantworten der zweiten Motorenstufe auch in der
unkontrollierten Abstiegsflugphase zu messen sowie das Verhalten der mit einem
neuen Verfahren hergestellten Hybridgehäusestruktur entlang des gesamten Fluges
mit einer Dauer von rund acht Minuten zu überwachen.
Die Bandbreite der MAPHEUS-8 Experimente reicht von der Strahlenbiologie,
über das Verhalten kolloidaler Systeme und granularer Materie in der
Schwerelosigkeit bis hin zur Untersuchung von Zellen und Hefekulturen. Die
Forscher testen unter anderem, ob Hefe in der Schwerelosigkeit das für Menschen
wichtige Vitamin B12 bilden kann und damit für die Ernährung in der Raumfahrt
hilfreich ist.
Weitere Schwerpunkte liegen in der Untersuchung des Erstarrungsverhaltens von
metallischen Legierungen sowie der Bewegung von Bakterien und Orientierung von
Pantoffeltierchen, die als "schwimmende Nervenzellen" der neuronalen Forschung
dienen. Zusätzlich leistet die Forschungsmission die Erprobung und
Weiterentwicklung von Messtechnologien für Weltraumexperimente.
Neben den Kölner DLR-Instituten für Materialphysik im Weltraum, Luft- und
Raumfahrtmedizin sowie dem DLR-Nutzerzentrum für Weltraumexperimente (MUSC) sind
die Universitäten Konstanz, Stuttgart Hohenheim, die TU München sowie das
Landauer Bierprojekt und der Weincampus Neustadt an den MAPHEUS-8 Experimenten
beteiligt.
Das ATEK-Forschungsprojekt ist ein Bestandteil des
DLR-Teilprogrammschwerpunktes "Wiederverwendbare Raumtransportsysteme" mit dem
Ziel ausgewählte Technologien und Methoden im Hinblick auf thermomechanische
Analyse und Bewertung von Trägersystemen zu entwickeln. Dafür sollen die
Strukturen, Messmethoden und Auswertealgorithmen, die in
Grundlagenuntersuchungen entwickelt werden, für ein Flugexperiment angepasst und
schließlich mit dem Flug qualifiziert werden. Die Flugdaten sollen ergänzend zu
den Bodenexperimenten Validierungsdaten für physikalische Modellierungen,
numerische Simulationen und Systemanalyse liefern und dadurch eine zuverlässige
Auslegung und Bewertung von zukünftigen Trägersystemen ermöglichen.
Das MAPHEUS-Höhenforschungsprogramm (Materialphysikalische Experimente unter
Schwerelosigkeit) wird bereits seit elf Jahren durchgeführt. Der jährliche Flug,
vorbereitet und durchgeführt durch die Abteilung Mobile Raketenbasis (MORABA)
des DLR, ermöglicht den Wissenschaftlern einen unabhängigen und regelmäßigen
Zugang zu Experimenten in Schwerelosigkeit. Dabei gehen in diesem Programm
Fortschritte in Messtechniken und die Realisierung hochentwickelter Flughardware
Hand in Hand mit richtungsweisenden Experimenten im Bereich der Eigenschaften
metallischer Flüssigkeiten und deren Erstarrung sowie der Dynamik sogenannter
ungeordneter physikalischer Systeme und der Schwerkraftwahrnehmung biologischer
Systeme.
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