Spritztour ins All für die Forschung
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
20. Februar 2018
Seit zehn Jahren gibt es das
MAPHEUS-Höhenforschungsprogramm, das Wissenschaftlern die Möglichkeit bietet,
Experimente in Schwerelosigkeit durchzuführen. Die Raketen erreichen eine Höhe
von knapp 250 Kilometern, für mehr als sechs Minuten herrscht dabei
Schwerelosigkeit. Erstmals wurde nun eine ausgemusterte
militärische Raketenstufe für den Flug verwendet.

An Bord der von MAPHEUS-7 starteten am 17.
Februar 2018 sechs Experimente in die
Schwerelosigkeit. Geborgen wurde die Nutzlast am
19. Februar 2018.
Bild: DLR (CC-BY 3.0) [Großansicht] |
247,6 Kilometer Höhe und mehr als sechs Minuten Schwerelosigkeit erreichte
die zweistufige Forschungsrakete MAPHEUS-7, die das Deutsche Zentrum für Luft-
und Raumfahrt (DLR) am 17. Februar 2018 um 8 Uhr vom Raketenstartplatz ESRANGE
startete. An Bord waren sechs Experimente, die unter Quasi-Schwerelosigkeit
durchgeführt werden sollten. Außerdem diente der Flug der Qualifizierung des neu
entwickelten Trägersystems S31-Improved Malemute.
365 Kilogramm Nutzlast beförderte die Höhenforschungsrakete dabei auf eine
suborbitale Flugbahn: Auf MAPHEUS-7 waren neben einem Wiederflug des
Röntgenradiographiemoduls X-RISE (X-Ray Investigation in Space Environment) und
dem Zellmembranexperimentmodul MemEx (Membran Experiment) drei vollständig neu
entwickelte Module und ein Strahlungsmessgerät als Mitflieger in MemEx an Board.
Im Experiment GraScha (Granularer Schall) wurde die Schallübertragung in
granularen Packungen untersucht. Das Experimentmodul RAMSES (Random-Motion of
Micro-Swimmers Experiment in Space) untersuchte das dreidimensionale
Clusterverhalten von phototaktisch getriebenen Teilchen in der Schwerelosigkeit.
Im Bereich Gravitationsbiologie stand auf MAPHEUS mit dem Modul CELLFIX
erstmals ein Experiment zur Untersuchung des Einflusses der Schwerkraft auf
Stammzellen und Neuronen zur Verfügung. Ein weiteres Experiment untersuchte die
Intensität der Höhenstrahlung während des Aufstiegs und Flugs von MAPHEUS. Die
Nutzlast wurde nach ihrem Flug durch die Schwerelosigkeit von einem
Fallschirmsystem gebremst und am 19. Februar 2018 erfolgreich geborgen. Die
aufgezeichneten Experimentdaten werden in den nächsten Wochen ausgewertet.
Insbesondere für die Raumfahrtmedizin dürften die Ergebnisse des Experiments
MemEx sein, dass sich mit biophysikalischen Veränderungen von Zellmembranen in
der Schwerelosigkeit befasste. Untersuchungsobjekt sind künstlich hergestellte
Lipidmembranen, die wie die Biomembran von Zellen aus einer Lipiddoppelschicht
bestehen. "In der Doppelschicht sind Lipide und Proteine frei beweglich", sagt
Dr. Jens Hauslage vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin. In MemEx
wurde dieses Mal der Einbau von Ibuprofen in künstliche Vesikel untersucht, da
schon im Vorfeld bekannt ist, dass sich Medikamente in Schwerelosigkeit verändert
in biologischen Membranen einbauen und wirken. "Bereits vorausgegangene
Experimente bei 22 Sekunden Schwerelosigkeit im Parabelflug gaben uns erste
Anhaltspunkte, dass sich die Fluidität von Biomembranen in der Schwerelosigkeit
ändert. Jetzt sind wir gespannt auf die Auswertung der Proben, mit der wir
direkt nach der Bergung von MAPHEUS-7 beginnen."
Das MAPHEUS-Höhenforschungsprogramm (MAterialPHysikalische Experimente Unter
Schwerelosigkeit) läuft seit 10 Jahren. Der jährliche Flug, vorbereitet und
durchgeführt durch die Abteilung Mobile Raketenbasis (MORABA) des DLR,
ermöglicht den Wissenschaftlern einen unabhängigen und regelmäßigen Zugang zu
Experimenten in Schwerelosigkeit. Dabei gehen in diesem Programm Fortschritte in
Messtechniken und die Realisierung hochentwickelter Flughardware Hand in Hand
mit richtungsweisenden Experimenten im Bereich der Eigenschaften metallischer
Flüssigkeiten und deren Erstarrung sowie der Dynamik ungeordneter Systeme und
der Schwerkraftwahrnehmung biologischer Systeme.
Die Abteilung MORABA (Mobile Raketenbasis) des DLR, die die Raketenflüge im
MAPHEUS-Programm plant und durchführt, setzt mit dem erfolgreichen Flug von
MAPHEUS-7 die Erweiterung ihrer zweistufigen Trägersystemfamilie um die
Kombination S31 - Improved Malemute um. Die aus militärischen Altbeständen
überlassene Raketenstufe Improved Malemute wurde dabei so angepasst, dass sie
den Erfordernissen einer Zweitstufe auf einem Forschungsraketenträger gerecht
wird.
"Aerodynamische und flugdynamische Auslegung sowie die Entwicklung von
Zwischenstufenstruktur, Leitwerkstrukturen, Nutzlastadapter und Zündsystem
wurden von MORABA mit Unterstützung des DLR-Instituts für Aerodynamik und
Strömungstechnik geleistet", sagt Missionsleiter Frank Scheuerpflug. Der
wissenschaftlichen Forschungsgemeinde steht damit ein Trägersystem mit einer
Leistungsfähigkeit zur Verfügung, die mittelschweren Nutzlasten den Zugang zu
sechsminütigen Mikrogravitationsbedingungen ermöglicht, aber auch für
Hyperschall- oder Atmosphärenforschung genutzt werden kann.
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