Die Gasausflüsse eines jungen Sterns
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik astronews.com
18. Juli 2017
Bei der Entstehung von Sternen gibt es ein Problem: Die
jungen Sonnen müssen den Überschuss an Drehimpuls loswerden, den einfallendes
Material in die Geburtsregion der Sterne bringt. Dies kann beispielsweise durch
stellare Winde oder Ausflüsse geschehen. Neue Beobachtungen mit dem
Radioteleskopverbund ALMA erlaubten nun einen detaillierten Blick auf die
Vorgänge um einen jungen Stern.

Optisches Bild des dichten Kernes Barnard 59
mit dem MPG/ESO 2.2m Teleskop. Das junge
Sternobjekt BHB07-11 ist im Bild nicht zu sehen,
da es in der dichten Gas- und Staubwolke
versteckt ist. Radiowellen können das Material
jedoch durchdringen.
Bild: ESO [Großansicht] |
Ein lange bekanntes Problem bei der Sternentstehung besteht darin, den
Überschuss an Drehimpuls loszuwerden, den das einfallende Material in die
molekulare Wolke einbringt, in der ein junger Stern geboren wird. Im klassischen
Bild wird der Drehimpuls sowohl durch einen stellaren Wind nahe des neu
gebildeten Sterns als auch durch einen Scheibenwind aus einer weiten Region in
der protoplanetaren Scheibe aus dem System entfernt. Die genaue Position, von
der aus solche Scheibenwinde gestartet werden, ist jedoch unbekannt.
Junge Stellare Objekte (YSOs, engl. young stellar objects) mit niedrigen
Massen, die Vorläufer von sonnenähnlichen Sternen, haben eine prominente Scheibe
rund um den Protostern, die wiederum von einer dünnen Hülle umgeben ist. Die
Struktur und Bewegung des Materials in der Umgebung solcher jungen Sterne können
durch Radiostrahlung untersucht werden, da der Staub in Scheibe und Hülle in
diesem Bereich thermische Strahlung aussendet und Rotationsübergänge einiger
einfacher Moleküle, wie zum Beispiel CO, Rückschlüsse auf die Bewegung des
molekularen Gases zulassen.
Ein internationales Team von Astronomen, angeführt vom Max-Planck-Institut
für extraterrestrische Physik (MPE), nutzte nun das ALMA-Radioteleskop, um das
in den dichten Kern Barnard 59 im Pfeifennebel eingebettete junge Sternobjekt
BHB07-11 zu untersuchen. "Unsere Messung der Kontinuumsemission zeigen einen
noch nie da gewesenen Blick auf die Staubverteilung rund um den jungen Stern",
betont Felipe O. Alves von MPE. "Wir konnten einen erhöhten Helligkeitskontrast
zwischen der Scheibe rund um dem Stern und dem umliegenden dünnen Material
erreichen – wir sehen sogar Spiralstrukturen."
Noch eindrucksvoller sind jedoch die Beobachtungen der Moleküllinien: Sie
zeigen einen bipolaren Ausfluss, der an symmetrischen Positionen in Bezug auf
die Scheibe in ziemlich großer Entfernung vom Zentrum gestartet wird. Dies ist
das erste Mal, dass das Ausflussmaterial beobachtet wird, das nicht von der
Scheibe selbst abfließt, sondern außerhalb von deren Rand. Der große Abstand der
Startposition fällt mit dem Auftreffpunkt des einfallenden Materials aus der
umgebenden Wolke zusammen, das mittels der Spektrallinien von Formaldehyd
identifiziert werden konnte. "Moleküle sind wertvolle Werkzeuge, um selektiv
verschiedene Bereiche der komplexen Regionen, in denen sonnenähnliche Sterne
geboren werden, zu untersuchen. Sie enthüllen wichtige physikalische Prozesse",
erklärt Teammitglied Paola Caselli.
Modelle sagen voraus, dass die Magnetfeldlinien am Auftreffpunkt stark
zusammengezogen werden, da sie das einfallende Gas aus der inneren Hülle
praktisch "mitgeschleppt" haben. Das daraus resultierende erhöhte Magnetfeld
ermöglicht Ausflüsse, die in einem schmalen Bereich außerhalb des Scheibenrandes
effizient durch einen kombinierten magnetisch-zentrifugalen Mechanismus
ausgestoßen werden. Die enge Verbindung zwischen dem ein- und ausströmenden Gas
wird auch durch die Asymmetrie unterstützt, die in beiden Beobachtungen
nachgewiesen wurde.
"Die hochauflösenden Daten erlauben es uns, einen scharfen Übergang in der
Gaskinematik der Spiralstruktur zu identifizieren. Dieser bezeichnet die Lage
der sogenannten Zentrifugalbarriere, an der das Gas in der Scheibe landet und
nur eine Rotationsbewegung übrig bleibt", sagt Alves. Dieser Auftreffpunkt des
einfallenden Gases auf die Scheibe ist asymmetrisch; daher sollten auch die
bipolaren Abflüsse asymmetrisch sein - im Gegensatz zum klassischen Bild eines
Scheibenwindes.
Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift Astronomy & Astrophysics erschienen ist.
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