Flying Laptop und TechnoSat sind im All
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
17. Juli 2017
Mit einer Sojus-Trägerrakete sind am Freitag zwei
deutsche Kleinsatelliten in eine Erdumlaufbahn gestartet worden. An der
Entwicklung und dem Bau von TechnoSat und Flying Laptop waren
Studierende maßgeblich beteiligt. Die Satelliten sollen hauptsächlich neue
Technologien testen, werden aber unter anderem auch Bilder der Erde machen und
sich an der Asteroidensuche beteiligen.

Der 110 Kilogramm schwere Kleinsatellit
Flying Laptop soll neue Technologien erproben und
hat wissenschaftliche Instrumente zur
Erdbeobachtung an Bord. Die Missionszeit des
Satelliten beträgt rund zwei Jahre.
Bild: Jonas Keim, IRS, Universität Stuttgart [Großansicht]]

In dem rund 20 Kilogramm schweren
Nanosatelliten echnoSat sind sieben
experimentelle Nutzlasten verbaut, die im Orbit
getestet werden sollen.
Bild: Technische Universität Berlin |
Am 14. Juli 2017 sind um 8.36 Uhr MESZ die beiden deutschen Kleinsatelliten
"Flying Laptop" und "TechnoSat" an Bord einer russischen Sojus-Rakete
vom Weltraumbahnhof Baikonur erfolgreich gestartet. Die Entwicklung, der Bau und
der Start von TechnoSat sowie der Start von Flying Laptop
werden vom Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt
(DLR) mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi)
gefördert.
Die Forschungssatelliten sollen neue Technologien unter Weltraumbedingungen
testen und sind gleichzeitig Ausbildungsmissionen. Denn die Satellitenprojekte
wurden von Doktoranden entwickelt, gebaut und für ihren Flug in den Weltraum
qualifiziert. Studierende haben dabei in Form von Abschlussarbeiten unterstützt.
"Für uns ist die praxisnahe Ausbildung des Ingenieur-Nachwuchses ein
wichtiger Teil dieser Kleinsatellitenmissionen. Ein weiterer ist die
Technologieerprobung. Viele Hersteller möchten ihre Raumfahrttechnologie und
Bestandteile für zukünftige Satelliten direkt im Orbit unter Weltraumbedingungen
testen. Bis jetzt sind solche Missionen allerdings sehr kostspielig.
Kleinsatelliten könnten hier eine Wende bringen", betont Christian Nitzschke,
Programmleiter in der Abteilung Technik für Raumfahrtsysteme und Robotik im
DLR-Raumfahrtmanagement, der für diese Missionen verantwortlich ist.
"Bevor neue technische Komponenten in zukünftigen Weltraummissionen
mitfliegen, müssen sie im Orbit getestet werden. Nanosatelliten können aufgrund
ihrer geringen Größe und ihres Gewichts sowie dem Einsatz von modernen Bauteilen
aus Informations- und Kommunikationstechnik und der Automobilindustrie
Raumfahrtmissionen effizienter machen", erklärt TechnoSat-Projektleiter
Merlin Barschke von der Technischen Universität Berlin. In dem achteckigen und
rund 20 Kilogramm schweren Nanosatelliten sind sieben experimentelle Nutzlasten
verbaut, deren Funktion und Leistungsfähigkeit im Orbit getestet werden soll.
Mit an Bord ist auch ein neuartiges Konzept der TU Berlin zur Ausrichtung von
Satelliten - der Fluiddynamische Aktuator. Statt eines Elektromotors wird eine
elektromagnetische Pumpe eingesetzt. Diese leitet ein flüssiges Metall durch
einen ringförmigen Kanal, wodurch der Satellit schnell und präzise ausgerichtet
werden kann. Hierzu werden auch konventionelle, mit einem Elektromotor
betriebene Reaktionsräder der Technischen Universität Berlin getestet. Darüber
hinaus muss auch der Sternsensor STELLA der Universität Würzburg seine
Funktionstauglichkeit beweisen, indem er anhand der Position der hellsten Sterne
die Lage des Satelliten bestimmt.
Des Weiteren testet das Team den S-Band-Sender HISPICO, ein
Gemeinschaftsprojekt der Technischen Universität Berlin und der IQ wireless
GmbH. Im Gegensatz zur bisherigen Funkverbindung soll der Sender höhere
Datenmengen aus dem Orbit zur Bodenstation senden. Hierfür nimmt die
TechnoSat-Kamera Bilder auf, die über den S-Band-Sender zur Erde geschickt
und zudem für die Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden.
Die Laser-Retroreflektoren der TU Berlin, des Helmholtz-Zentrums Potsdam
sowie der Austrian Academy of Sciences sollen die Satellitenbahn
präzise vermessen. Dafür wird ein Laserstrahl von der Bodenstation auf den
Satelliten gerichtet und die Zeit gemessen, die vergeht bis dieser Strahl zurück
auf die Erde reflektiert wird. Mit diesem Experiment soll gezeigt werden, dass
kleine, günstigere und kommerzielle Reflektoren für diese Anwendung genutzt
werden können. Darüber hinaus wird der am DLR-Institut für Raumfahrtsysteme
entwickelte In-Situ Sensor SOLID (Solar panel based Impact Detector) im Orbit
erprobt. SOLID soll zukünftig die Häufigkeit der Weltraummüll- und
Mikrometeoriden im Weltraum erfassen und bestehende Simulationsmodelle
verbessern.
Auch gestartet wurde am Freitag der Flying Laptop: "Für die
Studierenden und Promovierenden bietet das Projekt Flying Laptop eine
großartige Möglichkeit, die Theorie in die Praxis umzusetzen und
Projekterfahrung an einer realen Raumfahrtmission zu sammeln. Mehr als 150
studentische Arbeiten sowie mehr als 20 Doktorarbeiten sind bisher im Rahmen
dieses Projekts entstanden", berichtet Prof. Sabine Klinkner, Projektleiterin an
der Universität Stuttgart.
Denn der 110 Kilogramm schwere Kleinsatellit Flying Laptop wurde von
Doktoranden und Studierenden am dortigen Institut für Raumfahrtsysteme (IRS)
entwickelt und gebaut. Außerdem wurde im Rahmen der Satellitenentwicklung die
notwendige Infrastruktur für Bau, Qualifizierung und Betrieb von Kleinsatelliten
geschaffen. Neben einem großen Reinraum für die Integration von Satelliten,
einem Optiklabor und einer Thermal-Vakuumkammer wurde auch die Bodenstation mit
einem Kontrollsegment an der Stuttgarter Universität aufgebaut und eine
Satellitensimulationsumgebung entwickelt.
Die Satellitenplattform selbst bildet den Hauptteil der Technologieerprobung
im All. Sie verfügt über ein System zur hochpräzisen Lageregelung und drei
Solarpaneele, die rund 270 Watt erzeugen. Zudem sind eine Reihe von innovativen
Systemen mit an Bord, die ebenfalls im Orbit erprobt werden sollen. Dazu zählen
ein innovativer Entfaltmechanismus für die Solarpaneelen, ein neuartiges
Bordrechnersystem sowie das Datenübertragungssystem OSIRIS, das über einen
infraroten Laserlink hohe Datenübertragungsgeschwindigkeiten unter Beweis
stellen soll.
In Zusammenarbeit mit der Firma TESAT wurde ein
Nutzlastdaten-Kommunikationssystem im S-Band-Frequenzbereich entwickelt.
Außerdem ist in Kooperation mit Airbus Defence and Space in Friedrichshafen ein
innovatives Betriebs- und Sicherheitskonzept entstanden. Für das Missionsziel
Erderkundung wird darüber hinaus ein neuartiges Kamerasystem die Erde
multispektral und unter verschiedenen Winkeln beobachten. Mit den Aufnahmen wird
die Vegetation untersucht, um beispielsweise die Verbreitung von eingeschleppten
Pflanzenarten zu untersuchen.
Mit Hilfe des Automatic Identification System (AIS) Empfängers, der vom
DLR-Institut für Raumfahrtsysteme in Bremen zur Verfügung gestellt wurde, können
Signale von Schiffen empfangen werden. Neu ist die Kombination mit den vom
Satelliten aufgenommenen Bildern, da nun die reale Position der Schiffe mit den
empfangenen Signalen verglichen werden kann. In Zusammenarbeit mit der
Technischen Universität Dänemark (DTU) sollen zudem die Sternenkameras, die im
Satelliten verbaut sind, zur Suche von so genannten Near Earth Objects (NEOs)
eingesetzt werden. Dabei sollen die vom Boden aus kaum erkennbaren Asteroiden,
die sich innerhalb der Umlaufbahn der Erde befinden, aufgespürt werden.
Zum Abschluss der Flying Laptop Mission stellt ein De-Orbit-Mechanismus
sicher, dass der Satellit innerhalb von 25 Jahren in der Atmosphäre verglüht und
somit die Entstehung von zusätzlichem Weltraumschrott vermeidet.
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