Stellarer Snack statt Supernova
von Stefan Deiters astronews.com
13. November 2016
Im vergangenen Jahr bemerkten Astronomen ein plötzliches
Aufleuchten in einer fernen Galaxie und hielten dies für eine besonders helle
Supernova. Neue Beobachtungen werfen nun aber ein ganz anderes Licht auf dieses
Ereignis: Die Forscher könnten nämlich auch Zeuge der Zerstörung eines Sterns
durch das zentrale Schwarzen Loch geworden sein.
So könnte es ausgesehen haben, als der Stern
in der fernen Galaxie vom zentralen Schwarzen
Loch zerrissen wurde.
Bild: ESO, ESA / Hubble, M. Kornmesser [Großansicht] |
Zunächst schien alles klar: Das vom All Sky Automated Survey for SuperNovae
entdeckte Aufleuchten in einer ferner Galaxie wurde von den Astronomen als
hellste bislang beobachtete Supernova klassifiziert, also als das gewaltsame Ende
eines massereichen Sterns. Das Ereignis ASASSN-15lh galt sogar als
"überleuchtkräftige Supernova", was nach Ansicht der Experten auf die Explosion
eines besonders massereichen Sterns hindeutete. Das Aufleuchten war doppelt so
hell, wie der bisherige Rekordhalter.
Die vermeintliche Supernova ereignete sich in einer Galaxie, die rund vier
Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Neue Beobachtungen eines
internationalen Forscherteams stellen nun aber die anfängliche Interpretation
aus dem vergangenen Jahr infrage.
"Wir haben die Quelle über zehn Monate nach dem Ereignis untersucht und sind
zu dem Schluss gekommen, dass die Erklärung einer ungewöhnlich hellen Supernova
nunmehr recht unwahrscheinlich erscheint", so Giorgos Leloudas vom Weizmann
Institute of Science in Israel und dem Dark Cosmology Centre des
Niels-Bohr-Instituts in Dänemark.
"Unsere Ergebnisse deuten vielmehr darauf hin, dass das Aufleuchten von einem
sich schnell um die eigene Achse drehenden supermassereichen Schwarzen Loch
stammt, das gerade dabei ist, einen massearmen Stern zu zerstören."
Die Wissenschaftler vermuten, dass in der entfernten Galaxie ein
sonnenähnlicher Stern dem zentralen supermassereichen Schwarzen Loch zu nahe
gekommen und von dessen extremen Gezeitenkräften zerrissen worden ist. Dabei
wurde der Stern zunächst "spaghettisiert", also in die Länge gezogen. Stoßwellen
von kollidierenden Trümmerteilen und das sich während des Akkretionsprozesses
aufheizende Material sorgten dann für die extreme Helligkeit des Ereignisses.
Ein solcher Vorgang wurde bislang nur etwa zehn Mal beobachtet.
Bei ihrer Analyse stützten sich die Wissenschaftler auf die Daten zahlreicher
Teleskope, darunter Beobachtungen des Weltraumteleskops Hubble, des
Very Large Telescope der europäischen Südsternwarte ESO und von anderen
ESO-Teleskopen in Chile. "Es gibt mehrere Aspekte, die unabhängig voneinander
dafür sprechen, dass hier ein Objekt durch die Gezeitenwirkung
auseinandergerissen wurde und nicht als Supernova explodiert ist", so Morgan
Fraser von der University of Cambridge.
Insbesondere konnten die Wissenschaftler in den Daten mehrere Phasen während
der zehn Monaten nach dem anfänglichen Aufleuchten identifizieren. Diese
sprechen eindeutig gegen das Supernova-Szenario und passen gut zu der
Vorstellung, dass hier ein Stern vom zentralen Schwarzen Loch der Galaxie
zerrissen wurde.
Allerdings bedarf es auch beim bevorzugten Modell zur Erklärung der
Beobachtungen einer Besonderheit: "Das Zerreißen des Sterns durch die
Gezeitenwirkung des Schwarzen Lochs, das wir als Erklärung vorschlagen, kann die
Beobachtungen nicht erklären, wenn sich das supermassereiche Schwarze Loch nicht
um die eigene Achse drehen würde", so Nicholas Stone von der Columbia
University in den USA. "Wir glauben also, dass bei ASASSN-15ln ein Objekt
von einer ganz besonderen Art von Schwarzem Loch zerrissen worden ist."
Aus der Masse der Galaxie, in der das Ereignis beobachtet wurde, folgern die
Wissenschaftler, dass das zentrale Schwarz Loch mindestens eine Masse von etwa
der 100-Millionen-fachen Masse unsere Sonne haben muss. Damit wäre das Schwarze
Loch aber nicht massereich genug, um durch seine Gezeitenwirkung einen Stern
zerreißen zu können, der weiter entfernt ist, als der Ereignishorizont des
Schwarzen Lochs. Anders sieht es nur bei Schwarzen Löchern aus, die sich schnell
um die eigene Achse drehen.
Trotz der vielen gesammelten Daten sind sich die Astronomen aber noch nicht
zu 100 Prozent sicher, dass ihre Erklärung richtig ist. "Es ist aber mit Abstand
die Wahrscheinlichste", so Leloudas. Über ihre Beobachtungen berichten die
Astronomen in einem Fachartikel, der in der Zeitschrift Nature Astronomy
erschienen ist.
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