Deutlich mehr Galaxien als angenommen
von Stefan Deiters astronews.com
18. Oktober 2016
Wie viele Sterne und wie viele Galaxien gibt es im
Universum? Auf diese beliebte Frage wird man künftig eine etwas andere Antwort
geben müssen: Die Auswertung von Daten des Weltraumteleskops Hubble und von anderen
Teleskopen hat nämlich ergeben, dass es offenbar mindestens zehn Mal mehr Galaxien
im sichtbaren Universum gibt, als man bislang angenommen hatte.
Der Bereich der GOODS-South-Himmelsdurchmusterung
im Visier des Weltraumteleskops Hubble. Bilder
wie diese wurde für die neue Studie ausgewertet.
Bild: NASA, ESA/Hubble [Großansicht] |
Wie viele Galaxien gibt es im Universum? Auf Grundlage der ersten tiefen
Blicke ins All in den 1990er Jahren haben Astronomen bislang immer 100 bis
200 Milliarden Galaxien geantwortet. Dies war praktischerweise in etwa die
gleiche
Größenordnung wie die Anzahl der Sterne, die man in unserer Milchstraße
vermutet.
Jetzt hat ein Team um Christopher Conselice von der University of
Nottingham die aktuell vorliegenden Daten noch einmal gründlich analysiert und ist zu
einem etwas anderen Ergebnis gekommen: Die bislang genannte Zahl der Galaxien im
sichtbaren Universum ist mindestens um einen Faktor zehn zu klein.
Das Team hat für ihre Analyse Daten des Weltraumteleskops Hubble und von
zahlreichen anderen Teleskopen genutzt, um aus den Beobachtungen 3D-Ansichten
des Universums zu erstellen und die Zahl der Galaxien zu verschiedenen Epochen
in der Geschichte des Universums zu bestimmen. Sie nutzten zudem ein neues
mathematisches Modell, mit dem sie auf Galaxien schließen konnten, die so
leuchtschwach sind, dass sie mit heute verfügbaren Teleskopen nicht beobachtet
werden können.
Damit alles zusammenpasst, so die Schlussfolgerung der Astronomen, müssen rund
90 Prozent der Galaxien im Universum so leuchtschwach und so weit entfernt sein, dass
man sie nicht beobachten kann.
"Das macht einen schon verrückt, dass mehr als 90 Prozent der Galaxien des
Universums noch darauf warten, untersucht zu werden", meint Conselice. "Wer kann
wissen, was für interessante Eigenschaften wir dabei entdecken werden, wenn wir
sie mit der nächsten Teleskopgeneration beobachten können."
Während ihrer Datenanalyse hat das Team mehr als 13 Milliarden Jahre in die
Vergangenheit geschaut und dabei festgestellt, dass die Galaxien im Verlauf der
Geschichte alles andere als gleichmäßig im All verteilt waren. So muss es, als
das Universum nur wenige Milliarden Jahre alt war, pro Raumbereich etwa zehn
Mal mehr Galaxien gegeben haben als heute. Bei den meisten handelte es sich um
kleine, lichtschwache Systeme, die den heutigen Satellitengalaxien der
Milchstraße geähnelt haben dürften.
Für die Astronomen ist dies ein Bestätigung dafür, dass im Verlauf der
Geschichte
kleinere Systeme zu größeren
Galaxien verschmolzen sind und sich so die Gesamtzahl der Galaxien verringert
hat. "Dies bestätigt das sogenannte 'Top-down'-Szenario über die
Strukturentstehung im Universum", so Conselice.
Dass die Anzahl der Galaxien mit der Zeit immer weiter abnimmt, hilft auch,
das Olbersche Paradoxon zu erklären, das die Frage stellt, warum der Nachthimmel
eigentlich dunkel ist. Das Team um Conselice kam in der Untersuchung nämlich zu dem
Schluss, dass es theoretisch so viele Galaxien gibt, dass an jedem Punkt
des Himmels eine Galaxie liegen müsste. Allerdings sind die meisten dieser Galaxien für
das menschliche Auge und auch für moderne Teleskope unsichtbar. Grund dafür sind
verschiedene Faktoren wie intergalaktischer Staub, der Licht
verschluckt oder auch die Rotverschiebung durch die Expansion des Alls.
Über ihre Untersuchung berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift The Astrophysical Journal erscheinen wird.
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