Zeugen vom Anfang der Milchstraße
von Stefan Deiters astronews.com
12. Oktober 2016
Mithilfe des Infrarotteleskops VISTA der europäischen
Südsternwarte ESO ist es Astronomen jetzt gelungen, RR-Lyrae-Sterne im
Zentralbereich unserer Milchstraße aufzuspüren. Diese Sterne sind in der Regel
Teil von sehr alten Sternpopulationen. Die Wissenschaftler sehen den Fund als
Hinweis dafür, dass das Zentrum der Milchstraße durch die Verschmelzung
urzeitlicher Sternhaufen entstanden ist.
VISTA-Blick in den Zentralbereich der
Milchstraße.
Bild: ESO / VVV Survey / D. Minniti [Großansicht] |
Das Visible and Infrared Survey Telescope for Astronomy (VISTA) ist Teil des
Paranal-Observatoriums der europäischen Südsternwarte ESO und ein direkter
Nachbar des Very Large Telescope. Auch wenn es "nur" einen Durchmesser von 4,1
Metern besitzt, hat es zweifellos seine ganz besonderen Stärken: Das zeigten
jetzt neue Beobachtungen mit dem Infrarotteleskop, die im Rahmen der
Himmelsdurchmusterung Variables in the Via Lactea durchgeführt wurden.
Im infraroten Bereich des Lichts ist nämlich ein deutlich besserer Blick auf
die
staubigen Regionen der Milchstraße möglich. Und so gelang einem Team um Dante Minniti von der Universidad Andrés Bello und Rodrigo Contreras Ramos vom
Instituto Milenio de Astrofísica im chilenischen Santiago nun ein sehr
viel
klarerer Blick in den Zentralbereich unserer Heimatgalaxie als zuvor. Sie
spürten dabei mehrere alte RR-Lyrae-Sterne auf, von deren Existenz dort man zuvor nichts
wusste.
RR-Lyrae-Sterne sind veränderliche Sterne, die regelmäßige
Helligkeitsschwankungen zeigen. Genau wie bei den Cepheiden lässt sich aus der
Periode der Schwankungen auf ihre tatsächliche Helligkeit und damit auf ihre
Entfernung schließen. Der Fund dieser Sterne im Zentralbereich unserer
Milchstraße könnte den Astronomen nun helfen, mehr über dessen Entstehung zu
erfahren.
Die Entdeckung von RR-Lyrae-Sternen war aber trotz des Infrarotblicks von
VISTA kein leichtes Unterfangen, da sich die gesuchten Sonnen nicht nur in einer
sehr dicht mit Sternen bevölkerten Region befinden, sondern auch oft noch von
jungen und hellen Sternen überstrahlt werden. Die Arbeit könnte sich aber gelohnt haben: "Diese Entdeckung von RR-Lyrae-Sternen
im Zentrum der Milchstraße liefert wichtige Hinweise auf die
Entstehungsgeschichte dieser Region", so Ramos. "Dies unterstützt die These,
dass diese Region einst durch die Verschmelzung einiger urzeitlicher
Kugelsternhaufen entstanden ist."
Der Fund der Sterne stellt damit ein gewichtiges Argument gegen die
alternative Idee zur Entstehung dieser Region dar, nach der sich der
Zentralbereich durch die schnelle Akkretion von Gas bildete. RR-Lyrae-Sterne
findet man fast ausschließlich in Kugelsternhaufen, so dass der Fund dieser
Sterne im Zentrum dafür spricht, dass zumindest Teile der Region durch eine
Verschmelzung von Kugelsternhaufen entstanden sind.
Die jetzt entdeckten RR-Lyrae-Sterne haben ein Alter von rund zehn Milliarden
Jahren. Sie könnte die letzten sichtbaren Überrestes des vielleicht ältesten und
massereichsten Sternhaufens der Milchstraße sein. Über ihre Beobachtungen berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in
der Zeitschrift The Astrophysical Journal Letters erscheinen wird.
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