Astro-Spektralanalyse hilft Medizinern
Redaktion
/ Pressemitteilung des Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam astronews.com
18. August 2016
Mithilfe der Integralen Feldspektroskopie untersuchen
Astronomen in der Regel die chemische Zusammensetzung von Sternen und Nebeln. Am
Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam versuchen Wissenschaftler nun,
dieses Verfahren so weiterzuentwickeln, dass es auch in der Medizin sinnvoll
angewendet werden kann. Dabei gab es jüngst einen entscheidenden Durchbruch.
Experiment mit Zuckerstück: Das Ramanbild
zeigt die räumliche Verteilung des Saccharose.
Bild: AIP [Gesamtansicht] |
Im Rahmen aktueller Technologietransferprojekte ist es Wissenschaftlern des
Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP) gelungen, die in der Astrophysik
entwickelte Methode der spektralen Bildgebung erfolgreich für die Diagnostik in
der Medizin einzusetzen. Hierbei wird im Unterschied zu digitalen Kameras für
jeden Bildpunkt nicht nur ein Helligkeitswert registriert, sondern ein ganzes
Spektrum aufgezeichnet. Das AIP hat sich mit diesem Verfahren, das auch
Integrale Feldspektroskopie (IFS) genannt wird, international einen Namen
gemacht. Die Methode wird unter anderem für die Instrumente PMAS und MUSE
eingesetzt.
Forscher um Elmar Schmälzlin konnten nun erstmals zeigen, dass die auf IFS
beruhende medizinische Bildgebung nicht nur Einzelaufnahmen erzeugt, sondern mit
dieser Methode inzwischen ganze Bildsequenzen, also Videos, aufgenommen werden
können. "Unserem Team ist hier ein ganz entscheidender Durchbruch gelungen:
Erstmalig kann der Medizin eine minimal-invasive optische Echtzeit-Diagnostik in
Aussicht gestellt werden, mit deren Hilfe der Operateur künftig in einem Schritt
die bislang notwendige Biopsie sowie die restlose Entfernung von
krebsverdächtigem Gewebe durchführen kann", so der verantwortliche Projektleiter
Martin Roth.
Die Bestimmung von Resektionsgrenzen, also die Unterscheidung zwischen gesundem
und krebsbefallenem Gewebe, kann nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen
auch ohne die vorherige Begutachtung im Labor des Pathologen mit Hilfe einer
Fasersonde und durch das Verfahren der Ramanspektroskopie direkt am Patienten
gelingen. Bei dieser Methode wird ein sogenannter "spektraler Fingerabdruck"
ausgewertet, der für die verschiedenen Gewebetypen charakteristisch ist, analog
zu der Methode, mit der Astrophysiker Alter und chemische Zusammensetzung von
Sternen und Gasnebeln messen.
"Heute verfügbare kommerzielle Spektrographen können gerade einmal ein Spektrum
für einen einzigen Messpunkt erzeugen. Anders als der Astronom, der in Ruhe am
Computer seine Spektren studieren kann, benötigt der Arzt bei einem Eingriff
aber in kürzester Zeit eine verlässliche Information über die fragliche
Gewebestelle, also ein komplettes Bild - am besten in Echtzeit.", so Roth.
Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Die Wissenschaftler am AIP beschäftigen
sich gegenwärtig in Zusammenarbeit mit Medizinern der Charité-Universitätsmedizin
in Berlin, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, mit der
Validierung des Verfahrens, um die Verlässlichkeit der bildgebenden
Ramanspektroskopie nachzuweisen: ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg hin zur
klinischen Erprobung mit einem optimierten Gerät.
Die Vorversuche am AIP zur prinzipiellen Machbarkeit eines künftigen
Video-Raman-Verfahrens sind vielversprechend. Ausgetestet haben die AIP-Forscher
die Video-Raman-Technologie zunächst in einer Reihe von Laborversuchen. Als
Modellsystem diente ein sich in Wasser auflösendes Zuckerstück. Der
Auflösevorgang wurde per Video-Raman dokumentiert, wobei die Aufnahmezeit eines
Einzelbildes zehn Sekunden betrug, gefolgt von zehn Sekunden Auslesezeit. Die
effektiv erreichte Bildfrequenz betrug damit zwanzig Sekunden. Diese
Zeitbegrenzung ist hauptsächlich auf die technischen Eigenschaften des
verwendeten Detektorchips zurückzuführen.
Derzeit wird an einem schnelleren Kamerasystem gearbeitet, durch das eine
anwenderspezifische Auswahl des Auslesebereichs ermöglicht werden soll. Das AIP
engagierte sich als Mitglied des Leibniz-Forschungsverbunds für Medizintechnik
für Wissens- und Technologietransfer aus der Astrophysik für die Medizin.
Über ihre Arbeiten berichten die Wissenschaftler in zwei aktuellen Fachartikeln,
die in den Zeitschriften SPIE Astronomical Telescopes + Instrumentation
und Journal of Sensors and Sensor Systems erscheinen.
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