Entfernte Galaxie ist Schwarzes Loch
von Stefan Deiters astronews.com
30. Juni 2016
Eine eigentümliche Quelle von Radiostrahlung hielten
Astronomen viele Jahre lang für eine entfernte Galaxie. Jetzt ergaben
Beobachtungen der Weltraumteleskope Chandra und Hubble und
anderer Teleskope, dass es sich wohl tatsächlich um ein Doppelsternsystem aus
einem Stern und einem Schwarzen Loch in unserer Milchstraße handelt. Sind
Schwarze Löcher also viel häufiger als angenommen?

Das Objekt VLA J2130+12 befindet sich am
Himmel in der Nähe des Kugelsternhaufens Messier
15. Die Ausschnitte zeigen Beobachtungen im
Radio- und Röntgenbereich.
Bild: NASA / CXC / Univ. of Alberta /
B. Tetarenko et al (Röntgen), NASA / STScI
(optisch), NSF / AUI / NRAO / Curtin Univ. / J.
Miller-Jones (Radio) [Großansicht] |
Seit rund zwei Jahrzehnten kennen Astronomen das Objekt VLA
J213002.08+120904, kurz VLA J2130+12, das sich am Himmel in unmittelbarer Nähe
des Kugelsternhaufens Messier 15 befindet. Trotzdem glaubten die meisten
Astronomen, dass es sich bei VLA J2130+12 nicht um ein Objekt unserer
Milchstraße, sondern um eine weit entfernte Galaxie handelt.
Eine neue Entfernungsbestimmung mithilfe eines internationalen Netzwerks aus
Radioteleskopen ergab nun aber, dass VLA J2130+12 gerade einmal 7.200 Lichtjahre
von der Erde entfernt ist. Es handelt sich somit nicht nur um ein Objekt der
Milchstraße -VLA J2130+12 ist uns auch rund fünf Mal näher als Messier 15.
Beobachtungen mit dem Weltraum-Röntgenteleskop Chandra ergaben, dass das
Objekt nur sehr wenig Strahlung im Röntgenbereich abgibt. Messungen mit dem Very
Large Array, einem Verbund von Radioteleskopen, zeigten jedoch, dass es sehr
hell im Radiobereich leuchtet.
In einer neuen Studie kommen Astronomen nun zu dem Schluss, dass es sich bei
VLA J2130+12 um ein Schwarzes Loch mit der mehrfachen Masse unserer Sonne
handelt, das sehr langsam Material von einem Begleitstern abzieht. Da das
Schwarze Loch nur äußerst wenig Materie verschlingt, fehlen dem Objekt alle
charakteristischen Merkmale, an denen man bislang ein Schwarzes Loch in einem
Doppelsternsystem erkannt hatte.
"In der Regel entdecken wir Schwarze Löcher, wenn sie gerade größerer Mengen
an Material anziehen", so Bailey Tetarenko von der University of Alberta in
Kanada. "Bevor dieses Material im Schwarzen Loch verschwindet, wird es sehr heiß
und es wird im Röntgenbereich sehr hell. Dieses hier ist so ruhig, dass es sich
praktisch um ein verstecktes Schwarzes Loch handelt."
Es ist das erste Mal, dass ein so ruhiges Schwarzes Loch außerhalb eines
Kugelsternhaufens entdeckt wurde. Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop Hubble
ergaben, dass der Begleitstern des Schwarzen Lochs nur etwa ein Zehntel bis ein
Fünftel der Masse unserer Sonne haben dürfte. Die im Radio- und Röntgenbereich gemessenen
Strahlungsmengen lassen andere Interpretationen des Systems unwahrscheinlich
erscheinen.
Die Astronomen spekulieren nun darüber, ob es in unserer Milchstraße noch
deutlich mehr Objekte wie VLA J2130+12 gibt. Dies würde bedeuten, dass in
unserer Heimatgalaxie vielleicht Tausende oder gar Millionen bislang
unentdeckter Schwarzer Löcher existieren und damit deutlich mehr, als die
Wissenschaftler bislang angenommen hatten.
"Wenn wir nicht einfach nur ungeheures Glück hatten und zufällig ein solches
Objekt in einem sehr kleinen Bereich des Himmels gefunden haben, dann sollte es
sehr viel mehr solcher Doppelsternsysteme mit Schwarzen Löchern in unserer
Galaxie geben, als man bislang gedacht hatte", so Arash Bahramian von der
University of Alberta.
Einige dieser Objekte könnten sich dabei auch sehr viel näher an der Erde
befinden als VLA J2130+12. Grund zur Sorge besteht allerdings nicht: Sie wären
immer noch viele Lichtjahre von unserer galaktischen Heimat entfernt. Um sie
aufzuspüren, wären sehr empfindliche Durchmusterungen im Radio- und
Röntgenbereich nötig.
Über ihre Studie berichten die Astronomen in einem Fachartikel, der in der
Zeitschrift The Astrophysical Journal veröffentlicht wird.
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