Kosmische Kaulquappe im Visier
von Stefan Deiters astronews.com
29. Juni 2016
Die ESA hat gestern eine neue Aufnahme der Galaxie LEDA
36252 veröffentlicht. Das System gleicht einer kosmischen Kaulquappe am Himmel
und ihre Untersuchung mithilfe des Weltraumteleskops Hubble
lieferte einige Überraschungen. Diese Kaulquappen-Galaxien sind in unserer
Nachbarschaft vergleichsweise selten. Früher gab es sie allerdings häufiger.
Die Galaxie LEDA 36252.
Bild: NASA, ESA und D. Elmegreen (Vassar
College), B. Elmegreen (IBM’s Thomas J. Watson
Research Center), J. Almeida, C. Munoz-Tunon und
M. Filho (Instituto de Astrofisica de Canarias),
J. Mendez-Abreu (University of St. Andrews), J.
Gallagher (University of Wisconsin-Madison), M.
Rafelski (NASA Goddard Space Flight Center) und
D. Ceverino (Zentrum für Astronomie der
Universität Heidelberg) [Großansicht] |
Im Universum gibt es ganz verschiedene Arten von Galaxien. Die
meisten aber lassen sich entweder den elliptischen Galaxien oder den Spiral- und
Balkenspiralgalaxien zuordnen. Unsere Milchstraße gehört beispielsweise zu den
Balkenspiralgalaxien. Manche Systeme sind allerdings deutlich anders - wie
beispielsweise die Galaxie LEDA 36252, die das Weltraumteleskop Hubble
nun
beobachtet hat.
Das System, das auch unter der Katalogbezeichnung Kiso 5639 bekannt ist,
gehört zur seltenen Klasse der "Kaulquappen-Galaxien". Diese zeichnen sich durch
einen hellen und kompakten Kopfbereich und einen langgezogenen Schweif aus. Es
gibt auch eine Spiralgalaxie mit dem Spitznamen "Kaulquappen-Galaxie".
Sie hat mit den "Kaulquappen-Galaxien" aber nichts zu tun.
Diese im Englischen als "tadpole galaxies" bezeichneten Systeme sind in
unserer kosmischen Nachbarschaft vergleichsweise selten: Unter 10.000 Galaxien
im lokalen Universum finden sich nur 20 Kaulquappen-Galaxien. Im jungen
Universum allerdings war dieser Galaxientyp häufiger.
Die Daten für das Bild von LEDA 36252 wurden im Rahmen einer Untersuchung der
Galaxie mit dem Weltraumteleskop Hubble gewonnen. Das besondere Interesse der
Astronomen galt dabei der Akkretion von kosmischem Gas, Ausbrüchen von
Sternentstehung und der Entstehung von Kugelsternhaufen.
Die Sterne in Kaulquappen-Galaxien sind in der Regel sehr alt. Auch LEDA
36252 ist da keine Ausnahme. Allerdings ergab die Untersuchungen des Systems,
dass sich in der Galaxie einige überraschend junge Sterne mit einer Gesamtmasse
von etwa der 10.000-fachen Masse unserer Sonne befinden. Diese jungen Sterne
sind Teil von gewaltigen Sternhaufen und scheinen hauptsächlich aus
Wasserstoff und Helium zu bestehen.
Die Astronomen vermuten, dass die Entstehung dieser neuen Sterne durch die
Akkretion - also das Aufsammeln - von ursprünglichem Gas aus der Umgebung der
Galaxie ausgelöst
wurde. Dieses Gas enthielt nur sehr wenige schwerere Elemente, wie sie durch
Reaktionen im Inneren von Sternen entstehen. Auch im Schweif der Galaxie finden
sich mindestens vier deutlich unterscheidbare Sternentstehungsregionen. Sie
scheinen allerdings älter zu sein, als die Sternentstehungsregion im "Kopf" der
Galaxie.
Die Astronomen fanden auch Hinweise auf starke stellare Winde und
Supernova-Explosionen, die für Hohlräume im Gas des Kopfbereichs gesorgt haben.
Filamente aus Gas und Sternen erstrecken sich von der Galaxie ins All. Das Bild
wurde aus Daten erstellt, die in unterschiedlichen Wellenlängenbereichen
mit der Wide Field Camera 3 von Hubble aufgenommen wurden. Das System ist rund 80 Millionen Lichtjahre von uns
entfernt.
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