Tomatenzucht im Erdorbit
Redaktion
/ Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt astronews.com
26. Mai 2016
Die Mission Eu:CROPIS des Deutschen Zentrums für Luft- und
Raumfahrt hat eine entscheidende Hürde genommen: Das Team kann mit dem Bau des
Satelliten beginnen, der 2017 an Bord einer Trägerrakete vom Typ Falcon 9
ins All starten soll. An Bord werden sich zwei Gewächshauseinheiten befinden -
eine simuliert die Bedingungen auf dem Mond, die andere die auf dem Mars.

Der DLR-Satellit Eu:CROPIS soll 2017 starten.
Durch Rotation um die eigene Achse wird er für
zwei Gewächshäuser in seinem Inneren die
Gravitationsbedingungen von Mond und Mars
erzeugen.
Bild: DLR [Großansicht] |
Die Umsetzung einer Weltraummission ist wie ein Rennen in Etappen - nur wenn
erste Modelle eines Satelliten erfolgreich getestet wurden, fällt der
Startschuss für den Bau des eigentlichen Flugmodells. Für den Satelliten
Eu:CROPIS des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), der zwei
Gewächshäuser im All unter Mond- und Marsbedingungen betreiben wird, ist dieser
nächste Meilenstein nun erreicht: Der Bau des Flugmodells kann beginnen.
Die Ziellinie liegt dabei bereits fest – in der zweiten Jahreshälfte 2017
sollen der Satellit und seine wissenschaftliche Nutzlast mit der Falcon 9
von SpaceX in Richtung All starten. "Bis Frühjahr 2017 werden wir im
DLR Bremen das Flugmodell bauen und ausgiebig für den Flug testen", erläutert
Ingenieur Hartmut Müller, Projektleiter für den Bau des Satelliten am
DLR-Institut für Raumfahrtsysteme.
Der Satellit Eu:CROPIS soll während seiner Mission in 600 Kilometern
Höhe rotieren und dabei in seinem Inneren für sechs Monate zunächst die
Schwerkraft von Mond und anschließend sechs Monate lang Mars-Gravitation
erzeugen. Dabei sollen Tomatensamen unter den überwachenden Augen von 16 Kameras
keimen und kleine Weltraum-Tomaten entwickeln.
Die entscheidenden Helfer, die dies ermöglichen, fliegen mit ins All: Zum
einen wird ein ganzes Konsortium von Mikroorganismen in einem Rieselfilter dafür
sorgen, dass aus künstlichem Urin ein bekömmlicher Dünger für die Tomaten
entsteht, zum anderen sind Augentierchen - der Einzeller Euglena - mit an Bord,
um das geschlossene System zusätzlich vor überschüssigem Ammoniak zu schützen
und zudem Sauerstoff zu liefern. LED-Licht wird für Augentierchen und
Tomatensamen einen Tag- und Nachtrhythmus liefern, ein Drucktank für irdische
Atmosphäre sorgen.
"Wir simulieren und testen letztendlich Gewächshäuser, die auf Mond oder Mars
im Inneren eines Habitats stehen könnten und für eine Crew vor Ort frische
Lebensmittel liefern, indem sie in einem geschlossenen System Abfälle
kontrolliert in Dünger umwandeln", sagt DLR-Biologe Dr. Jens Hauslage, der die
Mission wissenschaftlich leitet.
In einem Mondhabitat zum Beispiel wäre das Gewächshaus im Inneren - dort, wo
auch die Astronauten sich in einer erdähnlichen Atmosphäre aufhalten. Einer der
Abfälle, die mit großer Regelmäßigkeit entstehen würde: der Urin der
Astronauten. Anpassen müssten sich die Pflanzen dabei an die verminderte
Schwerkraft - auf dem Mond herrscht etwa ein Sechstel der Erdanziehungskraft,
auf dem Mars etwas ein Drittel. "Ein Komposthaufen zum Recycling wäre aber nicht
kontrollierbar für eine Raumstation oder ein Habitat - deshalb verwenden wir
unseren Rieselfilter C.R.O.P., der wie normaler Boden funktioniert, allerdings
unter kontrollierten Bedingungen", so Hauslage.
Bevor Eu:CROPIS auf die Reise geschickt wird, werden die Lavasteine
des Rieselfilters deshalb zunächst mit getrockneter Erde "infiziert". Durch
diese Impfung ziehen verschiedene Organismen in die löchrige, große Oberfläche
der Lavasteine ein und nutzen diese als Habitat. Im All wird dann alle zwei,
drei Tage künstlicher Urin versetzt mit Wasser über dieses Habitat rieseln, in
dem ein wahrer Wettbewerb der Mikroorganismen um diese Nahrung entsteht. Das
schädliche Ammoniak wird dabei über Nitrit zu Nitrat abgebaut und als Dünger zu
den Tomatensamen geleitet.
Ist Eu:CROPIS mit seiner wissenschaftlichen Nutzlast im All, wird
zunächst das Gewächshaus aktiviert, das den Mond-Bedingungen ausgesetzt wird.
Der Satellit wird dabei vom DLR-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen gesteuert,
das Gewächshaus erhält seine Kommandos aus dem DLR-Kontrollzentrum in Köln. Der
Rieselfilter mit seinen hungrigen Insassen wird vom DLR-Institut für Luft- und
Raumfahrtmedizin betrieben, die Augentierchen steuert die
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg bei.
Nach sechs Monaten wird dann das zweite Gewächshaus unter Mars-Gravitation
aktiviert: Mikroorganismen, Tomatensamen und Euglena waren dann schon ein halbes
Jahr der Weltraumstrahlung ausgesetzt – vergleichbar mit einem Flug zum Mars.
Während der gesamten Mission vermisst das DLR-Institut für Luft- und
Raumfahrtmedizin auch die Strahlenbelastung im Inneren sowie an der Außenseite
des Satelliten.
"Die Technologie, die wir mit Eu:CROPIS im All für Habitate auf
anderen Himmelskörpern testen, ist aber auch für die terrestrische Anwendung
geeignet", sagt Hauslage. So könne man mit Rieselfiltern Gülle umwandeln und
diese effektiver und geruchsärmer einsetzen. Auch das Recycling von Urin in
städtischen Ballungsräumen, beispielsweise für Gewächshäuser in Hochhäusern,
wäre eine mögliche Anwendung.
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