Ein sehr stürmischer Roter Zwerg
von Stefan Deiters astronews.com
20. November 2015
Rote Zwerge sind die am häufigsten in der Milchstraße
vorkommenden Sterne und daher ein dankbares Ziel für die Suche nach Planeten.
Sie sind deutlich kleiner als unsere Sonne, müssen deswegen aber offenbar nicht
weniger aktiv sein: Mithilfe von ALMA entdeckten Astronomen nämlich nun einen
ungewöhnlich stürmischen Roten Zwerg. Lebensfreundliche Welten dürfte es um ihn
kaum geben.

So könnte der Rote Zwerg TVLM 513-46546
aussehen. Das starke Magnetfeld ist in dieser
künstlerischen Darstellung durch die blauen
Linien angedeutet.
Bild: NRAO / AUI / NSF; Dana Berry / SkyWorks [Großansicht] |
Unsere Sonne ist eigentlich ein recht ruhiger Stern und schleudert nur hin
und wieder einmal Partikelwolken ins All. Treffen diese die Erde, können sie
Satelliten beeinträchtigen oder - in extremen Fällen - sogar die
Energieversorgung unterbrechen. Oft führen sie aber nur zu faszinierenden
Polarlichtern. Man könnte nun annehmen, dass masseärmere Sterne als die Sonne, sogenannte Rote Zwerge,
noch weniger aktiv sind, als unser
Heimatstern.
Jetzt haben Astronomen aber einen Roten Zwerg entdeckt, der eine deutlich größere Aktivität
aufweist. Planeten, die in zu geringem Abstand um ihn kreisen, dürften daher
weitaus weniger lebensfreundlich sein, als man dies bislang angenommen hat.
"Wenn wir auf einem Planeten um einen Stern wie diesem leben würden, gäbe es bei
uns keine Satellitenkommunikation", so Peter Williams vom
Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics. "Es wäre für das Leben sogar
außerordentlich schwierig, sich unter solchen Bedingungen zu entwickeln."
Den Stern TVLM 513-46546, den die Wissenschaftler mit dem
Radioteleskopverbund Atacama Large Millimeter/submillimeter Array
(ALMA) anvisierten, befindet sich in einer Entfernung von rund 35 Lichtjahren im
Sternbild Bärenhüter. Der Rote Zwerg ist so massearm, dass er sich fast auf der
Grenze zwischen den Braunen Zwergen, die noch kein Wasserstoff in ihrem Inneren
zur Energieerzeugung fusionieren, und den normalen Sternen befindet.
TVLM 513-46546 dreht sich mit ungeheurer Geschwindigkeit um die eigene Achse:
Für eine Umdrehung braucht der stellare Winzling gerade einmal zwei Stunden. Zum Vergleich:
Die Sonne benötigt für eine Drehung um die eigene Achse fast einen Monat.
Frühere Radiobeobachtungen haben zudem ergeben, dass der Stern über ein
Magnetfeld verfügt, das mehrere hundert Mal stärker ist, als das unserer Sonne.
Für die Astronomen ist dies eine Überraschung, da die physikalischen Prozesse,
die das Magnetfeld unserer Sonne entstehen lassen, bei einem so kleinen Objekt
nicht wirksam sein sollten. "Magnetisch betrachtet ist dieser Stern schon ein
ganz anderes Kaliber als unsere Sonne", so Edo Berger vom
Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics.
Mit ALMA entdeckten die Astronomen Strahlung in einem Frequenzbereich, der
auf Ausbrüche des Roten Zwergs hindeutet. Die Strahlung gleicht der, die auch
bei Eruptionen auf der Sonne entstehen, ist allerdings 10.000-mal heller - dabei
hat der Stern nicht einmal ein Zehntel der Masse unserer Sonne. Dass diese
Eruptionen von ALMA während einer nur vierstündigen Beobachtung entdeckt wurden,
könnte bedeuten, dass der Stern ständig aktiv ist.
Rote Zwergsterne sind die am häufigsten in der Milchstraße vorkommenden
Sterne und gelten daher als vielversprechende Ziele für die Suche nach Planeten,
die eventuell auch lebensfreundlich sein könnten. Da die Roten Zwerge aber
deutlich lichtschwächer sind, müssten Planeten sie in einem deutlich geringerem
Abstand umrunden, um noch ausreichend Wärme abzubekommen, damit Wasser noch in
flüssiger Form auf ihrer Oberfläche existieren kann.
Ist der Rote Zwerg dann aber so aktiv wie vermutlich TVLM 513-46546, wäre der
Planet ständigen Stürmen von seiner Sonne ausgesetzt. Und diese wären deutlich heftiger, als die Sonnenstürme, die manchmal die Erde erreichen. Die
damit verbundene Strahlung könnte die gesamte Atmosphäre oder zumindest
komplexere Moleküle auf der Oberfläche zerstören. Die Entwicklung von uns
vertrautem Leben wäre dann hier eher unwahrscheinlich.
Dass Rote Zwerge zu Ausbrüchen neigen, war schon länger bekannt, doch ist die
Aktivität von TVLM 513-46546 schon etwas Besonderes. Die Forscher wollen nun durch die Beobachtung anderer Roter Zwergsterne
herausfinden, ob TVLM 513-46546 nur eine Ausnahmeerscheinung ist oder ob es eine
ganze Klasse von so stürmischen Zwergsternen gibt. Über ihre aktuellen
Beobachtungen berichten sie in einem Fachartikel, der in der Zeitschrift The
Astrophysical Journal erschienen ist.
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