Kein Signal der Dunklen Materie
Redaktion
/ Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Kernphysik astronews.com
21. August 2015
Sogenannte WIMPs gelten unter Experten als
vielversprechende Kandidaten für Dunkle Materie. Theoretisch sollten sie
gelegentlich mit Atomkernen wechselwirken, was mit aufwendigen Detektoren
nachzuweisen wäre. Die
DAMA/LIBRA-Kollaboration glaubte nun, ein solches Signal der Dunklen Materie
entdeckt zu haben. Mit dem XENON100-Detektor ließ sich dies allerdings nicht
bestätigen.
Die Lichtsensoren des XENON100 Detektors. Foto: XENON-Kollaboration [Großansicht] |
Schwach wechselwirkende schwere Teilchen, WIMPs genannt, sind aus theoretischer
Sicht die wohl bevorzugten Kandidaten für Dunkle Materie. In Experimenten
sollten sie sich gelegentlich durch Stöße mit Atomkernen des Detektormaterials
bemerkbar machen. "Unser XENON100-Detektor gehört zu den weltweit
empfindlichsten, trotzdem haben wir damit keine Dunkle Materie gefunden", sagt
Uwe Oberlack von der Universität Mainz.
Die Bewegung der Erde um die Sonne, die sich auf ihrer Bahn um das Zentrum der
Milchstraße durch deren Dunkle-Materie-Halo bewegt, sollte weiterhin zu einer
jahreszeitlichen Modulation des Signals führen: Im Sommer werden mehr, im Winter
weniger Ereignisse erwartet. Das DAMA/LIBRA-Experiment hat mit seinem
Natriumiodid-Detektor zwar eine solche Modulation über einen Zeitraum von 14
Jahren gemessen, diese als WIMP-Signal zu interpretieren steht aber im
Widerspruch zu den Ergebnissen mehrerer anderer Experimente.
Weil DAMA/LIBRA nicht zwischen Streuungen am Atomkern oder den Elektronen der
Atomhülle unterscheiden kann, wären leichtere Teilchen, die nur an Elektronen
streuen, eine mögliche Erklärung aller Daten. Deshalb haben die Wissenschaftler
der XENON-Kollaboration jetzt mit neuen Analysemethoden in ihren Daten nach
Hinweisen darauf gesucht und ihre Ergebnisse in zwei Arbeiten publiziert.
Der XENON100-Detektor nutzt als Nachweismedium 62 Kilogramm flüssiges Xenon und
misst die winzigen Ladungs- und Lichtsignale, die bei den seltenen Kollisionen
von Dunkle-Materie-Teilchen mit Xenon-Atomen erwartet werden. Im Gegensatz zu
DAMA/LIBRA kann XENON100 zwischen Streuung an Atomkernen und an Elektronen gut
unterscheiden. Untergebracht ist das Experiment im italienischen Gran-Sasso-Untergrundlabor
(LNGS), wo 1.400 Meter Fels die störende kosmische Strahlung abschirmen.
Um falsche Signale aufgrund der natürlichen Radioaktivität in der Umgebung des
Detektors auszuschließen, wird der Detektor durch Schichten von Xenon, Kupfer,
Polyethylen, Blei und Wasser abgeschirmt. Dadurch ist die Rate störender
Hintergrundsignale mehr als 100 Mal niedriger als bei DAMA/LIBRA und sogar
geringer als die dort beobachtete Amplitude der jahreszeitlichen Modulation.
Nichtsdestotrotz hat die XENON-Kollaboration ihre Daten zur Streuung an
Elektronen der Atomhülle auch auf zeitliche Variationen hin untersucht.
Entscheidend war dabei, dass der Detektor selbst während der gesamten Messzeit
stabil betrieben wurde. Dies konnte für einen Xenon-Detektor nun zum ersten Mal
überhaupt gezeigt werden. "Die Suche nach möglichen zeitlichen Variationen ergab
keine signifikante Modulation über Zeiträume von bis zu 500 Tagen – im
Widerspruch zur Beobachtung von DAMA/LIBRA", fasst Christian Weinheimer von der
Universität Münster das Ergebnis der neuen Analyse zusammen.
Die XENON-Forscher haben zudem unter verschiedenen Annahmen berechnet, wie das
Signal von DAMA/LIBRA in ihrem Detektor aussehen würde, wenn es von an
Elektronen gestreuten Dunkle-Materie-Teilchen verursacht worden wäre. Der
Vergleich dieser Erwartung mit den XENON100-Daten aus einem Zeitraum von 70
Tagen rund um das Maximum der jahreszeitlichen Modulation ist eindeutig: Kein
Signal, sondern nur der erwartete Hintergrund.
Die berechnete Obergrenze für die Wahrscheinlichkeit einer solchen
Wechselwirkung ist so niedrig, dass das DAMA/LIBRA-Signal komplett
ausgeschlossen werden kann. "Somit hält keines der untersuchten Modelle, das die
DAMA/LIBRA-Daten in Übereinstimmung mit den Ergebnissen anderer Experimente
bringen könnte, der neuen Überprüfung durch das XENON100-Experiment stand",
resümiert Manfred Lindner vom KPI für Kernphysik, "Folglich lässt sich das
DAMA/LIBRA-Ergebnis auch nicht mit Dunkler Materie erklären, die nur an
Elektronen streut."
Da der XENON100 Detektor an der Grenze seiner Sensitivität angekommen ist,
installiert die Kollaboration im Moment einen 100 Mal empfindlicheren Detektor.
Dieses Instrument, XENON1T, wird Ende des Jahres ein komplett neues Kapitel bei
der Suche nach Dunker Materie aufschlagen.
Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler in den Fachzeitschriften
Science und Physical Review Letters.
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