Die Bahn der Feuerkugel über Süddeutschland
Redaktion
/ Pressemitteilung des DLR astronews.com
11. August 2015
Am 15. März 2015 war über Südwestdeutschland und der Schweiz
ein besonders heller Meteoroid, eine sogenannte Feuerkugel, zu sehen. Die Bahn
des Brockens aus dem All konnte gleich von mehreren automatischen Kameras
verfolgt werden, so dass Experten inzwischen wissen, in welcher Region
Bruchstücke davon zu finden sein könnten.

Am Abend des 15. März 2015 registrierten
Meteorkameras des DLR-Feuerkugelnetzes einen
hellen Meteoroiden, der sich von Süddeutschland
in Richtung Zentralschweiz bewegte.
Bild: Sternwarte Welzheim / Steffen Brückner [Großansicht] |
Die Erde ist einem ständigen Bombardement von kleinen und großen kosmischen
Körpern, den sogenannten Meteoroiden, ausgesetzt. Pro Jahr regnen tausende
Tonnen dieser Materie aus dem Weltall auf die Erdatmosphäre herab. Nur sehr
selten kommt es vor, dass ein außerirdischer Festkörper als sogenannter Meteorit
den Boden erreicht, der zuvor als leuchtende Feuerkugel seine Bahn über den
Himmel zieht. Die meiste Substanz dieser Körper geht durch Abrieb infolge der
hohen Geschwindigkeit in der Hochatmosphäre verloren.
Mit den Meteorkameras des Feuerkugelnetzes des Deutschen Zentrums für Luft-
und Raumfahrt (DLR) kann die Bahn solcher Meteoroiden aus mehreren Richtungen
erfasst und im Idealfall deren Herkunftsregion sowie der Ort eines möglichen
Meteoritenfalls rekonstruiert werden - so auch für den Meteoriten, der am 15.
März 2015 am Himmel zu sehen war und dessen Bruchstücke den Berechnungen nach in
der Schweiz auftrafen.
Zahlreiche Augenzeugen beobachteten am 15. März gegen 20.44 Uhr MEZ einen
auffallend hellen Meteor von grüner Farbe über Südwestdeutschland und der
Schweiz. Diese Feuerkugel ist von sieben fotografischen
Meteoritenüberwachungsstationen des DLR registriert worden. Erfolgreich waren
die Kameras 43 Öhringen, 87 Gernsbach, 45 Streitheim und 42 Neukirch, sowie 88
Oberreith, 73 Neroth und 40 Grevels. "Gemeinsam mit einer Gruppe internationaler
Kollegen ist es uns gelungen, die Flugbahn der Feuerkugel durch die Atmosphäre
zu rekonstruieren und den Niedergang von Meteoriten in der Schweiz
einzugrenzen", erläutert Prof. Jürgen Oberst vom DLR-Institut für
Planetenforschung.
Die Bahn der Feuerkugel wurde von den DLR-Stationen erstmals um 20.44.08 Uhr
MEZ Zeit in 86,3 Kilometern Höhe erfasst, nördlich von Welzheim im Schwäbischen
Wald in Baden-Württemberg. Durch die Meteorkameras des DLR-Feuerkugelnetzes
konnte die Eintrittsgeschwindigkeit des Meteoroiden in die Erdatmosphäre präzise
bestimmt werden: Sie betrug 21,6 Kilometer pro Sekunde, das entspricht etwa
78.000 Kilometer in der Stunde.
Die Bahnspur des Meteors verlief mit einer Neigung von nur 13,6 Grad gegen
die Horizontale sehr flach. Bei seinem Leuchtflug von knapp 16 Sekunden Dauer
und 300 Kilometern Länge mit einem Azimut von 195,2 Grad, also fast genau von
Nord nach Süd, raste der Meteoroid über den westlichen Teil des Bodensees und
bewegte sich weiter über Schweizer Gebiet. Das Helligkeitsmaximum dürfte die
Feuerkugel in rund 42,5 Kilometer Höhe über dem östlichsten Zipfel des
Zürichsees erreicht haben. Hier und an einigen weiteren Punkten der Bahn ist der
Meteoroid in kleinere Teile zerbrochen. Für die DLR-Kameras ist die Feuerkugel
dann am Südhorizont verschwunden.
Die tiefste Registrierung erfolgte in 29,9 Kilometern Höhe über Tujetsch im
Schweizer Kanton Graubünden. Zudem wurde die Leuchtspur der Feuerkugel auch von
einigen Videokameras und Webcams erfasst. Ein Amateurastronom aus Stappenbach in
Oberfranken fotografierte den Meteor zufällig mit einem Teleobjektiv sogar schon
zwei Sekunden früher als die erste DLR-Kamera, in 96,3 Kilometer Höhe.
"Nach den Ergebnissen der Auswertung kam es offensichtlich bei diesem
Meteor-Ereignis zu einem Meteoritenfall", sagt DLR-Wissenschaftler Jürgen
Oberst. "Aus der geringen Abbremsung des Objekts über die Länge der
atmosphärischen Wegstrecke kann man schließen, dass der Körper eine Anfangsmasse
von mehr als 100 Kilogramm gehabt haben muss." Davon sind durch Ablation des
Meteoroiden nur wenige Kilogramm am Boden angekommen. Wertvolle Hinweise über
die Anzahl der Fragmentierungen lieferten Schweizer Erdbebenstationen, die den
Knall beim Zerbersten der Feuerkugel registrierten.
Das mutmaßliche Streufeld, in dem die Meteoriten gelandet sind, ist aufgrund
des sehr flachen Eintrittswinkels und des mehrfachen Zerbrechens des Körpers
sowie durch Einfluss starker Höhenwinde etwa 30 Kilometer lang und rund vier
Kilometer breit. Es erstreckt sich über Hochgebirgsregionen in den Schweizer
Kantonen Schwyz, Uri, Graubünden und Tessin.
Spontane Meteoritenfunde sind zwar extreme Glücksfälle, ganz aussichtslos
sind Bemühungen allerdings in diesem Fall nicht: "Wenn man sich Zeit nimmt und
das Gelände systematisch absucht, sind die Chancen für einen Fund gar nicht so
schlecht und jetzt ist die perfekte Zeit für eine Meteoritensuche", erklärt
DLR-Planetenforscher Oberst.
Dieser Fall erinnert an die große Feuerkugel vom 6. April 2002, die aus Tirol
kommend ihr Ende über dem bayerischen "Märchenschloss" Neuschwanstein nahm und
ebenfalls aufgrund bester Beobachtungsbedingungen von mehreren DLR-Stationen
aufgezeichnet wurde. Damals konnte der Fallort auf etwa drei Quadratkilometer
eingegrenzt werden - 2002 und 2003 wurden dort tatsächlich drei größere
Meteoriten geborgen. Dadurch, dass der aktuelle Meteor in den frühen
Abendstunden des 15. März 2015 über das Voralpenland und die Schweiz hinweg zog,
wurden wie bei "Neuschwanstein" viele Menschen zufällig Zeugen dieses seltenen
Phänomens.
Durch die präzise Bestimmung von Positionen und Geschwindigkeiten konnte in
diesem Fall auch die heliozentrische Umlaufbahn des Meteoroiden ermittelt
werden. Im Gegensatz zu den meisten Bahnen, deren Ellipsen bis in den
Asteroidengürtel reichen, bewegte sich der Meteoroid vom 15. März 2015 auf einem
fast kreisförmigen Orbit vom sogenannten Aten-Typ, der nahezu komplett innerhalb
der Erdbahn liegt.
Die Auswertungen der Daten gründen sich auf Vermessungen und Berechnungen von
Dieter Heinlein vom DLR-Feuerkugelnetz und Karl Wimmer vom Nördlinger
RiesKraterMuseum; unterstützt wurden die Auswertungen von Maria Gritsevich, Esko
Lyytinen und Florian Schweidler.
Das Europäische Feuerkugelnetz wird gemeinsam von dem DLR-Institut für
Planetenforschung in Berlin und dem Observatorium Ondrejov in Prag betreut. 25
Kamerastationen in Deutschland, der Tschechischen Republik, Österreich und
Luxemburg decken insgesamt eine Fläche von einer Million Quadratkilometern ab.
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