Neutronensterne mit überraschend starken Jets
von Stefan Deiters astronews.com
10. August 2015
Beobachtungen mit dem Karl G. Jansky Very Large Array,
einem Verbund von Radioteleskopen im US-Bundesstaat New Mexiko, haben gezeigt,
dass offenbar auch Neutronensterne für außergewöhnlich energiereiche kosmische
Jets sorgen können. Bislang hatte man vermutet, dass nur Schwarze Löcher in der
Lage sind, diese gebündelten Partikelstrahlen so stark
zu beschleunigen.

Material eines normalen Sterns wird von einem
Neutronenstern angezogen und sammelt sich in
einer Akkretionsscheibe, bevor es auf das
kompakte Objekt stürzt. Dabei können auch Jets
entstehen, die insbesondere im Radiobereich zu
beobachten sind.
Bild: Bill Saxton, NRAO/AUI/NSF [Großansicht] |
Schwarze Löcher und Neutronensterne haben eine ähnliche Entstehungsgeschichte
und stellen die kompakteste und zweitkompakteste Form der Materie im Universum
dar. Beide entstehen durch das explosive Ende eines massereichen Sterns, einer
sogenannten Supernova. Befand sich dieser Stern vor der Explosion in einem
Doppelsternsystem mit einem masseärmeren Stern, kann es passieren, dass dieser
auch nach der Supernova mit dem Schwarzen Loch oder dem Neutronenstern ein Paar bildet.
In solchen Fällen kommt es vor, dass Materie von dem normalen Stern zum
kompakten Objekt strömt. Bevor es aber auf das Schwarze Loch oder den
Neutronenstern stürzt, sammelt es sich in einer sogenannten Akkretionsscheibe. Senkrecht dazu können sich enggebündelte Partikelströme,
sogenannte Jets, bilden, in denen Material mit Geschwindigkeiten von annähernd
Lichtgeschwindigkeit ins All beschleunigt werden.
Bisher waren die Astronomen davon ausgegangen, dass die stärksten dieser Jets
von einem Schwarzen Loch erzeugt werden. Selbst wenn das Schwarze Loch nur
kleine Mengen an Material anzieht, kann dies schon zu sehr energiereichen
Jets führen.
Diese lassen sich dank ihrer Emission im Radiobereich
verfolgen und erscheinen bei entsprechenden Beobachtungen von Schwarzen Löchern
sehr hell. Die Jets, die man bislang von Neutronensternen beobachtet hatte,
waren hingegen eher schwach im Radiobereich. Sogar wenn der
Neutronenstern mit sehr hoher Rate Material von seinem Begleiter abzog, war die
Radioemission der Jets vergleichsweise mäßig.
Bei den Beobachtungen des Neutronensterns PSR J1023+0038 im Radio- und
Röntgenbereich erlebten die Astronomen allerdings eine Überraschung. Bei dem
Objekt handelt es sich um einen "vorübergehenden" Millisekundenpulsar, also
um einen
Neutronenstern, der über viele Jahre kein Material verschlingt, dann aber für
einige Zeit aktiv wird. Bei Beobachtungen in den Jahren 2013 und 2014 nahm der
Neutronenstern nur geringe Mengen an Material auf, so dass die Astronomen
eigentlich nur einen außerordentlich schwachen Jet im Radiobereich erwarteten.
"Vollkommen unerwartet zeigten die Beobachtungen mit dem Very Large Array
eine vergleichsweise starke Emission, was auf einen Jet hindeutet, der fast
genauso energiereich ist, wie einer, den wir von einem Schwarzen Loch erwarten
würden", erläutert Adam Deller von ASTRON in den Niederlanden. "Das ist
überraschend und verrät uns, dass in einigen Systemen mit Neutronenstern und
einem normalen Begleiter etwas ablaufen muss, was wir nicht erwartet hatten."
Inzwischen kennt man noch zwei weitere dieser "vorübergehenden" Systeme
und beide zeigen auch sehr leistungsstarke Jets, die denen von Schwarzen Löchern
Konkurrenz machen. Noch ist den Astronomen um Deller nicht klar, was diese
"vorübergehenden" Systeme so besonders macht. Sie planen daher weitere
Beobachtungen, um auf Grundlage dieser Daten auch ihre theoretischen Modelle
über den Akkretionsprozess anpassen zu können.
Über die Beobachtungen berichten die Wissenschaftler in einem Fachartikel,
der in der Zeitschrift The Astrophysical Journal erschienen ist.
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