NASA kauft weitere Plätze in Sojus-Raumschiffen
von Stefan Deiters astronews.com
6. August 2015
Auf dem Papier hatte alles so gut ausgesehen: US-Unternehmen entwickeln, unterstützt von der NASA, neue Raumschiffe für den
Transport von Astronauten zur ISS und beenden somit die Abhängigkeit von
russischen Sojus-Flügen. Erst sollte es 2015 so weit sein, dann 2017.
Jetzt verlängerte die NASA den Vertrag mit Roscosmos erneut - bis 2018.
Das ist auch eine Kampfansage an den US-Kongress.
Wird die NASA für den Transport von
Astronauten zur ISS noch länger als geplant auf russische
Sojus-Raumschiffe angewiesen sein?
Foto: NASA [Großansicht] |
Mit dem Amtsantritt von US-Präsident Obama bekam auch die amerikanische
Raumfahrtbehörde NASA ein neues Programm verpasst: Das Vorhaben, selbst einen
Ersatz für die inzwischen außer Dienst gestellten Space Shuttle zu entwickeln,
wurde - auch wegen der vollkommen aus dem Ruder gelaufenen Kosten -
eingestampft. Stattdessen sollte die NASA im Rahmen des Commercial Crew Program
US-Unternehmen beim Bau von entsprechenden Raumfahrzeugen unterstützen.
Für die unbemannte Belieferung der ISS mit Versorgungsgütern hat dies - sieht man von den
Pannen der letzten Monate einmal ab - auch ganz gut funktioniert: Zwei verschiedene
US-Unternehmen haben die Raumstation im Auftrag der NASA bereits mehrfach angesteuert und mit
Nahrungsmitteln, Treibstoff und neuen Experimenten versorgt.
Nach den ursprünglichen Plänen sollte der erste bemannte Flug zur ISS mit einem
kommerziellen Raumschiff bereits in diesem Jahr starten. Die NASA hatte gehofft,
auf diese Weise die
Abhängigkeit von der russischen Raumfahrtbehörde Roscosmos in Bezug auf den
Mannschaftstransport schnell beenden zu können. Nach Außerdienststellung der Shuttle sind
nämlich nur die
Russen in der Lage, Besatzungsmitglieder zur ISS hin und wieder zur Erde zurückzubefördern.
Die Abhängigkeit von den russischen Sojus-Flügen besteht noch immer. Frühestens
2017 dürfte ein erstes bemanntes US-Raumschiff wieder zur ISS starten und auch
dieser Termin ist alles andere als sicher. Als Grund für die Verzögerung wird
von der NASA die
chronische Unterfinanzierung des Commercial Crew Program angeführt - der US-Kongress
bewilligt schon seit Jahren weniger Geld, als von Regierung und NASA für das
Programm veranschlagt werden.
NASA-Administrator Charles Bolden ist nun offenbar der Kragen geplatzt: Gestern
hat er sich in einem Brief an die Mitglieder des US-Kongresses gewandt und
mitgeteilt, dass er wegen der ständigen Kürzungen der für das Commercial
Crew Program beantragten Mittel nun gezwungen ist, den Vertrag mit Roscosmos erneut zu verlängern. Nur so sehe er sich
in der Lage, den Transport von amerikanischen Astronauten zur ISS und damit den
ordnungsgemäßen Weiterbetrieb der Raumstation sicherzustellen.
Die ständigen Kürzungen durch den US-Kongress hätten zu der "noch immer
bestehenden Abhängigkeit von russischen Sojus-Raumkapseln für den
Mannschaftstransport geführt." Die Vertragsverlängerung würde den amerikanischen
Steuerzahler 490 Millionen US-Dollar kosten.
Aktueller Hintergrund des Schreibens sind die Verhandlungen für das nächste
Haushaltsjahr. Hier hatte die US-Regierung einen Betrag von 1,2 Milliarden
US-Dollar für das Commercial Crew Program vorgesehen. Mit diesem Betrag, so
Bolden, sei es möglich, dass SpaceX und Boeing die Entwicklung entsprechender
Transportkapazitäten bis 2017 abschließen und damit die Abhängigkeit von den
russischen Sojus-Flügen beendet wird.
Aktuelle Haushaltsplanungen aus Senat und Repräsentantenhaus sehen bislang
nur einen Betrag von maximal einer Milliarde US-Dollar für das Programm vor. Bolden befürchtet
im Fall einer solchen erneuten Unterfinanzierung, dass schon im
nächsten Jahr die Gelder knapp werden und Verträge mit SpaceX und Boeing neu
verhandelt werden müssten. Dies würde, so Bolden sehr wahrscheinlich zu weiteren
Verzögerungen und letztlich auch zu höheren Kosten führen.
In seinem Brief appelliert Bolden an den US-Kongress: "Es ist meine aufrichtige
Hoffnung, dass wir alle einig sind, dass die größte Nation der Erde nicht auf
andere angewiesen sein sollte, um Menschen ins All zu transportieren. Ich bitte
den US-Kongress dringend um die benötigten Mittel für unser Commercial Crew Program in diesem Jahr, so dass wir diese Situation für die Zukunft vermeiden
können."
Beobachter gehen davon aus, dass die Finanzierungsprobleme des Commercial Crew Program auch damit zu tun haben, dass der US-Kongress von den Republikanern
dominiert wird und diese dem demokratischen US-Präsidenten - und dem ihm
unterstellten NASA-Administrator - keine Erfolge gönnen.
Im US-Kongress hingegen
wurde zuvor immer darauf verwiesen, dass man die NASA-Aussage, dass sich mit
einem bewilligten Betrag
von nur rund einer Milliarde US-Dollar das Programm verzögern würde, nicht für
glaubhaft hält. Mit seinem Brief an den Kongress wollte Bolden hier nun wohl ein deutliches Zeichen
setzen.
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